Zur Wahl gehen? Warum?

Hi Nescio

ich geb’s auf

Ich fürchte, das musst du auch… :wink:
Gruß,
Branden

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ich war eben da, als ich fragte ob die Wahl demokratisch sei gewährte die (demokratische?) Wahlhelferin mir einen tiefen Einblick in ihren üppig gefüllten Auschnitt. Ist das demokratisch? Naja, ich hab leider weder 29 noch 28 gefunden und musste das 4te oder 5te von oben nehmen, das war so hübsch symmetrisch.
C

Hegel „reloaded“? - Ja, ein bisschen
Hi Nescio.

Demokratie ist ein historisches Produkt der Rationalität (Vernunft).

Das steht für mich nicht ohne weiteres fest,
weshalb ich natürlich auch deine Folgerung nicht
nachvollziehe:

Das mit dem Produkt der Vernunft ist natürlich der Knackpunkt in dieser Debatte, scheint mir. Warum sollte es nicht so sein? Das demokratische System ist unter allen Möglichkeiten dasjenige mit dem geringsten Risiko von Machtmissbrauch seitens der Regierenden.

Das ist vernünftig genug, um vernünftig genannt zu werden.

Also könnte bzw. müsste deine Frage auch lauten:
„Ist das demokratische Prinzip (System) rational?“

Genau.
Das dürfte aber schwerlich zu begründen sein,
denn: welches sind die Kriterien, denen es genügen müsste?

Siehe oben. Wenn du konkrete Einwände hast, habe ich nichts gegen eine fortführende Debatte.

Gruß

Horst

Des Kaisers neue Kleider
Hallo, Horst,

Demokratie ist ein historisches Produkt der Rationalität (Vernunft).

Das steht für mich nicht ohne weiteres fest,
weshalb ich natürlich auch deine Folgerung nicht nachvollziehe:

Das mit dem Produkt der Vernunft ist natürlich der Knackpunkt
in dieser Debatte, scheint mir. Warum sollte es nicht so sein?
Das demokratische System ist unter allen Möglichkeiten
dasjenige mit dem geringsten Risiko von Machtmissbrauch
seitens der Regierenden.

Das ist vernünftig genug, um vernünftig genannt zu werden.

Also könnte bzw. müsste deine Frage auch lauten:
„Ist das demokratische Prinzip (System) rational?“

Genau.
Das dürfte aber schwerlich zu begründen sein,
denn: welches sind die Kriterien, denen es genügen müsste?

Siehe oben. Wenn du konkrete Einwände hast, habe ich nichts
gegen eine fortführende Debatte.

Auch wenn ich dir zustimm(t)e, dass Demokratie derzeit die
Staatsform mit dem geringsten Risiko von Machtmissbrauch -
richtiger vielleicht: mit dem geringsten Machtmissbrauch -
ist, und wenn ich dies (unter Vorbehalt) mit dem Prädikat
„vernünftig“ auszeichnete, bleibt doch das Faktum, das ich
oben in mehreren Varianten beschrieben habe:

Es bedarf weder einer hohen Intelligenz noch einer
qualifizierten Ausbildung, um zweifelsfrei konstatieren zu
können, dass die Stimme, die ich beim Wahlakt abgebe, das
„Gewicht“ Null hat.

Welchen in einem ganz alltäglichen Sinn
vernünftigen/rationalen Grund gibt es also für mich, d.h. für
jeden, an der Stimmabgabe teilzunehmen?

Ich nannte das oben ein sacrificium intellectus. Das
ist es aber nur für den, der den
einfachen, ja trivialen Gedanken, fasst und fest hält. Das tun
vermutlich sehr wenige, denn dieses Problem wird kaum je
erörtert – wie ein Tabu. Die grosse Zahl der Nichtwähler hat
andere Gründe.

Für mich ist dies ein Paradefall für den in Andersens Märchen
von des Kaisers neuen Kleidern dargestellten individual- und
sozialpsychologischen Vorgang: Jeder kennt die Wahrheit, aber
keiner wagt es, sie sich bewusst zu machen oder gar
auszusprechen – bis auf ein Kind,
das noch nicht „enkulturiert“ (und entsprechend verblendet)
ist.

Gruss
Nescio

Jetzt nochmal ernsthaft gefragt, Nescio
Hallo nochmal, Nescio

Es bedarf weder einer hohen Intelligenz noch einer
qualifizierten Ausbildung, um zweifelsfrei konstatieren zu
können, dass die Stimme, die ich beim Wahlakt abgebe, das
„Gewicht“ Null hat.

Dass du das nicht ernst meinen k a n n s t, ist ja evident und dürfte inzwischen jedem hier aufgefallen sein (es ist ja schon allein mathematisch völliger Unsinn, denn du würdest darauf hinasgehen, dass 1 = 0 ist und das dürfte insbesondere die digitalen Mitleser hier sehr verstimmen *g*), aber ich frage mich nun, wohin deine Frage und dein Beharren philosophisch zielt. Eine Trollerei ist es sicherlich nicht, dazu bist du zu ernsthaft und zu lange hier; es könne allenfalls eine Euenspiegelei sein.
Was also willst du wirklich?
Gruß,
Branden

1 Like

Hallo zusammen,

Es bedarf weder einer hohen Intelligenz noch einer
qualifizierten Ausbildung, um zweifelsfrei konstatieren zu
können, dass die Stimme, die ich beim Wahlakt abgebe, das
„Gewicht“ Null hat.

wirklich schlimm wird die Sache, wenn man mit
seiner Stimmabgabe alle 4 Jahre nun meint
seiner demokratischen Pflicht genüge getan
und alle Verantwortung an eine Partei
delegiert zu haben, das erst macht das
Sacrificium intellectus perfekt!
Mit gegen Null wirkender Aktivität sein
Schicksal in fremde Hände zu geben.
Und solche Leute können in Summe das
Geschick eines ganzen Volkes bestimmen!

