Zustimmung des Integrationsamt verwirkt/ fehlende Anhörung des Betriebsrates?

Folgendes Szenario: wir gehen davon aus, ein nachgewiesen schwerbehinderter Arbeitnehmer wird mehrfach gekündigt

Ein Arbeitnehmer erhält am 10.06.15 eine außerordentliche Kündigung, er wurde nicht durch das Integrationsamt gehört. Am 12.06.15 erfährt er von dem vom AG am 09.06.15 gestellten Antrag auf Zustimmung zur außerordentlichen und hilfsweise zur ordentlichen Kündigung. Nach Abschluss des Verfahrens wird am 23.06.15 eine erneute außerordentliche Kündigung zugestellt.

Aus dem Bescheid geht lediglich hervor, dass eine Entscheidung getroffen wurde, jedoch nicht welche getroffen wurde. Der Bescheid ist zwischenzeitlich angegriffen worden.

Am 04.07.15 erhält der Arbeitnehmer eine erneute - diesmal ordentliche Kündigung. Als Frist wird die tarifvertragliche Frist angesetzt und nicht die nach dem Schwerbehindertenrecht von mindestens 4 Wochen.

In der Zwischenzeit hat der am 15.06.15 gewählte Betriebsrat seine Arbeit am 25.05.15 ordentlich aufgenommen durch konstituierende Sitzung und Wahl des Vorsitzenden.

A ) Hat der AG sein Recht - durch Zustimmung des Amtes - dahingehend verwirkt, als das die Dritte Kündigung nicht „unverzüglich“ erging (innerhalb von 7 Tagen nach Zustimmung)?

Er hätte ja die hilfsweise beantragte ordentliche Kündigung zusammen mit der außerordentlichen Kündigung (Nr.2) aussprechen können

B ) Hätte durch die verspätet eingegangene Kündigung (Nr.3) nicht ein neues Anhörungsverfahren beantragt werden müssen?

C ) Hätte vor der Kündigung Nr.3 nicht der Betriebsrat angehört werden müssen?

Kündigung Nr.1 ist angegriffen und Klage eingereicht, Bescheid des Amtes ist durch Widerspruch angegriffen. Kündigung Nr.2 Klag in Vorbereitung

Hallo,

zur sachgemäßen Beantwortung wäre eine chronologische Darstellung besser gewesen, außerdem fehlen Angaben:

  1. Wie lange bestand das arbeitsverhältnis ?
  2. Wann wurde denn nun der BR gewählt und wann hat er sich konstituiert ? Die im Posting angegebenen Zeiten können nicht stimmen ( Wahl 15.06., „Arbeitsaufnahme“ 25.05.).

&Tschüß
Wolfgang

Ich dachte wegen der Regeln darf nicht zu sehr ins Detail gegangen werden… aber auch das hole ich gerne nach

Beginn Arbeitsverhältnis 02/2014
Ende durch Befristung 08/2014
Erfolgreiche Befristungskontrollklage mit Urteil 24.04.2015
Weiterbeschäftigung ab 26.05.2015
Antrag beim IA 09.06.15

  1. Kündigung 10.06.15 (außerordentlich) - ohne Zustimmung des IA
    Betriebsratswahl 15/16.06.15
    Entscheidung des IA 22.06.15
  2. Kündigung 23.06.15 (außerordentlich) - mit Zustimmung des IA
    Konstituierende Sitzung 25.06.15
  3. Kündigung 04.07.15 (ordentlich) - angeblich mit Zustimmung des IA

hallo,

dann fang ich mal an:

Da hast du was falsch verstanden. Bei Rechtsfragen ist idR sogar eine detaillierte Fallschilderung notwendig - nur eben nicht personalisiert („ich“-Form o.ä.).

Damit besteht durch Urteil wohl ein unbefristeter Arbeitsvertrag seit 02/2014 ? Das würde bedeuten, daß zum Zeitpunkt der ersten Kündigung der Schutz des SGB IX gem. § 90 Abs. 1 Nr. 1 SGB IX besteht.
Alle weiteren Angaben basieren auf dieser Annahme.

Kündigung ist unwirksam

Spätestens ab diesem Zeitpunkt ist der BR bei Kündigungen gem. § 102 BetrVG vom AG und gem. § 87 Abs. 2 SGB IX vom Integrationsamt (IA) zu hören.
http://www.gesetze-im-internet.de/betrvg/__102.html
Allerdings stellt sich im vorgetragenen Fall die Frage, ob der BR nicht bereits früher existent war, da die Konstituierung gem. § 29 Abs. 1 BetrVG erheblich verspätet war:
http://www.gesetze-im-internet.de/betrvg/__29.html

Eine Kündigung ohne Anhörung des BR durch den AG ist unwirksam
Eine Zustimmung des IA ohne Anhörung des BR ist unwirksam
Ein fähiger Anwalt bestreitet im Kü-Schutz-Verfahren immer die wirksame Anhörung des BR durch AG.

Was heißt „angeblich“ ? Die Entscheidung des IA muß AG und AN zeitgleich mitgeteilt werden
„Erfährt der sbM also etwa nur durch den Arbeitgeber von der Zustimmung, wird diese damit noch nicht wirksam.“ (Neuman/Pahlen/Majerski-Pahlen, SGB IX, Neumann, § 88 Rn 7)
Wurde auch zu dieser dritten Kündigung der BR gem. § 102 BetrVG gehört ?

Die 4-Wochen-Frist des § 86 SGB IX ist zwingend und kann nicht durch Tarif- oder Arbeitsvertrag reduziert werden.
Eine Kündigung mit kürzerer Frist ist rechtsunwirksam

Kündigungsgründe, die für eine rechtsunwirksame Kündigung verwendet wurden, dürfen nicht mehr für eine Folgekündigung herangezogen werden.

Hoffentlich hat der AN einen Fachanwalt, der nicht nur Arbeitsrecht, sondern auch Sozialrecht beherrscht, dann dürfte der Spuk bald vorbei sein. Hier könnte dann nämlich auch Rechtsmißbrauch des AG vorliegen.

&Tschüß
Wolfgang