Guten mittag,
Sie hat eine Idee entwickelt, wie eine Bank aus viel Geld noch viel
mehr Geld machen kann. Dazu müsse man nur Hypotheken verschiedener
Einzelschuldner bündeln und das so geschaffene neue Wertpapier mit
Aufschlag an andere Banken in alle Welt verkaufen.
da schlägt dann halt das BILD-Niveau durch, würde ich meinen. Tatsächlich ist es ein bißchen kompliziert. Ich gehe daher im Vorfeld auf ein paar technische Details ein, versuche aber später eine etwas leicht verständlichere Schlußfolgerung zu ziehen.
Im Prinzip dreht sich alles um Ratings. Ratings dienen dazu, Produkte (vor allem Kredite und Anleihen (die letztlich ja auch Kredite sind) nach Ausfallwahrscheinlichkeit zu klassifizieren. Dazu bildet man verschiedene Risikoklassen, denen man Ratings zuweist (dazu ein bißchen mehr hier: FAQ:851).
Jeder Risikoklasse steht eine Ausfallwahrscheinlichkeit gegenüber, so daß also ein bestimmtes Rating letztlich eine Aussage über die Wahrscheinlichkeit eines Verlustes des bewerteten Produktes ist. Ausfall bedeutet dabei nicht, daß man kein Geld zurück bekommt, sondern daß zu einem Kreditereignis (einem „default) kommt. In der Regel sind das Zahlungsstörung der zugrundeliegenden Vermögensgegenstände, hier: bei den Forderungen. Allerdings tritt ein solcher Ausfall nicht sofort ein, wenn nur ein Schuldner nicht rechtzeitig bezahlt, sondern ab definierten Größengrenzen
Die berechneten/festgelegten Ausfallwahrscheinlichkeiten kann man genauso multiplizieren wie „normale“ Wahrscheinlichkeiten. So ist die Wahrscheinlichkeit, eine sechs zu Würfeln 1/6 und die Wahrscheinlichkeit, zwei sechsen mit zwei Würfeln zu würfeln, 1/36 (1/6*1/6). wenn also die Ausfallwahrscheinlichkeit für einen Kreditnehmer mit 1% ansetzt (0,01), liegt die Wahrscheinlichkeit, das zwei Kreditnehmer mit der gleichen Ausfallwahrscheinlichkeit bei 0,01% (0,01*0,01). Wenn man nun hunderte oder tausende von Kreditnehmern nimmt, wird die Wahrscheinlichkeit, daß alle ausfallen, mikroskopisch klein. Auch die Wahrscheinlichkeit, daß die Hälfte, ein Viertel oder ein Zehntel ausfällt, ist nach diesen Berechnungen winzig.
Ein paar werden natürlich auch unter normalen Umständen ausfallen. Und so geht man hin und tranchiert das Forderungspaket. Vereinfacht: 80% wandern in die A-Tranche, 15% in die B-Tranche und 5% in die C-Tranche. Eingehende Zahlungen werden zunächst auf die A-Tranche, dann auf die B-Tranche und der Rest auf die C-Tranche verteilt. Die B-Tranche wird also erst angeknabbert, wenn mehr als 5% der Kreditnehmer ausfallen. Der langjährige Durchschnitt liegt grob gesagt zwischen 1 und 2%. Unter Berücksichtigung der Sicherheiten ist die B-Tranche also sehr sicher und die A-Tranche sehr, sehr, sehr sicher. Daher wird dann die A-Tranche das bestmögliche Rating erhalten (das berühmte triple A, also AAA), die B-Tranche noch ein sehr gutes (A) und die C-Tranche noch eines, das immer noch besser ist als das eines einzelnen Kreditnehmers, also BBB+ (ist eh nur ein Beispiel, daher sind die Details nicht so wichtig.
Kommen wir zur eigentlichen Frage: natürlich können an die späteren Anleiheinhaber nur die Zinsen gezahlt werden, die von den Kreditnehmern bezahlt werden. Würden die komplett weitergeleitet, bliebe bei dem Kreditinstitute, das die ganze Sache veranstaltet, überhaupt nichts hängen. Das kommt also nicht in Frage. Außerdem hängen in solchen Konstruktionen noch etliche Dritte: Anwälte, Berater, Verwalter usw., die auch bezahlt werden wollen.
Wie also funktioniert das ganze Spiel? Unter der Annahme, daß die ursprünglichen Kreditnehmer ein durchschnittliches Rating von BBB aufweisen und die dem entsprechende Ausfallwahrscheinlichkeit mit ihren Zinsen auch bezahlen, ist also jede einzelne Tranche von der Ausfallwahrscheinlichkeit - und damit auch vom Rating her – besser als der durchschnittliche Kreditnehmer.
Bei besserem Rating muß aber auch dem Käufer der Anleihe ein entsprechend niedrigerer Zins gezahlt werden. Und da entsteht auf wundersame Weise ein Gewinn, nämlich als Differenz zwischen vereinnahmten Zinsen (also den Zinszahlungen der Kreditnehmer) und auszuzahlenden Zinsen (an die Gläubiger der A-, B- und C-Tranche). Tatsächlich geht das so weit, daß man den Gläubigern der A- und B-Tranche Zinsen zahlen kann, die deutlich über denen liegen, die normalerweise mit derart todsicheren Anlageformen erzielen kann.
Dumm ist es nur, wenn man sich mit den Ausfallwahrscheinlichkeiten vertan hat und die Ausfälle höher liegen als gedacht. Nähert sich die Ausfallquote der magischen Grenze von 5%, fällt natürlich auch der Wert der B-Tranche drastisch; kommt es zu noch mehr Ausfällen, wird es auch irgendwann den Inhabern der A-Tranche zu heiß und sie versuchen, um jeden Preis zu verkaufen. Am Ende gibt es ohne Ende (potentielle) Verkäufer aber keine Käufer mehr. In dieser Situation befinden wir uns seit 18-24 Monaten und von der Gewinnmaschinerie ist Geschichte.
Gruß
Christian