Zug um Zug

Liebe Experten,

vielleicht kann mir jemand erklären, wie eine Leistungspflicht Zug um Zug zu verstehen ist. Ich weiß natürlich, was damit dem Grunde nach gemeint ist: Zur Leistung ist der Schuldner, wenn keine Vorleistungspflicht besteht, nur verpflichtet, wenn auch die Gegenseite alles Erforderliche zur Leistungserfüllung getan hat. So grundsätzlich ist meine Frage also nicht gemeint.

Aber wie sieht das in der Praxis aus? Ich schulde Zug um Zug die Herausgabe einer Sache gegen Zahlung des Kaufpreises. Ich sage also: Ich gebe dir die Sache nur, wenn du mir das Geld gegeben hast. Und der Käufer sagt: Ich gebe dir das Geld nur, wenn du mir die Sache gegeben hast.

Bei persönlicher Übergabe leuchtet mir das ja noch ein. Aber was wäre bei einem Versendungsverkauf? Angenommen, es ist klar, dass niemand zur Vorleistung verpflichtet ist, wie sieht hier eine Abwicklung Zug um Zug aus? Muss erst das Geld überwiesen werden? Muss erst verschickt werden Und warum? Oder muss man auf Gedeih und Verderben eine konkludent vereinbarte Vorleistungspflicht interpretieren? :wink:

Würde mich freuen, das erklärt zu bekommen; bedanke mich im Voraus.

Levay

Hallo,

Aber wie sieht das in der Praxis aus?

das wird einzelvertraglich oder per AGB geregelt. Beim online-Handel wird ja üblicherweise durch den Anbieter festgelegt, wie er sich den Ablauf der Transaktion vorstellt. Die hier vereinbarten Zug-um-Zug-Abläufe sind allerdings letztlich nur der Praktikabilität geschuldet, damit bspw. der Verkäufer nicht mit Mahnungen etc. arbeiten muß, um an sein Geld zu kommen.

Zug-um-Zug-Geschäfte sind von wesentlich größerer Bedeutung, wenn es um wirklich relevante Vermögenswerte oder ähliche Geschäfte geht. Klassischer Fall aus meinem Bereich: Bauträger finanziert Errichtung von Immobilie über ein Kreditinstitut, das sich diesen Kredit über Grundschulden besichern läßt. Sollen nun die einzelne Einheiten eines Wohngebäudes verkauft werden, muß natürlich jede Partei darauf achten, daß ihre Rechtspositionen angemessen geschützt werden.

Der Verkäufer muß dafür sorgen, daß die Immobilie lastenfrei übergeben wird, worauf logischerweise der Käufer auch besteht. Die Bank will wiederum die Grundschulden nur freigeben, wenn sie eine entsprechende Rückführung des Kredites sicher erwarten kann. Sind die Grundschulden aber erst einmal freigegeben, lassen sie sich nicht mehr „zurückholen“, wenn das Geld ausbleibt. Käufer und Verkäufer müssen andererseits sicher sein, daß die Grundschulden rechtswirksam freigegeben sind, bevor das Geld dem Verkäufer resp. der Bank überlassen wird.

Insofern gibt es klare Regelungen, wie ein solcher Verkauf abgewickelt wird. Hier ist der Dreh- und Angelpunkt meist der Notar.

  1. Zug: Unterzeichnung des Kaufvertrages
  2. Zug: Überweisung des Kaufvertrages auf das Notaranderkonto
  3. Zug: Vorlage der Bestätigung über den Eingang des Kaufpreises bzw. des auf die Bank entfallenden Betrages sowie des Kaufvertrages bei der Bank
  4. Zug: Unterzeichnung der Freigabeerklärung für die Grundschuld durch die Bank
  5. Zug: Prüfung und Bestätigung durch den von der Bank zur Führung des Unterschriftenverzeichnisses der Bank beauftragten Notar, daß die Unterschriften unter der Erklärung von Personen stammen, die von der Bank zur Abgabe derartiger Erklärungen berechtigt worden sind.
    usw.

