Zweitwohnung anstelle Hotelkosten?

Hallo!

Der BFH hat 1976 (BStBl II 776) entschieden, dass jedenfalls eine den Bedürfnissen des Steuerpflichtigen entsprechende Zweitwohnung am Ort der Betriebstätte mangels Abgrenzbarkeit im vollen Umfang zu Kosten der privaten Lebensführung führt.

Wie sieht es denn mit einer Wohnung aus, die nur spartanisch für Übernachtungen eingerichtet ist und über Jahre hinweg praktisch auch nur in dieser Form anstelle eines Hotelzimmers genutzt wird? Gibt es hierzu, abgesehen von den Ausführungen zur doppelten Haushaltsführung, noch konkretere oder aktuellere Urteile? Ich kann mir jedenfalls praktisch keinen Fall vorstellen, der eine private Veranlassung völlig ausschließt (betrieblicher Schlaf?).

Danke und Ciao!
Nemo

hallo nemo,
da genügt doch schon ein blick ins gesetz: „Werbungskosten sind Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen.“ (9 Abs. 1 S. 1 EStG). Bei aufwendungen für eine wohnung kann dies nicht der fall sein, da diese nie der erzielung von einnahmen, sondern immer der privaten lebenshaltung dient (außer sie ist komplett vermietet und dient somit der erzielung von einnahmen aus vermietung und verpachtung, oder ein zimmer wird ausschließlich als arbeitszimmer genutzt, und die voraussetzungen des § 9 Abs. V i.V.m. § 4 Abs. 5 Nr. 6 b ESTG http://www.steuernetz.de/gesetze/estg/20001230/p4.html liegen vor). lediglich für den fall einer doppelten haushaltsführung können aufwendungen für die doppelte/zweite wohnung qua gesetz als werbungskosten berücksichtigt werden, seit 1996 jedoch nur noch für einen begrenzten zeitraum von 2 jahren (s. § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 5 EStG http://www.steuernetz.de/gesetze/estg/20001230/p9.html).

eine auswahl der bfh-entscheidungen zu § 9 estg (werbungskosten), also auch zur doppelten haushaltsführung für die letzten 7 jahre findest du hier: http://www.mio-verlag.de/mio_bfh/estg_09.htm:-)

und zu § 12 EStG (also aufwendungen, die nicht als betriebsausgaben, werbungskosten oder sonderausgaben zu werten sind), findest du hier: http://www.mio-verlag.de/mio_bfh/estg_12.htm.

viel spass beim durchlesen
gunnar

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… ganz so einfach ist es dann doch nicht …
… danke zunächst für die schnelle Antwort, aber die von Dir beschriebenen allgemeinen Grundlagen sind mir bekannt. Nur stellt sich mir die Frage, wie man bei einer beruflich genutzten Wohnung als „Schlafstätte“ ausnahmsweise in eine Lücke zwischen der doppelten Haushaltsführung §§ 4 V Nr.6a und 12 Nr.1 EStG rutschen kann. Schmidt (Schmidt-EStG zu §4) beruft sich auf ein Urteil des FG Nbg.(EFG 1985 S.277,rkr.). Leider liegt mir dieses Urteil selbst nicht vor (Volltext???)
Anzumerken wäre, dass das FG München 1990 in einem offenbar ähnlichen Fall unter Verweis auf dieses Urteil festgestellt hat, dass der BFH wohl noch keinen derartigen Fall zu entscheiden hatte.

