Hallo Olaf,
Die Frage ist, können wir die Hypothese
eines kausalen Zusammenhangs prüfen? Und lohnt es sich im
Einzelfall sich darüber den Kopf zu zerbrechen?
Kausalität läßt sich NUR im Experiment prüfen. Jede Beobachtung in „freier Wildbahn“ (die ja immer nur eine mehr oder weniger gute Korrelation feststellen kann) kann eine Schein-Kausalität vorspielen, und zwar aus den von dir ja bereits genannten Gründen.
Im Experiment hingegen ist es möglich, alle Parameter bis auf den in Frage stehenden konstant zu halten und damit jede Konfundierung einer Korrelation auszuschließen. Weiterhin kann man den hypothetischen Wirkmechanismen des infrage stehenden Parameters experimentell unterbrechen und sehen, ob auch dann noch eine Korrelation beobachtet wird.
Ein gelungenes Experiment ist kein Beweis für die Richtigkeit einer Hypothese - nur ein „mißlungenes“ Experiment ist ein Beweis _gegen_ die Richtigkeit einer Hypothese. Je mehr Experimente _nicht_ gegen die Richtigkeit sprechen, desto besser ist die Hypothese.
Ein einzelnes gelungenes Experiment ist idR noch nicht gut genug, um Skeptiker (und Wissenschaftler sind von berufswegen Skeptiker) zu überzeugen. Daher werden Experimente wiederholt. Erst, wenn sie in der Wiederholung immer gleiche (bzw. statistisch ähnliche) Ergebnisse liefern, vertraut man ihnen überhaupt.
Damit ist auch Deine 2. Frage beantwortet, denke ich.
z. Bsp. sie treffen im Urlaub an einem sehr entlegenen Ort eine bekannte Person die sie seit ::längerem nicht gesehen haben
Hypothesen:
- Die Person teilt meine Vorliebe für bestimmte sehr
entlegene Orte (man kann einfach mal fragen)
In der Praxis kann man also solche Hypothesen nicht enrnsthaft prüfen. Die einzige Chance, überhaupt etwas zu testen, ist folgende:
Man betrachtet die GESAMTZAHL an GÜNSTIGEN UMSTÄNDEN und schaut, bei welchem ANTEIL davon die Hypothese zutrifft. Dann rechnet man aus, wie wahrscheinlich es ist, OHNE dass die Umstände tatsächlich kausal voneinander abhängen würden, dass der hypothetisierte Grund rein zufällig stimmt. Wenn der echte Anteil deutlich größer ist als der zufällig erwartete Anteil, dann ist das ein Indiz für die Hypothese, ansonsten ist es ein Indiz gegen die Hypothese.
Leider ist auch ein solches „Experiment“ praktisch nicht durchführbar. Im obigen Beispiel müßte man zB. die Gesamtzahl aller Treffen untereinander bekannter Personen außerhalb ihrer Heimat in Erfahrung bringen und die auch noch alle Fragen, ob sie eine Vorliebe für entlegene Orte haben (die Sache ist schon schwammig, weil kein Begriff richtig definiert ist: was ist eine „bekannte Person“, was ist „seit längerem“ und was ist ein „entlegener Ort“?). Wahrscheinlich muß man auch noch die Auswahl einer Menge „entlegener Orte“ und anderes mit in die Berechnung einbeziehen…
Wie dem auch sei: Zentral bei der Betrachtung ist, dass man als Vergleich sozusagen die GESAMTZAHL der Ereignisse braucht, wo sich überhaupt „bekannte Personen nach längerer Zeit an einem entlegenen Ort treffen“. Diese Zahl ist wahrscheinlich sehr groß. Diese Zahl muss man mit der Zahl der Fälle vergleichen, wo diese Personen dann tatsächlich eine gemeinsame „Vorliebe für entlegene Orte“ haben. Diese Zahl ist wahrscheinlich deutlich kleiner. Wahrscheinlich kannst du also den Zusammenhang (Fachwort: die statistische Über-Zufälligkeit des Zusammentreffens) zwischen „Vorliebe“ und „Treffen“ statistisch nicht absichern.