Jeder dieser Schritte ist unabingbar, um die Rechtspositionen aller Beteiligten zu jedem Zeitpunkt sicherzustellen. Würde bspw. die Unterschriftenprüfung durch den Notar im 5. Schritt unterlassen, wäre u.U. das Vermögen des Käufers irreparabel beschädigt.

Die Festlegung des Ebay-Verkäufers, daß er die Dose Katzenfutter erst versendet, wenn der Kaufpreis von 3,22 Euro bei ihm eingegangen ist, ist dagegen nur Pillepalle, weil sich alle Ansprüche bei anderen, fehlgeschlagenen Abläufen auf dem Rechtswege mit erheblicher Wahrscheinlichkeit anderweitig und vergleichsweise problemlos durchsetzen lassen.

Anderes Beispiel: Unternehmen U erhält den Auftrag von Auftraggeber A zur Produktion einer Maschine. Der Käufer stellt eine Anzahlung von 30% des Kaufpreises als Vorfinanzierung von Material zur Verfügung, erwartet im Gegenzug aber eine Bankgarantie, die ihn gegen den Ausfall des Schuldners absichert. Die Bank wiederum wird nicht für etwas garantieren, das niemals geflossen ist.

A erwartet also als Voraussetzung zur Zahlung der Anzahlung eine Anzahlungsgarantie. Die Bank stellt diese Garantie aus, allerdings versehen mit der Klausel, daß die Garantie erst dann in Kraft tritt, wenn der Anzahlungsbetrag auf Konto xy eingegangen ist.

Ich hoffe, das beantwortet Deine Frage.

Gruß,
Christian

Hallo Christian,

danke für die ausführliche Antwort. So richtig weitergeholfen hat sie mir aber noch nicht, weil mir schon klar ist, dass es meistens eine Abrede über die Vorleistungspflicht gibt. Mich interessiert aber ja gerade, was dasd Gesetz mit Zug um Zug meint, was also in dem von mir beschrieben Fall gelten würde: Versendungsverkauf ohne Abrede (auch nicht konkludent) über die Vorleistungspflicht / Fälligkeit. Da stehen nun Käufer und Verkäufer, und jeder beruft sich auf § 320 BGB… was nun…?

Levay

Hallo noch mal,

die Vorleistungspflicht / Fälligkeit. Da stehen nun Käufer und
Verkäufer, und jeder beruft sich auf § 320 BGB… was nun…?

da würde ich auf 157 BGB verweisen wollen. Sollte nun nichts geregelt worden sein, müßte ein Gericht klarstellen, wie die Verkehrssitte im konkreten Fall denn aussieht. In Deinem Falle würde ich auf Kauf auf Rechnung plädieren, weil das m.E. im Versandhandel die übliche Variante darstellen dürfte.

Gruß,
Christian

Interessant!

Ursprünglich meinte ich es als Witz, als ich schrieb, man müsse vielleicht auf Gedeih und Verderb durch Auslegung ermitteln, wer vorleistungspflichtig ist; aber deiner Meinung nach ist das sogar die Realität. Ich weiß ehrlich gesagt auch keine andere Lösung.

Levay

Hallo,

ich habe mir damals genau dieselbe Frage gestellt. Inzwischen bin ich der Ansicht, dass die Zug-um-Zug Regelung keinen materiellrechtlichen, als vielmehr einen theoretischen, bzw. prozessualen Inhalt. Wirklich relevant wird das ganze erst vor Gericht. Denn hier muss ggf. dargelegt werden, das die eigene Leistung angeboten wurde. Bzw. muss man den Antrag gleich auf eine Leistung Zug-um-Zug gegen Herausgabe stellen.
Insofern wird die Regelung auch dann relevant, wenn man auf Herausgabe klagt, selbst aber nicht in der Lage ist, derzeit zu leisten. Allerdings bin ich mir jetzt grad gar nicht im Klaren darüber, wer für die eigene ZuZ-Leistungsmöglichkeit Darlegungs-(nicht beweis-)pflichtig ist.
Gruß,
Dea

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