Vielleicht kennt diese oder andere Fundstellen zu Wohnungskosten, die, ohne eine doppelte Haushaltsführung zu begründen, als Betriebsausgabe abziehbar sind. Mir erscheint eine solche Möglichkeit, offengestanden, nicht logisch (entweder Wohnung als doppelte Haushaltsführung oder priv. Lebensführung). Aber die Gedankengänge unserer Richter sind gelegentlich unergründlich :wink:

Danke!
Ciao!
Nemo

hallo nemo,

was schreibt denn schmidt genau in seinen ausführungen?

und nun ist die wohnung „beruflich genutzt“ (wie, bleibt die frage), das ändert doch den sachverhalt.

zu klären ist auch, von wem die wohnung als schlafstätte genutzt wird, vielleicht vom arbeitnehmer (dann sind die aufwendungen hierfür natürlich betriebsausgaben, die vom arbeitnehmer als einnahmen aus § 19 estg zu versteuern sind, sofern bei ihm nicht wieder eine steuerlich zu berücksichtigende beruflich veranlasste doppelte haushaltsführung vorliegt).

auf eine spannende diskussion freut sich
gunnar

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Hallo!

  1. Schmidt zitiert nur die o. g. Fundstelle des FG Nürnberg, wonach ausnahmsweise Betriebsausgabenabzug möglich sein kann.

  2. Natürlich wird die Wohnung (frei-) beruflich genutzt, sonst wäre die Frage von vorn herein gegenstandslos.

  3. Die Nutzung erfolgt seit 1992, und zwar ausschließlich durch den Unternehmer selbst als Schlafstätte am Ort der auswärtigen Betriebstätte („Zweigniederlassung“).

  4. Es soll sich ausdrücklich nicht um eine doppelte Haushaltsführung handeln, logisch, wenn man deren Ergebnis ab 1996 kennt.

  5. Die Wohnung erfülle nur die elementaren Grundbedürfnisse und sei nicht den speziellen Ansprüchen des Unternehmers entsprechend eingerichtet „quasi 1 Tisch 1, Bett, 1 Stuhl“ (2 Zimmer, Erdgeschoss, Hauptverkehrsstraße), daher werde kein Haushalt geführt.

Soviel zum Sachverhalt, dennoch würde mich das o. g. Urteil interessieren…

Ciao!
Nemo

hallo nemo,

hat leider etwas gedauert, bis ich nachlesen konnte.
deine fundstelle im schmidt habe ich leider nicht gefunden. Immerhin gibt es zu § 4 EStG 754 Randziffern.

die meinung des bfh von 1976, dass aufwendungen für eine zweitwohnung des steuerpflichtigen (stpfl.) am ort der betriebsstätte zu den kosten der lebensführung gehören und deshalb nicht als betriebsausgaben/werbungskosten abgezogen werden dürfen, ist veraltet.

Schmidt schreibt hierzu zu § 9 doppelte haushaltsführung, (randziffer habe ich leider auch nicht mehr parat): „Mit dem argument, dass ein lediger arbeitnehmer nicht wie eine aus mehreren personen bestehende familie gleichzeitig an zwei Orten anwesend sein kann und deshalb nicht zur gleichen zeit zwei verschiedene haushalte an verschiedenen orten geführt werden können, wurde die annahme einer doppelten haushaltsführung bei ledigen verneint und nur in ausnahmefällen anerkannt. wenn in dem hausstand am mittelpunkt der lebensinteressen eine oder mehrere von dem arbeitnehmer abhängige zurechnungspersonen (z.b. bedürftige eltern, partner mit gemeinsamem kind) lebten. diese rechtsprechung hat der bfh aufgegeben und die doppelte haushaltsführung eines nicht verheirateten arbeitnehmers im hinblick auf die geänderte gesetzesfassung und die veränderten gesellschaftlichen verhältnisse grundsätzlich anerkannt (s. bstbl. 1995 II S. 180, bfh-urteil vom 05.10.1994, Az. VI R 62/90 http://www.mio-verlag.de/mio_bfh/xx950180.htm) und damit verheiratete und nicht verheiratete arbeitnehmer gleichgestellt.“