Irgendwann werden Wahlen überflüssig werden.
Man wird erkennen, dass die Besten einen
Job machen müssen und nicht die Gewählten.
Man wird Alternativen finden, diese
aktivieren zu können.
Wahlen sind nur ein Zwischenschritt,
deshalb halte ich Nescios Anfrage
weder für eine Eulenspiegelei noch
sonst etwas sondern durchaus für legitim.

Es stellt sichdem Einzelnen resultierend daraus
die Frage, wie kann ich meinen Aktivitäten mehr
Gewicht geben! Aber das ist sehr subjektiv
angelegt und schwer zu diskutieren.

Gruß
Powenz

Der Kaiser ist tot - es lebe die Demokratie
Hi Nescio.

Auch wenn ich dir zustimm(t)e, dass Demokratie derzeit die Staatsform mit dem geringsten Risiko von Machtmissbrauch - richtiger vielleicht: mit dem geringsten Machtmissbrauch - ist, und wenn ich dies (unter Vorbehalt) mit dem Prädikat „vernünftig“ auszeichnete, bleibt doch das Faktum, das ich oben in mehreren Varianten beschrieben habe:

Es bedarf weder einer hohen Intelligenz noch einer qualifizierten Ausbildung, um zweifelsfrei konstatieren zu können, dass die Stimme, die ich beim Wahlakt abgebe, das „Gewicht“ Null hat.

Keiner ist einfach so allein auf der Welt – wir Menschen bilden ein komplexes soziales System, ohne das wir als Individuen gar nicht beständen. Was du machst, ist, dich auf den Standpunkt des absoluten Individualismus zu stellen. Aus der Perspektive dieses Standpunktes aber sieht man nicht die Systembedingtheit der (eigenen) menschlichen Existenz, also den Umstand, dass wir als Individuen in erster Linie ein Produkt des sozialen Systems sind. Das absolute Individuum kann es nicht geben – erstens nicht, weil der Mensch von Grund auf systembedingt ist (Sprache, Normen, Moral), und zweitens, weil niemand wirklich individuell ist. Auch der überzeugteste Individualist zehrt von dem breiten kulturellen Angebot, das ihm das System macht. Alle Begriffe und Denkwege, deren er sich bedient, um das System zu kritisieren, hat er dem System entlehnt.

Was letztlich heißt, dass es keinen vernünftig begründbaren Rückzug (im Sinne einer inneren Emigration) aus dem System geben kann.

Welchen in einem ganz alltäglichen Sinn vernünftigen/rationalen Grund gibt es also für mich, d.h. Für jeden, an der Stimmabgabe teilzunehmen?

Ganz einfach den, dass es o h n e das nun einmal nicht geht. Ginge keiner wählen, dann funktionierte das demokratische System nicht, und andere Verfahren der Auswahl der Regierenden würden sich etablieren. Diese Verfahren liefen zwangsläufig auf die Unterdrückung der nichtregierenden Mehrheit hinaus.

Das zu vermeiden, ist wahrlich ein vernünftiger Grund, um wählen zu gehen.

Was aber für jeden gilt. Jeder ist aufgerufen, an der im System eingebauten Vernunft teilzunehmen, denn ohne diese Teilnahme würde diese Vernunft ja ins Leere laufen.

Da du aber zugibst, 1) dass Demokratie die unriskanteste Staatsform ist, müsstest du, meiner oben abgespulten Logik zufolge, 2) zu dem Schluss kommen, dass Wählen vernünftig ist. Denn ohne dieses Wählen wäre die Demokratie, die du prinzipiell favorisierst, erledigt. Was im Widerspruch zu 1) stände.

Gruß

Horst

Hi Horst,

widersprichst du dir nicht selbst?

Da du aber zugibst, 1) dass Demokratie die unriskanteste
Staatsform ist, müsstest du, meiner oben abgespulten Logik
zufolge, 2) zu dem Schluss kommen, dass Wählen vernünftig ist.
Denn ohne dieses Wählen wäre die Demokratie, die du
prinzipiell favorisierst, erledigt. Was im Widerspruch zu 1)
stände.

Der Kaiser ist tot - es lebe die Demokratie?
War die Monarchie nicht auch einmal eine
unriskante Staatsform? Und die gefährliche
Demokratie ein Risiko?
Wieso sollte man nicht wenigstens theoretisch
für eine Überlegung, weitere Schritte gehen?

Die Demokratie ist tot, es lebe die …

Gruß
Powenz

Du demonstrierst: Der Kaiser lebt!
Hallo Horst,

Es bedarf weder einer hohen Intelligenz noch einer qualifizierten Ausbildung, um zweifelsfrei konstatieren zu können, dass die Stimme, die ich beim Wahlakt abgebe, das „Gewicht“ Null hat.

Keiner ist einfach so allein auf der Welt … Individuen in erster Linie ein
Produkt des sozialen Systems sind… [etc.pp.]

gebongt. Das alles hat aber keine Relevanz für die von mir gestellte Frage.

Was letztlich heißt, dass es keinen vernünftig begründbaren
Rückzug (im Sinne einer inneren Emigration) aus dem System geben kann.

