Der Irak-Krieg ist nun also schon länger zu Ende. Fest steht für mich, dass er gut gelaufen ist. Es gab viel weniger Tote als vorher erwartet worden war, viel weniger Flüchtlinge und viel weniger Unruhen in den arabischen Ländern. Auch von anschließenden Epidemien ist nur wenig zu hören (vereinzelt gab es sie in Basra). Hussein ist vertrieben und es gibt Anzeichen für eine Art demokratische Bewegung im Irak.
So weit zum Positiven, was ja nur begrenzt überraschend ist. Es war immer klar, dass die Schwierigkeiten erst nach dem Krieg einsetzen werden.
- Massenvernichtungswaffen sind nicht gefunden worden und werden wohl auch nicht mehr gefunden.
In den USA wird Bush das wohl nur begrenzt Schaden, obwohl auch dort einige Demokraten kritisch hinterfragen. Auch Blair wird dies wohl politisch überleben. Aber die arabische Welt wird dies nicht mehr vergessen. Dieser Krieg ohne Kriegsgrund wird immer ein Stachel bleiben und eine Art Pille, mit deren Hilfe Ideologen neue Terroristen anwerben können. Die moralische Berechtigung haben die USA nun verloren (und nicht nur in den arabischen Ländern sondern weltweit). Schon vor dem Krieg sprach ich von der Bedeutung von „soft power“. Den USA bleibt jetzt nur noch die „hard power“. Dass sie bereit sind, diese einzusetzen, haben sie bewiesen.
2… Staatliche Ordnung im Irak.
Bislang ist da nichts geschehen. So „positiv“ der Kriegsverlauf war, so schlimm waren die ersten Friedenstage. Auch dies wird man den USA nicht vergessen: Ölministerium sichern, aber sonst gegen Plünderungen nicht einschreiten. Eine ganze Kultur wurde, wenn nicht zerstört, so doch stark beschädigt. Garner wurde schon wegen Unfähigkeit (oder, wenn es nicht seine Schuld war, zumindest Erfolgslosigkeit) abgezogen. Selbst die USA merken also, dass ihnen da etwas entgleiten könnte. Und noch halten die verschiedenen Volksgruppen weitgehend Ruhe. Das kann sich aber schnell ändern. Irgendwann muss ein neues politisches System entstehen. Und dann wird eine Gruppe verlieren (oder zumindest das Gefühl haben). Ein System, das alle gut finden, wird es nicht geben. Irgendeiner wird ja die Staatsspitze bilden müssen. Das kann ja kein Triumvirat sein. Und dieser wird einer Volksgruppe angehören.
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Drohungen gegen Syrien und Iran
Diese sind immer wieder zu hören. Aber auch wenn sich die USA noch so aufspielen, einen neuen Krieg können sie sich finanziell kaum leisten (und will auch die Bevölkerung nicht. Da heisst es ja, dass sich nun Bush um die eigenen innenpolitischen, wirtschaftlichen Probleme kümmern muss. Ansonsten werde es ihm wie Bush sen. gehen). Und vor allem der Iran wäre ein viel größerer Brocken als der geschwächte Irak. Man hat ja gesehen (was mich damals gewundert hat, jetzt verstehe ich es), dass es im Süden Iraks die Kämpfe gab, weil da die Bevölkerung aufgrund ihrer Erfahrung gegen die USA war. Ansonsten waren die Kämpfe recht gering, weil die Iraker eben doch nicht Hussein verteidigen wollten. Im Iran stehen die Leute aber hinter der Regierung.
Und auch GBR würde ja nicht mitmachen. Völlig alleine werden aber auch die USA einen Krieg nicht durchführen. Das wissen Syrien und Iran. Insofern geht die Spekulation nicht auf, dass sich nun alle Diktatoren (die es ja so im Iran nicht gibt) ängstigen. Auch sie können die Lage analysieren. -
Militärische Präsenz der USA
Aus Saudi-Arabien werden sich die USA wohl bald zurückziehen. Der Boden wird ihnen dort zu heiss. Aber auch im Irak werden die USA nicht lange bleiben können. Ansonsten gibt es dort doch noch gewaltige Unruhen. Heute gab es ja scho die erste grosse Demonstration gegen die US-Präsenz im Irak. -
Israel
Die Araber erwarten nun, dass die USA zur Lösung der Israel-Frage beitragen. Die Palästinenser haben mit der Entmachtung Arafats Entgegenkommen gezeigt. Von Israel ist noch nichts zu beobachten. Sharon sagt nach ersten Terroranschlägen sogar eine US-Reise ab. Er spielt auf Zeit, in der Gewissheit, dass die USA im Wahlkampf nicht gegen Israel vorgehen können (selbst wenn ein Vorgehen „nur“ eine Kürzung der wirtschaftlichen und militärischen Hilfe sein würde) und der Wahlkampf beginnt ja jetzt langsam wieder (Bush hat seine Kandidatur schon angemeldet, es gibt neun Kandidaten von den Demokraten bislang). Sicherlich ist noch ein paar Monate Zeit, aber eben nicht mehr. Es ist also nicht zu erwarten, dass Bush auf Sharon gewaltigen Druck ausüben wird. Ergo wird die „Road map“ wohl das Schicksal des „Mitchell-Plan“ erleiden. Und die Wut der Araber wird zunehmen. -
Terroranschläge
Auch wenn Algerien vielleicht wirklich nur Lösegelderpressung ist, nehmen die Anschläge (Saudi-Arabien, Marokko) ja wieder zu. Noch heisst es: sie können nur in den islamischen Länder operieren. Das glaube ich aber nicht. Ein Terroranschlag in einem westlichen Land würde mich nicht überraschen. Der Ruf nach Abschottung und/oder härterem Vorgehen gegen „die Araber“ (oder sogar „die Moslems“) könnte dann die Folge sein. -
Deutschland / USA
Die Verstimmung wird bleiben, nur notdürftig überspielt (wenn überhaupt). Bush gefällt sich darin, weiter zu provozieren (Koch). Schröder kann allenfalls nur geringe Zugeständnisse machen, will er nicht sein Gesicht verlieren und will er nicht sein Verhältnis mit Frankreich zerstören. Für Bush gibt es weiterhin nur „wer nicht für mich ist, ist gegen mich.“ Solange dieser Wunsch nach Vasallenstaaten besteht, kann das Verhältnis nicht bereinigt werden. Und die Verstimmung USA/Frankreich ist ja noch grösser. Deutschland wird irgendwann deutlich machen müssen, dass es im Zweifelsfall eher auf der französischen Seite steht. Nicht zwingend aus Prinzip sondern weil die Franzosen ja in diesem Konflikt Recht haben. -
UNO
Die USA verhandeln wieder, bringen wieder Papiere ein, ohne dies sie im Irak nicht operieren können. Sicher werden sich die Sicherheitsratsmitglieder früher oder später, nach mehr oder weniger zähen Verhandlungen einigen. Auch Frankreich wird nachgeben. Folge: Auch die UNO wird diskreditiert werden, was die gegenwärtige US-Regierung ja nicht gross interessiert. Nur wenn man dann mal wieder einen zumindest einigermassen neutralen Moderator bei Konflikten benötigt, wird man niemanden mehr haben. Auch die UNO nicht.