Wenn du mehrere verschiedene Hypothesen testen willst, kannst du bei jeder Hypothese mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit zu einen falsch-positiven Ergebnis kommen (also zu dem Schluss, dass die betreffende Hypothese zutrifft, obwohl das in der unbekannten Wirklichkeit nicht der Fall ist). Diesen Fehler versucht man in der Statistik zu kontrollieren. Je mehr Hypothesen zu testest, desto strenger werden die Anforderungen an jeden einzelnen Test. Beispiel: Wenn du zeigen willst, dass EINE Person übersinnliche Fähigkeiten (ÜSF) hat, machst du einen Test mit ihr und wertest das Ergebnis aus. Die Statistik gibt dir dann ein Ergebnis wie: „Wenn DIESE PERSON in Wirklichkeit keine ÜSF hat und du bei einem solchen Testergebnis behaupten würdest, sie HÄTTE ÜSF, dann ist zu erwarten, dass deine Entscheidung in weniger als x% gleichartiger Experimente falsch ist.“
Lies den letzten Satz nochmal. Langsam.
In der Wissenschaft setzt man sich eine akzeptable Grenze für dieses x, ab der man bereit ist, anzunehmen, dass die Hypothese stimmt.
Mehrere Hypothesen zu haben kann man vergleichen mit dem Fall, mehrere Personen auf ÜSF zu testen. Die Frage ist dann eigentlich: „Gibt es MINDESTENS eine Peron mit ÜSF?“. Getestet wird aber jede Person einzeln, und bei jedem Test die die Fehlerwahrscheinlichkeit x%. Dass nun von N Personen mindestens eine „positiv getestet“ wird, ist
100% - (100%-x%)^N
Nehmen wir mal an - wie in der Biologie üblich, x% sei 5%, und du hättest 50 Personen, bei welchen du ÜSF testest. Die Wahrscheinlichkeit, bei MINDESTENS einer dieser 50 Personen ein falsch-positives Ergebnis zu bekommen, ist
100% - (100%-5%)^50 = 100% - 95%^50 = 92%
also fast SICHER!
Will man INSGESAMT nur eine Fehlerwahrscheinlichkeit von 5%, dann muss man jeden einzelnen Test mit einem x% von 0.1% durchführen. Dann ist es natürlich sehr viel schwieriger, auch tatsächlich existierende ÜSF nachzuweisen.
Ein ganz praktisches Beispiel, wo gerne solche Fehler begangen werden, ist, wenn viele Studien zu einem Thema gemacht werden und die Frage ist zB. „Machen Handystrahlen krank?“ - da werden in 50 Studien 50 verschiedene Hypothesen getestet (Konz.-Störungen, Blutdruck, Schlafstörungen, …). Selbst, wenn in Wirklichkeit Handystrahlen NICHT krankmachen, würde jeder einzelne Test mit einer Wahrscheinlichkeit von 5% positiv ausfallen. Die W’keit, dass MIND. eine Studie behaupten kann, Handystrahlen machen XY, ist damit praktisch sicher.
Zum Glück sind Wissenschaftler aber skeptisch und prüfen das dann weiter nach: Experimente werden wiederholt, dann wird nur spezifisch DIESE Hypothese getestet; Tiermodelle werden untersucht; eine Dosisabhängigkeit wird untersucht usw usw - wenn alle diese Indizien für die Hypothese sprechen, dann fangen die Wissenschaftler erst an, sie als richtig zu akzeptieren. Blöd nur, wenn die Presse die erste Studie aufgreift und dann in der BLÖD-Zeitung steht, dass eine Studie gezeigt hat, dass Handystrahlen XY verursachen…
LG
Jochen