(Kann oder soll? Überleg mal.)
Aber auch das ist für meine Frage irrelevant.

Welchen in einem ganz alltäglichen Sinn vernünftigen/rationalen Grund gibt es also für mich, d.h. Für jeden, an der Stimmabgabe teilzunehmen?

Ganz einfach den, dass es o h n e das nun einmal nicht geht.
Ginge keiner wählen, dann funktionierte das demokratische System nicht

Da will ich dir nicht widersprechen :wink:
Aber ob ich - und nur für mich kann ich entscheiden, wie jeder Andere auch nur für sich -
zur Wahl gehe oder nicht, ändert nichts am Wahlergebnis.

Das [den Zusammenbruch des demokratischen Systems] zu vermeiden, ist wahrlich ein vernünftiger Grund, um wählen zu gehen.

Unvernünftig, weil elementar unlogisch.
Wenn ich zur Wahl gehe, kann ich damit nicht vermeiden, dass ausser mir
kein Anderer hingeht.

Wir können dahingestellt sein lassen, was du - „bisschen hegelisch“ ;-} -
von unserer Demokratie behauptet hast: historisches Produkt der Rationalität (Vernunft).
Nehmen wir sie hin als „historisches Produkt“.
Was dann die Wahlen (zweck)rational machen würde, wäre eine Wahlpflicht.
Denn nun forderte die Teilnahme kein sacrificium intellectus mehr.
(Dass sie das beim jetzigen Verfahren für zig Millionen Menschen, auch sehr klugen, nicht zu
fordern scheint, wirft eine weitere, m.E. hochinteressante Frage auf).

Das eigentlich Faszinierende an der Frage - die intellektuell gewiss keine
hohen Anforderungen stellt - ist jedoch, dass sie zuverlässig tabuisiert zu sein scheint
und (folglich?) in praxi die Wahlbeteiligung - obwohl, wie mir auch diese Diskussion
zeigt, kein vernünftiger Grund für sie aufzeigbar ist - erschreckend (IMO) hoch ist.

Gruss
Nescio

Kant vs. Nescio
Hi Nescio.

Keiner ist einfach so allein auf der Welt … Individuen in erster Linie ein
Produkt des sozialen Systems sind… [etc.pp.]

gebongt. Das alles hat aber keine Relevanz für die von mir
gestellte Frage.

Ich denke doch. Denn deine Argumentation basiert grundsätzlich, auch nachfolgend, auf der Absolutheit des Individualismus. Die Kategorien „Ich“ und die „anderen“ sind immer mit Vorsicht zu genießen, du aber gründest auf sie deine komplette Argumentation.

Siehe z.B.:

Aber ob ich - und nur für mich kann ich entscheiden, wie jeder
Andere auch nur für sich -
zur Wahl gehe oder nicht, ändert nichts am Wahlergebnis.

Wenn ich zur Wahl gehe, kann ich damit nicht vermeiden, dass
ausser mir
kein Anderer hingeht.

Die Trennung „Ich vs. Andere“ ist so einfach nicht zu machen. Bekanntlich läuft Kants Kategorischer Imperativ darauf hinaus, dass jeder Einzelne sich so zu entscheiden hat, wie er denkt, dass a l l e sich entscheiden sollten.

Das transzendiert deine strikte Trennung von Ich und Anderen. Wenn du dich für oder gegen das Wählen entscheidest, dann triffst du eine exemplarische Entscheidung für a l l e Menschen.

Diese Entscheidung kann nicht einfach so vom Rest der Menschheit isoliert betrachtet werden, als betreffe sie nur die Entscheidung zwischen Vanille und Schoko. Beim demokratischen Wahlprozess geht unter um sehr viel fundamentalere Dinge.

Bei denen der Gesichtspunkt „ich“ zu eng ist. Hier geht es vielmehr um das Ganze, von dem du ein Teil bist. Das reine „Ich“-Denken greift dabei, so meine ich, zu kurz.

Wir können dahingestellt sein lassen, was du - „bisschen
hegelisch“ ;-} -
von unserer Demokratie behauptet hast: historisches Produkt
der Rationalität (Vernunft).
Nehmen wir sie hin als „historisches Produkt“.

Hegel sah Vernunft als etwas Intersubjektives an - das ist der Punkt. Sie entspringt nicht dem Individuum, sondern funktioniert auf der intersubjektiven Ebene.

Und genau diese hochwichtige Ebene degradierst du zu etwas Nebensächlichem, als könne man sie nach Belieben goutieren oder ablehnen wie Vanille oder Schoko.

Was dann die Wahlen (zweck)rational machen würde, wäre eine
Wahlpflicht.

Zweckrationalität ist was anderes. Die demokratische Vernunft ist eine höhere Vernunft, sie fundiert das System, innerhalb dessen die Zweckrationalität auf das Lebenspraktische abzielt.

Das eigentlich Faszinierende an der Frage - die intellektuell
gewiss keine
hohen Anforderungen stellt - ist jedoch, dass sie zuverlässig
tabuisiert zu sein scheint

Findest du?

Gruß

Horst

voter’s illusion
Hallo Horst,

Aber ob ich - und nur für mich kann ich entscheiden, wie jeder
Andere auch nur für sich -
zur Wahl gehe oder nicht, ändert nichts am Wahlergebnis.

Wenn ich zur Wahl gehe, kann ich damit nicht vermeiden, dass
ausser mir kein Anderer hingeht.

Die Trennung „Ich vs. Andere“ ist so einfach nicht zu machen.

