Hallo Jörg,
ich habe mir noch keine abschliessende Meinung für oder gegen
einen Krieg gebildet. Aber gerade wegen der leitvollen
Erfahrung unserer Großeltern möchte ich eben, dass ein Volk
nicht von einem Diktator geknechtet wird. Wenn es denn so
einfach wäre Saddam und seine Clique allein zu töten wäre ich
der erste, der dieses befürwortet, ja sogar begrüßt. Du
schreibst von Deinen Großvätern. Der Mann mit dem Wahn war ja
wohl Hitler und nicht die Befreier USA, UK und UdSSR. Und
gerade deshalb bin ich für eine konsequente Verfolgung. Mein
Wunsch ist, dass JEDER Diktator sich irgentwann in Den Haag
befindet. Es ist ein langer Weg, aber ich finde dieses sollte
das Ziel internationaler Politik sein.
Selten war ich beim Lesen der Postings so einer Meinung mit Dir. Trotzdem steckt darin auch ein Widerspruch: Internationale Politik kann nicht die Sache eines Landes sein. Was hier stattfindet, ist der Alleingang eines Landes, das seine Interessen, nicht die Interessen der Welt vertritt. Das ist legitim. Die Frage ist aber, ob man gutheissen soll, dass dieses Land für die ganze Welt spricht und Entscheidungen fällt.
Alle Diktatoren der Welt nach Den Haag zu bekommen, ist leider zur Zeit Utopie. Das zeigte sich unter anderem in Chile, wo ein gewählter Präsident ermordet und durch einen Diktator ersetzt wurde und das wird sich wahrscheinlich in Kürze in Venezuela zeigen. Auch hier wird ein den USA nicht genehmer - aber dummerweise demokratisch gewählter - Präsident (wahrscheinlich mit Hilfe der USA) bekämpft. Ich schätze, in einigen Monaten ist Venezuela eine Militärdiktatur.
Was mein blödsinner Beitrag soll? Ich denke nur, dass man die Geschicke der Welt, auch in der Bekämpfung von Diktaturen, nicht in die Hände einer Supermacht legen sollte, die naturgemäss andere Interssen hat, als der ganzen Welt Frieden und Gerechtigkeit zu bringen. Im Moment sehe ich bei all den Problemen, mit denen die UNO zu kämpfen hat, keine Alternative zu einer internationalen Staatengemeinschaft.
Was die oft besprochenen Alternativen zum Krieg betrifft: ich kenne die Situation im Irak nicht und muss daher glauben, was andere sagen. Da gibt es drei Möglichkeiten:
Erstens: ich könnte Saddam Hussein und den irakischen Vertretern glauben. Persönlich halte ich die allerdings nicht für sehr glaubwürdig.
Oder ich glaube den US-Dreigestirn Bush / Rice - Powell - Rumsfeld. Die haben nach eigener Aussage schlagkräftige Beweise gegen den Irak, wollen sie aber nicht vorlegen. Statt dessen werden Daten vorgelegt, die sehr viel Spielraum für Interpretationen lassen, unvollständig oder reine Spekulation sind. Wenn die Beweise so schlagkräftig wären, könnte man sie ja den UN vorlegen, die dann den Beweis für die Schuld des Iraks finden könnten. Da das nicht geschah und auch der Verdacht der Fälschung von Beweisen im Raum steht, kann ich die Ansichten der USA nur als einseitig ansehen.
Die dritte Möglichkeit: ich schicke unabhängige Vertreter in den Irak (nennen wie sie UN-Inspektoren) und lassen die überprüfen, ob der Irak wie gefordert abrüstet oder nicht. Wenn ja, hat er die Resolutionen erfüllt, falls nicht wird sich niemand einem Militärschlag widersetzen.
Der Weg der USA, die UNO einfach zu übergehen und eigene Gesetze anzuwenden, nährt jedenfalls die Vermutung (die ich nicht zu x-tem Male durchkauen will), dass es Bush nicht um die Befreiung des irakischen Volkes sondern um andere Dinge geht. Dinge wie Rache, Oel, oder - am schlimmsten von alledem - den Versuch, eine neue Weltordnung einzuführen.
Drohen mit Gewalt ist sicher unumgänglich. Trotzdem muss für den Bedrohten die Möglichkeit bestehen, den Krieg durch eine Kursänderung vermeiden zu können. Diese Möglichkeit wurde Saddam Hussein aber nie wirklich gegeben.
Dass die Inspektoren vor Jahren aus dem Irak rausgeflogen sind, haben sie schliesslich zum Teil auch den USA zu verdanken. Natürlich war der Spionageskandal ein willkommener Grund für SH, die verhassten Beobachter zu entfernen. Trotzdem lässt sich Spionage durch neutrale UN-Beobachter durch nichts entschuldigen, auch nicht durch Gewohnheitsrecht.
Wirkliche Gerechtigkeit wird es nie geben, der momentane Kurs der Mächtigen bringt die Welt jedoch eher davon weg. Kurden werden auch in der Türkei verfolgt und ermordet. Das mildert die Verbrechen des Irak nicht, zeigt aber doch auf, dass es nicht egal ist, auf welcher Seite die Verbrecher stehen.
Als letzter Nachsatz: Ich finde das Vorgehen der Regierungen Deutschlands, Frankreichs (auch der Schweiz und sogar Oesterreichs) couragiert und vernünftig! Der UNO zu folgen ist eine Sache, dem Befehl aus Uebersee zu folgen eine andere.
Grüsse,
Bernd