das finanzgericht nürnberg hat mit urteil vom 22.02.1984, Az: V 368/83 EFG 1985, S. 227 („Kosten einer auswärtigen gemieteten zweiten Wohnung eines unverheirateten Selbstständigen können Betriebsausgaben sein, wenn die Wohnung neben der betrieblichen Nutzung nur zum Schlafen benutzt wird“) und das finanzgericht münchen mit Urteil vom 14.08.1990, Az: 16 K 2877/88, EFG 1991, 663 („Mietaufwendungen eines während seines Schichtdienstes der Residenzpfllicht unterliegenden, ledigen Polizeibeamten sind als Werbungskosten absetzbar, wenn die angemietete Wohnung nicht zum Zweck der Lebensführung bewohnt wird“) diese höchstrichterliche Meinungsänderung in der Rechtsprechung vorweggenommen. das fg münchen hatte argumentiert, dass zwar grundsätzlich wohnen und schlafen dem privaten lebensbereich zuzuordnen seien. allerdings habe das angemietete zimmer - ähnlich der anmietung eines hotelzimmers - objektiv und subjektiv ausschließlich dazu gedient, den dienstlichen verpflichtungen des polizeibeamten nachzukommen und lediglich die funktion als aufenthaltsraum für befristete zeit in den tages- und nachtstunden erfüllt. die benutzung des angemieteten zimmers habe zunächst der dienstrechtlichen verpflicthung des klägers, seiner residenzppflicth während des schichtdienstes nachzukommen, gedient. ausschließlich zwischen zwei schichten sei dieses zimmer genutzt worden. vor und nach dem schichtdienst habe der kläger zusammenhängend bei seinen eltern gelebt…". Also im Grunde genau das, was nun in Abschnitt 43 lstr http://www.nonprofit-management.de/gesetze/lstr/0f.htm gefordert wird.

Übrigens wurde gegen dieses Urteil Revision beim Bundesfinanzhof zugelassen, aber offensichtlich nicht eingelegt.

viele grüße
gunnar

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verstehe ich Dich richtig, …
… dass sich unsere Meinungen decken?

Ich denke nämlich nicht, dass die steuerliche Behandlung des Betriebsausgabenabzugs bei einer vollständig eingerichteten WOhnung als blosse Schlafstätte von der einer normalen dopp.Hhf. abweichen kann. Das Urteil betrifft wohl nur die Abgrenzung 4/4 zu 12/1, und begründet folglich keinen zeitlich unbegrenzten Abzug.

Ciao!
Nemo

Man muss beachten, wann die finanzgerichtsurteile geschrieben worden sind, nämlich zu einer zeit, als die finanzverwaltung übereinstimmend mit der höchstrichterlichen rechtsprechung ledigen steuerpflichtigen keine doppelte haushaltsführung zubilligten.

würde über den gleichen sachverhalt heute entschieden werden müssen, dann wären die aufwendungen wohl als aufwendungen für doppelte haushaltsführung zu qualifizieren, und die finanzrichter bräuchten nicht mehr solche kunstgriffe erfinden wie in dem urteil des finanzgerichts münchen.

der 16. senat des finanzgerichts münchen hat übrigens in seinem letzten satz in diesem urteil geschrieben:

„Der Senat lässt jedoch die Revision gem. § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zu, da einerseits nach der Rechtsprechung des BFH eine doppelte Haushaltsführung bei einem Ledigen grundsätzlich nicht möglich ist (vgl. hierzu z.B. Schmidt/Drenseck, a.a.O. § 9 Anm. 9 c m.w. Rechtsprechugnshinweisen), andererseits aber die hier getroffene Entscheidung, wenn auch für einen Sonderfall, letzlich für Mietaufwendungen dasselbe steuerliche Ergebnis wie die Anerkennung einer doppelten Haushaltsführung hat.“

Scheinbar hatte er selbst Bauchschmerzen, dass er bei diesem Urteil von der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs abgewichen ist, und wollte der Finanzverwaltung Gelegenheit geben, dieses Urteil höchstrichterlich überprüfen zu lassen. Leider hatte die Finanzverwaltung hiervon keinen Gebrauch gemacht, so dass es erst später zur Änderung der Rechtsprechung durch den BFH kam (s. BFH-Urteil v. 05.10.1994, VI R 62/90, BStBl. 1995 II S. 180).

Viele grüße
Gunnar

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