Nicht in puncto soziales Apriori etc., wie schon kürzlich gesagt;
aber sehr wohl in dieser einfachen, klaren und (eigentlich) leicht
zu entscheidenden Frage.

Bekanntlich läuft Kants Kategorischer Imperativ darauf hinaus,
dass jeder Einzelne sich so zu entscheiden hat, wie er denkt,
dass a l l e sich entscheiden sollten.

Auch das passt, wie manches in deiner Vormail, nicht hierher.
Die Teilnahme an einer Wahl ist keine Frage des Gewissens
oder gar der Sündhaftigkeit.

Das eigentlich Faszinierende an der Frage - die intellektuell
gewiss keine hohen Anforderungen stellt - ist jedoch, dass sie zuverlässig
tabuisiert zu sein scheint

Findest du?

Ja. Deine Denkbewegungen haben mich erneut darin bestärkt.

Wenn du in eine Suchmaschine „voter’s illusion“ eingibst, wirst du
eine Reihe von Artikeln zu diesem Thema finden (in englisch).
Der Begriff geht, soweit ich sehe, auf folgende Arbeit zurück:

Quattrone, G. & Tversky, A. (1984) Causal versus diagnostic contingencies:
On self-deception and on the voter’s illusion.
Journal of Personality and Social Psychology 46:237-48

Die Existenz von etlichen Schriften, die den Begriff verwenden, scheint
nun meinem Eindruck eines Tabus zu widersprechen. Ist aber nicht der Fall,
wenn man sie genauer untersucht (Dünnbrettbohrer).

Ein interessantes Faktum dazu noch zuletzt:
Die englische Wikipedia, die mehr als 3 Millionen Artikel/Lemmata zählt,
gibt keine Auskunft über „voter’s illusion“. Und demgemäss ist im Artikel
über Amos Tversky (s.o.) in der Liste von dessen „notable contributions“
darüber nichts zu lesen.

Gruss
Nescio

Keine moralfreie Zone
Hi Nescio.

Bekanntlich läuft Kants Kategorischer Imperativ darauf hinaus,
dass jeder Einzelne sich so zu entscheiden hat, wie er denkt,
dass a l l e sich entscheiden sollten.

Auch das passt, wie manches in deiner Vormail, nicht hierher.
Die Teilnahme an einer Wahl ist keine Frage des Gewissens
oder gar der Sündhaftigkeit.

Keine Frage des Gewissens? Da wäre ich mir nicht so sicher. So wie man seine Wahlentscheidung (für irgendeine Partei) mit seinem Gewissen vereinbaren muss, so auch die Entscheidung, n i c h t zur Wahl zu gehen. Denn deiner Frage, welchen Grund es f ü r das Wählen geben könnte, liegt bei dir - da bin ich mir sicher - ein Grund (bzw. eine Begründung) dafür zugrunde, dass du n i c h t wählen gehst.

Und genau diese Negativ-Entscheidung, die du innerlich und wohl auch äußerlich getroffen hast (Protesthaltung?), hat etwas mit deinem persönlichen Gewissen zu tun und mit irgendeinem unmoralischen Aspekt in der Politik, der dich vom Wählen abhält.

Also hängt das Thema mit Moral und Gewissen zusammen.

Das eigentlich Faszinierende an der Frage - die intellektuell
gewiss keine hohen Anforderungen stellt - ist jedoch, dass sie zuverlässig
tabuisiert zu sein scheint

Findest du?

Ja. Deine Denkbewegungen haben mich erneut darin bestärkt.

Sorry, war keine Absicht :smile:

Wenn du in eine Suchmaschine „voter’s illusion“ eingibst,
wirst du
eine Reihe von Artikeln zu diesem Thema finden (in englisch).

Nun, etwas wirklich Aussagekräftiges konnte ich nicht finden. Wenn du vielleicht mal eine Passage zitieren könntest?

Gruß

Horst

Gesslerhut
Hallo Horst,

Keine Frage des Gewissens? Da wäre ich mir nicht so sicher.

Wenn du zweifelst, ist das doch schon etwas :wink:

Denn deiner Frage, welchen Grund es
f ü r das Wählen geben könnte, liegt bei dir - da bin ich mir
sicher - ein Grund (bzw. eine Begründung) dafür zugrunde, dass
du n i c h t wählen gehst.

Richtig. Weil ich keinen vernünftigen Grund finde - und deshalb mal
hier fragte.

Und genau diese Negativ-Entscheidung,

Ich fragte ja nach Gründen für eine „Positiv-Entscheidung“.
Nicht das coole Why-Not, sondern Why.
Ist ähnlich wie bei der Frage nach „Gott“.
Weil „alle“ oder meinetwegen „viele“, eben auch Hochintelligente,
an „Gott“ glauben -resp. zur Wahl gehen -
verzichte ich nicht auf eine rationale Begründung für mein
Glauben/Handeln.

die du innerlich und
wohl auch äußerlich getroffen hast (Protesthaltung?)

nein, auch diesen Schuh ziehe ich nicht an;
der Protest wäre allzu leise,
genauso effektvoll (=Null) wie eine Stimmabgabe.

hat etwas mit deinem persönlichen Gewissen zu tun und mit
irgendeinem unmoralischen Aspekt in der Politik, der dich vom
Wählen abhält.

Nein, ich hatte ja von Anfang an betont, dass wir für diese Frage
von allen Aspekten der Politik absehen können/sollen.
Es könnte also auch - extrem, zur Verdeutlichung - meine Hinrichtung zur Abstimmung unter
zig Millionen Menschen zur Wahl stehen.

