Zugang einer Willenserklärung

Hallo alle,
vor allem exc (der, glaube ich, schon mal was dazu geschrieben hat),

jemand wirft einen Brief, der eine WE darstellt, in einen Briefkasten ein. Nehmen wir mal an, es ist nachts und der nächste Tag ist ein Werktag und um 8 Uhr morgens ist mit der Kenntnisnahme zu rechnen.

Bevor es zu dieser tatsächlichen Kenntnisnahme kommen kann, werde der Brief nun gestohlen. Ich frage mich: Ist die WE zugegangen?

Definition des Zugangs: WE gelangt in der Machtbereich des Empfängers UND es ist mit der Kenntnisnahme zu rechnen.

Letzteres könnte man als rein zeitlichen Aspekt verstehen. Dafür würde sprechen, dass, wenn die WE im Machtbereich des Empfängers gelandet ist, er doch an sich auch die Verantwortung dafür tragen muss. Denn ihm obliegt ja z.B. die Entscheidung, den Briefkasten anständig zu sichern, so dass er ihm als dem Erklärenden das Risiko aufzubürden wäre.

Dagegen würde sprechen, dass zumindest die übliche Definition vom Wortlaut her ja sagt: wenn mit Kenntnisnahme zu rechnen ist, und das muss man nicht zwingend rein zeitlich verstehen. Denn bei Diebstahl ist eben nicht mehr mit Kenntnisnahme zu rechnen.

Weiß jemand, was nun stimmt? Vielleicht mit Quellenangabe?

Es würde sich sehr freuen:
Levay

Hallöchen,

Bevor es zu dieser tatsächlichen Kenntnisnahme kommen kann,
werde der Brief nun gestohlen. Ich frage mich: Ist die WE
zugegangen?

m.E. ja.

Dagegen würde sprechen, dass zumindest die übliche Definition
vom Wortlaut her ja sagt: wenn mit Kenntnisnahme zu rechnen
ist, und das muss man nicht zwingend rein zeitlich verstehen.
Denn bei Diebstahl ist eben nicht mehr mit Kenntnisnahme zu
rechnen.

Stimmt, aber die Definition lautet etwas anders: „wenn unter normalen Umständen mit Kenntnisnahme zu rechnen ist“. Unter normalen Umständen wäre der Brief zur Kenntnis genommen worden, daher ist er zugegangen.

Flugs kopiert (daher auch Archivschutz):
Der Zugang markiert einen Risikoübergang. Daraus ergibt sich, dass die Kriterien für einen wirksamen Zugang wegen des damit verbundenen Risikoüberganges so deutlich erkennbar sein müssen, dass der Absender sein Verhalten danach einrichten kann. Der Absender muss an ein Verhalten anknüpfen können, „mit dem der Empfänger die Grenze seines Machtbereichs in einer Weise markiert hat, dass der Absender annehmen konnte, vom Erreichen dieses Punktes ab werde der Empfänger das Risiko der Erklärungskenntnis tragen“ (so H. Dilcher, AcP 154 [1955], 120, 128). Die erkennbaren Anstalten, die der Empfänger entweder allgemein oder für einen bestimmten Einzelfall für den Empfang der verkörperten Erklärung getroffen hat, sind als Kriterien für die Entscheidung darüber heranzuziehen, ob eine Willenserklärung zugegangen ist oder nicht. Dabei muss sich der Erklärende darauf verlassen können, dass mit dem Überschreiten der durch die getroffenen Empfangsvorkehrungen gezogenen Grenze sein Risiko im Hinblick auf die Erklärung endet und das Kenntnisnahmerisiko auf den Empfänger übergeht (so H. Dilcher, AcP 154 [1955], 120, 128).

Zu solchen Empfangsvorkehrungen, die der Empfänger wegen der an ihn gerichteten Willenserklärungen trifft, gehören technische Maßnahmen, wie z.B. das Anbringen eines Briefkastens und das Mieten eines Postfaches.
Studienunterlagen Fernuni Hagen

Gruß,
Christian

Hallo exc,

danke für deine Antwort. Ich bin inzwischen auch zur selben Ansicht gelangt, nachdem ich meine zu kurze Definition entdeckt hatte. Denn der Diebstahl ist eben nicht der normale Umstand, und unter normalen Umständen wäre dann eben doch mit Kenntnisnahme zu rechnen gewesen. Ansonsten würden ja auch wahrlich zu viele Risiken auf den Erklärungsempfänger abgewälzt.

Schönen Gruß vom
Levay

Hallo nochmal,

danke für deine Antwort. Ich bin inzwischen auch zur selben
Ansicht gelangt, nachdem ich meine zu kurze Definition
entdeckt hatte. Denn der Diebstahl ist eben nicht der normale
Umstand, und unter normalen Umständen wäre dann eben doch mit
Kenntnisnahme zu rechnen gewesen. Ansonsten würden ja auch
wahrlich zu viele Risiken auf den Erklärungsempfänger
abgewälzt.

ich nehme an, daß Du hier den Erklärenden meinst und nicht den Empfänger.

Gruß,
Christian

ich nehme an, daß Du hier den Erklärenden meinst und nicht den
Empfänger.

zu Recht nimmst du das an :smile:

Levay

Hi,

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Wenn der Empfänger nun „nachweisen“ kann, dass sein Briebkasten aufgebrochen wurde (Aufbruchspuren und wohl nötige Anzeige oder Zeugen oder aufbewahrten „Altbriefkasten“) und er diese WE nicht bekommen hat? (ich gehe hier Mal nicht von einem privaten Breifkasten aus)

Einerseits macht die allgemeine Rechtslage über Zugang/Machtbereich ja Sinn, damit nicht jeder sagen kann „Hab ich nicht bekommen“ (Bspl. Einschreiben mit erwarteter Kündigung wird nicht abgeholt, gilt m. W. dennoch als zugestellt), bewiesene Zustellung natürlich vorausgesetzt, da dies ja auch verlangt wird (Einwurfeinschreiben/Bote etc.)

Andererseits könnte nun ja „jeder“ hingehen, seinen Briefkasten schrotten, hat dadurch Indizien, dass kein Zugang erfolgte. (Wenn wir bei dem ohnehin wohl eher selten vorkommenden Beispiel bleiben, dass Briefkästen aufgebrochen werden, und dies zumindest bei Privatbriefkästen recht unglaubwürdig erscheint)

Was also, wenn ein Indiz/„Beweis“ geliefert wird, dass durch den „Briefkasteneinbruch“ *gg* kein Zugang erfolgte?

Diphda, gespannt