Also hängt das Thema mit Moral und Gewissen zusammen.

Nein, kann ich nicht erkennen.
Im Gegenteil:
Wenn „das System“ von mir erwartet, dass ich aus freien Stücken einen Akt vollziehen
soll, für den ich keinen vernünftigen Grund finde - und für den
auch nie einer genannt wird - dann empfinde ich das wie die
Aufforderung, ehrerbietig einen Gesslerhut zu grüssen.
Da sträubt sich – mein Gewissen.
Und schon gar nicht kann ich mit Kants KI wünschen, dass „alle“
so handeln. Im Gegenteil.

Eine einfache Lösung wäre, wie ich schon sagte, eine rechtliche
statt einer moralischen Wahlpflicht.

Das eigentlich Faszinierende an der Frage - die intellektuell
gewiss keine hohen Anforderungen stellt - ist jedoch, dass sie zuverlässig
tabuisiert zu sein scheint

Findest du?

Ja. Deine Denkbewegungen haben mich erneut darin bestärkt.

Sorry, war keine Absicht :smile:

:wink:

Wenn du in eine Suchmaschine „voter’s illusion“ eingibst, wirst du
eine Reihe von Artikeln zu diesem Thema finden (in englisch).

Nun, etwas wirklich Aussagekräftiges konnte ich nicht finden.

Am besten das Original von Tversky/Quattrone lesen.
Obwohl: ich komme auch ohne aus.
Ich hatte den Hinweis nur gegeben, um zu zeigen, wie
„die Wissenschaft“ die Frage angeht - und als Hinführung
zur Wertung der beachtlichen Leerstelle unter den 3 Mio (!) Artikeln der
englischen Wikipedia.

Gruss
Nescio

Max Weber und dessen Konzeption der Ratio

Es bedarf weder einer hohen Intelligenz noch einer
qualifizierten Ausbildung, um zweifelsfrei konstatieren zu
können, dass die Stimme, die ich beim Wahlakt abgebe, das
„Gewicht“ Null hat.

Welchen in einem ganz alltäglichen Sinn
vernünftigen/rationalen Grund gibt es also für mich, d.h. für
jeden, an der Stimmabgabe teilzunehmen?

Vielleicht kann ich hierbei, lieber Nescio, ein paar Worte beitragen, wenn ich mir von Max Weber die Unterscheidung der Zweckrationalität von der Wertrationalität (die er abgrenzt vom affektuellem und traditionellem, also irrationalem, Verhalten) borge.

Ohne jede Frage erscheint die Teilnahme an einer Wahl von der Größenordung einer Landtags- oder Bundestagswahl nicht als zweckrational, weil ich meine Stimme dabei unmöglich als Mittel einsetzen kann um meine Zwecke erfolgreich durchzusetzen (so ungefähr definiert Weber die Zweckrationalität). Ob ich abgestimmt habe oder nicht ist völlig irrelevant.

Hier ist aber wichtig, dass Weber die Zweckrationalität als einen Aspekt des sozialen Handelns definiert, und damit als Problem der sog. „doppelten Kontingenz“ (wie T. Parsons das so schön ausdrückte)
Das heißt: mein Handeln steht unabdingbar in Bezug auf das Handeln anderer Handelnder. In dem (Extrem)Moment, in dem allgemein die fehlende Zweckrationalität der Stimmabgabe eingesehen wird (also keiner mehr hingeht), wird es plötzlich doch zweckrational, wählen zu gehen, weil meine Stimme nun doch Gewicht besitzt …
Zu diesem Einsehen gelangen nun auch wieder die anderen sozialen Akteure, so dass ich weiß, dass es nie zu dieser Situation kommen wird, in der meine Stimmabgabe zweckrational sein kann, aber prinzipiell kommen könnte …

M.E. ist das aus dieser Sicht ein unauflösbarer Zirkel (ähnlich dem Gefangenendilemma und anderen spieltheoretischen Modellen), weshalb ich mein Wählengehen natürlich erst mal als nicht-(zweck)rational betrachte, auf der anderen Seite könnte ich wohl aber doch mit einiger Berechtigung sagen, dass ich zweckrational handle, wenn ich die höchst geringe Möglichkeit, dass meine Stimme doch Gewicht haben könnte, berücksichtige und entsprechend ein Kosten-Nutzen-Kalkül anstelle.

Zum zweiten halte ich das Wählengehen u.U. für wertrational.
Weber definiert Wertrationalität als „bewussten Glauben an den -ethischen, ästhetischen, religiösen oder wie immer sonst zu deutenden- unbedingten Eigenwert eines bestimmten Sichverhaltens rein als solchen und unabhängig vom Erfolg“.
(wohlgemerkt grenzt er das von irrationalen, also affektuellen und traditionalen, Verhaltensweisen ab).

Wenn ich also der Demokratie einen positiven Wert zuerkenne und der Überzeugung bin, dass Wählen-Gehen für Demokratie wichtig ist, dann handle ich mit meiner Stimmabgabe sicherlich wertrational in diesem Weberschen Sinne, und nicht etwa irrational, (nur) weil meine Stimme keine Wirkung besitzt.

[Ob man diese Wertrationalität nun tatsächlich als Form der Ratio bezeichnen mag, sei dahingestellt]

Nun könnte man genau diesen Punkt aber sogar wiederum als zweckrational auffassen (auf die Unmöglichkeit, die beiden Rationalitätstypen auseinander zu halten, hat Weber expressis verbis hingewiesen), weil ich mit meinem Tun diese meine Überzeugung unter meinen Sozii quasi ‚fortschreibe‘ und weitergebe.
Unter diesem Gesichtspunkt wäre Wählengehen für Träger dieser bestimmten Überzeugung dann durchaus zweckrational - unabhängig davon, ob die Stimme nun Gewicht hat oder nicht.

_ ℂ Λ ℕ Ð I Ð € _

Es bedarf weder einer hohen Intelligenz noch einer
qualifizierten Ausbildung, um zweifelsfrei konstatieren zu
können, dass die Stimme, die ich beim Wahlakt abgebe, das
„Gewicht“ Null hat.

Welchen in einem ganz alltäglichen Sinn
vernünftigen/rationalen Grund gibt es also für mich, d.h. für
jeden, an der Stimmabgabe teilzunehmen?

Vielleicht kann ich hierbei, lieber Nescio, ein paar Worte
beitragen, wenn ich mir von Max Weber die Unterscheidung der
Zweckrationalität von der Wertrationalität (die er abgrenzt
vom affektuellem und traditionellem, also irrationalem,
Verhalten) borge.
[…]

Vielen Dank, lieber ℂΛℕÐIЀ, für deine Ausführungen,
die mir zu denken, schliesslich aber doch keine Antwort auf meine Ursprungsfrage gegeben haben.

Zum zweiten halte ich das Wählengehen u.U. für wertrational.
Weber definiert Wertrationalität als „bewussten Glauben an den
-ethischen, ästhetischen, religiösen oder wie immer sonst zu
deutenden- unbedingten Eigenwert eines bestimmten
Sichverhaltens rein als solchen und unabhängig vom Erfolg“.
(wohlgemerkt grenzt er das von irrationalen, also affektuellen
und traditionalen, Verhaltensweisen ab).

Wenn ich also der Demokratie einen positiven Wert zuerkenne
und der Überzeugung bin, dass Wählen-Gehen für Demokratie
wichtig ist, dann handle ich mit meiner Stimmabgabe sicherlich
wertrational in diesem Weberschen Sinne, und nicht etwa
irrational, (nur) weil meine Stimme keine Wirkung besitzt.

Das kann ich so nicht nachvollziehen.
Selbst wenn ich die (unsere Form von) Demokratie als für die derzeit
bestmögliche, meinetwegen sogar für die ideale Staatsform hielte,
sie also einen „unbedingten Eigenwert“ für mich hätte,
hielte ich das freiwillige Abgeben meiner - wert- weil gewichtslosen - Stimme,
wie ich hier schon mal titelnd schrieb, für ein sacrificium intellectus,
resp. für etwas wie den Gruss eines Gesslerhutes,
und damit, wenn du so willst, für eine gravierende Verletzung meiner „Menschenwürde“,
die mir selbst zuzufügen man mir zumutet.
Bei institutionalisiertem Wahlzwang (den es ja in einigen Demokratien geben soll) entfiele dies. Alles wäre eine klare Sache,
auch ausdrückliche Stimmenthaltung möglich.
(Wir abstrahieren hier ja von allen anderen Aspekten, etwa der
Zweckmässigkeit von one-man-one-vote, Plebiszit-Problematik etc.)

Höchst erstaunlich, rätselhaft - ich nannte es hier irgendwo erschreckend -,
dass trotz der mMn einfachen Entscheidungslage (einfacher geht’s eigentlich kaum)
so viele Menschen, oft sogar in feierlicher Stimmung und im Bewusstsein
hoher Bedeutung ihres Tuns, zur Wahl gehen. Zig Millionen können sich
nicht irren?

Gruss
Nescio

Lieber Nescio!

Vielen Dank, lieber ℂΛℕÐIЀ, für deine Ausführungen,
die mir zu denken, schliesslich aber doch keine Antwort auf
meine Ursprungsfrage gegeben haben.

Ich muss zugeben, dass ich deine Ausgangsfrage, so einfach sie erscheint, offensichtlich nicht recht verstehe.

Zum zweiten halte ich das Wählengehen u.U. für wertrational.

Wenn ich also der Demokratie einen positiven Wert zuerkenne
und der Überzeugung bin, dass Wählen-Gehen für Demokratie
wichtig ist, dann handle ich mit meiner Stimmabgabe sicherlich
wertrational in diesem Weberschen Sinne

Das kann ich so nicht nachvollziehen.
Selbst wenn ich die (unsere Form von) Demokratie als für die
derzeit
bestmögliche, meinetwegen sogar für die ideale Staatsform
hielte,
sie also einen „unbedingten Eigenwert“ für mich hätte,
hielte ich das freiwillige Abgeben meiner - wert- weil
gewichtslosen - Stimme,
wie ich hier schon mal titelnd schrieb, für ein sacrificium
intellectus

Hier vermischt du aber meine Webersche Differenzierung von Zweck- und Wertrationalität sogleich wieder, weil für letztere das fehlende Gewicht der Stimme keine Bedeutung hat.

Es erscheint mir evident, dass das Wählen für denjenigen (wert)rational ist, der dem Wählen einen „unbedingten Eigen wert“ (also nicht dem Resultat des Wählens, sondern dem Wählen selbst!) zuerkennt.

Bei institutionalisiertem Wahlzwang (den es ja in
einigen Demokratien geben soll) entfiele dies. Alles wäre eine
klare Sache,
auch ausdrückliche Stimmenthaltung möglich.

Es entfiele übrigens auch, wenn man aus der Wahl (die ich letztlich nur für eine unprofessionelle, verzerrte und unnötig teure empirische Vollerhebung halte) ein korrektes Stichprobenverfahren macht.
Das würde das ganze dann auch gleich gründlich entzaubern.
Ist natürlich klar, weshalb das nie geschehen wird …

Höchst erstaunlich, rätselhaft - ich nannte es hier irgendwo
erschreckend -,
dass trotz der mMn einfachen Entscheidungslage (einfacher
geht’s eigentlich kaum)
so viele Menschen, oft sogar in feierlicher Stimmung und im
Bewusstsein
hoher Bedeutung ihres Tuns, zur Wahl gehen.

Da bin natürlich ganz bei dir, auch wenn ich finde, dass du die „Entscheidungslage“ mit deiner Reduktion auf das fehlende Gewicht der Stimme über Gebühr vereinfachst.
(oder ich versteh dein Anliegen einfach nicht, kann gut sein)

_ ℂ Λ ℕ Ð I Ð € _

Lieber Candide,

Ich muss zugeben, dass ich deine Ausgangsfrage, so einfach sie
erscheint, offensichtlich nicht recht verstehe.

Sie lautete:
Zur Wahl gehen? Warum?
Kennt jemand einen rationalen Grund dafür, an einer demokratischen Wahl teilzunehmen?
Grübel. Wieso erscheint sie dir nur einfach?
Inwiefern ist sie es nicht?

Selbst wenn ich die (unsere Form von) Demokratie als für die derzeit
bestmögliche, meinetwegen sogar für die ideale Staatsform hielte,
sie also einen „unbedingten Eigenwert“ für mich hätte,
hielte ich das freiwillige Abgeben meiner - wert- weil
gewichtslosen - Stimme, wie ich hier schon mal titelnd schrieb, für ein sacrificium
intellectus

Hier vermischt du aber meine Webersche Differenzierung
von Zweck- und Wertrationalität sogleich wieder, weil für
letztere das fehlende Gewicht der Stimme keine Bedeutung hat.

Es erscheint mir evident, dass das Wählen für denjenigen
(wert)rational ist, der dem Wählen einen „unbedingten
Eigen wert“ (also nicht dem Resultat des Wählens,
sondern dem Wählen selbst!) zuerkennt.

Ich wollte deine Differenzierung nicht vermischen.
Die Staatsform habe für mich jenen unbedingten Eigenwert,
nicht der Akt des Wählens.
Zu dieser Staatsform gehört allerdings das Wählen.
Dies kann aber nach zwei grundsätzlich verschiedenen Verfahren erfolgen:
Fakultativ oder per gesetzlichem Zwang.
Bei ersterem, wie es bei uns stattfindet, fände ich keinen wie auch immer
rationalen Grund für die Teilnahme.
Da helfen mir auch Max Webers differenzierende Begriffe, die ich hier einmal
akzeptiert habe, nicht weiter.

Bei institutionalisiertem Wahlzwang (den es ja in
einigen Demokratien geben soll) entfiele dies. Alles wäre eine
klare Sache, auch ausdrückliche Stimmenthaltung möglich.

Es klingt für viele wahrscheinlich paradox:
Bei freigestellter Teilnahme wird ein (für mich unzumutbares)
sacrificium intellectus gefordert. Rechtlichen Zwang
würde ich akzeptieren, obwohl dabei das Nullgewicht meiner
Stimme natürlich unverändert wäre.

Es entfiele übrigens auch, wenn man aus der Wahl (die ich
letztlich nur für eine unprofessionelle, verzerrte und unnötig
teure empirische Vollerhebung halte) ein korrektes
Stichprobenverfahren macht.
Das würde das ganze dann auch gleich gründlich entzaubern.

Vollkommen deiner Meinung.

Ist natürlich klar, weshalb das nie geschehen wird …

Stimmt. Aber so klar ist der Grund, glaube ich, gar nicht.
Jedenfalls liest man darüber kaum etwas.
Und die Schwierigkeiten dieser Diskussion hier
(wo man von allen historischen, psychologischen etc. Aspekten
abstrahieren konnte und deshalb eine, wie ich immer noch meine, klare Frage
vor sich hatte) scheinen mir das zu bestätigen.

Und da redet man ständig bedauernd von der Entzauberung der Welt…

Höchst erstaunlich, rätselhaft - ich nannte es hier irgendwo erschreckend -,
dass trotz der mMn einfachen Entscheidungslage (einfacher
geht’s eigentlich kaum)
so viele Menschen, oft sogar in feierlicher Stimmung und im
Bewusstsein hoher Bedeutung ihres Tuns, zur Wahl gehen.

Da bin natürlich ganz bei dir, auch wenn ich finde, dass du
die „Entscheidungslage“ mit deiner Reduktion auf das fehlende
Gewicht der Stimme über Gebühr vereinfachst.
(oder ich versteh dein Anliegen einfach nicht, kann gut sein)

Immer noch (nicht)?
Oder habe ich mich oben jetzt verständlicher ausgedrückt?

Gute Nacht!
Nescio

Lieber Nescio!

Ich muss zugeben, dass ich deine Ausgangsfrage, so einfach sie
erscheint, offensichtlich nicht recht verstehe.

Sie lautete:
Zur Wahl gehen? Warum?
Kennt jemand einen rationalen Grund dafür, an einer
demokratischen Wahl teilzunehmen?
Grübel. Wieso erscheint sie dir nur einfach?
Inwiefern ist sie es nicht?

Weil anscheindend bisher jede Antwort auf diese Frage von dir als inkorrekt oder off topic angesehen wurde :wink:

Fakultativ oder per gesetzlichem Zwang.
Bei ersterem, wie es bei uns stattfindet, fände ich keinen wie
auch immer
rationalen Grund für die Teilnahme.
Da helfen mir auch Max Webers differenzierende Begriffe, die
ich hier einmal
akzeptiert habe, nicht weiter.

Ich denke, wenn man Webers Konzeption der Ratio akzeptiert, dann kommt nicht umhin, das Wählengehen u.U. als wertrational zu verstehen.

Insofern verstehe ich hier deinen Einwand nicht.

Der Wert (hier: die Aufrechterhaltung der Demokratie per freiwilliger Wahl inclusive „sacrificium intellectus“, oder wie immer man das formulieren mag) ist dabei selbst ja nicht als rational gesetzt, sondern es geht Weber dabei, inwieweit der Wert rational in eine Handlung überführt wird.

_ ℂ Λ ℕ Ð I Ð € _

Lieber Candide,

Ich muss zugeben, dass ich deine Ausgangsfrage, so einfach sie
erscheint, offensichtlich nicht recht verstehe.

Grübel. Wieso erscheint sie dir nur einfach?
Inwiefern ist sie es nicht?

Weil anscheindend bisher jede Antwort auf diese Frage von dir
als inkorrekt oder off topic angesehen wurde :wink:

Oh, ich bedaure, dass ich diesen Eindruck bei dir erweckt habe.
Denn insbesondere deine Ausführungen vom 3.10. fand ich
völlig korrekt und tough on topic.
Nur finde ich Webers begriffliche Konstruktionen nicht befriedigend.
Und du hast dich ja nicht mit ihnen identifiziert:
„[Ob man diese Wertrationalität nun tatsächlich als Form der Ratio bezeichnen mag, sei dahingestellt]“

Ich denke, wenn man Webers Konzeption der Ratio
akzeptiert, dann kommt nicht umhin, das Wählengehen
u.U. als wertrational zu verstehen.

Dann habe ich wohl etwas unüberlegt geschrieben, dass ich sie, für diese Diskussion,
mal akzeptiere, denn…

Insofern verstehe ich hier deinen Einwand nicht.

…ich dachte, sie mit jenem Einwand doch noch „retten“ zu können (für mich).

Der Wert (hier: die Aufrechterhaltung der Demokratie per
freiwilliger Wahl inclusive „sacrificium intellectus“
,
oder wie immer man das formulieren mag) ist dabei selbst ja
nicht als rational gesetzt, sondern es geht Weber dabei,
inwieweit der Wert rational in eine Handlung überführt wird.

Für mich ist die Webersche Antwort auf meine (Ausgangs)Frage
(ich nehme deine Antwort dafür – weisst du, ob und wo er selbst dazu schrieb?)
sozusagen der Lackmustest für sein Konzept der Wertrationalität.
Ergebnis: keine Form der Ratio.

Webers Konzept Wertrationalität scheint mir eine terminologische
Mogelpackung und seiner persönlichen Problematik geschuldet zu sein,
wie er sie z.B. in einem Brief an Tönnies (19.2.1909) beschreibt:
Ich bin zwar religiös absolut „unmusikalisch" … aber ich bin, nach genauer
Prüfung, weder antireligiös noch irreligiös. Ich empfinde mich auch in dieser
Hinsicht als einen Krüppel, als einen verstümmelten Menschen, dessen inneres
Schicksal es ist, sich dies ehrlich eingestehen zu müssen…

(Vgl. a. seine Haltung im Fall Otto Gross http://www.lsr-projekt.de/gross.html#k4.2.1 )

Abschliessend (ich denke, wir sind thematisch durch) möchte ich mich
herzlich für deine wirklich lehrreichen Erklärungen bedanken.

Nescio

Zur Psychologie des Wählers
Hallo, lieber Branden,
ich habe dich nicht vergessen…

Es bedarf weder einer hohen Intelligenz noch einer
qualifizierten Ausbildung, um zweifelsfrei konstatieren zu
können, dass die Stimme, die ich beim Wahlakt abgebe, das
„Gewicht“ Null hat.

…aber gemeint, den Diskussionsstrang in dieser doch offenbar
sehr schwierigen Angelegenheit am produktivsten mit Candide
fortzusetzen, dem…

Dass du das nicht ernst meinen k a n n s t, ist ja evident
und dürfte inzwischen jedem hier aufgefallen sein

…jedenfalls meine obige Aussage sowohl ernst gemeint
als auch evident richtig erschien.

Du wirst unsere Diskussion vermutlich verfolgt haben.
Wir haben sie dort abgeschlossen, wo es um eine Einschätzung
der Weberschen „Wertrationalität“ als Form der Ratio ging
(Candide: unentschieden; ich: nein).

Meine abschliessende Bemerkung dort wies ins Psychologische,
denn das Phänomen, dass zig Millionen (weltweit Milliarden)
Menschen an Wahlen teilnehmen, obwohl die Einsicht in den
Nulleffekt solchen Tuns „an sich“ fast jeder haben könnte,
verweist in die Psychologie (des Wählers). Darauf wollte ich u.a. hinaus
mit den Titel-Stichworten „Des Kaisers neue Kleider“,
„voter’s illusion“, „Gesslerhut“ und den Ausführungen dazu.
Aber da du selbst engagierter Wähler bist… :wink:

Nix für ungut
Nescio