Zwillingsparadoxon

Moin Leute,

ich möchte gerne wissen, was das Zwillingsparadoxon der Relatititätstheorie für konkrete Auswirkungen hat. Da wohl nur RT-Experten meine Frage beantworten, muss ich das Paradoxon hier wohl nicht weiter erläutern.

Was heißt es konkret, dass der Zwilling auf der Erde „älter“ ist? Ist er seinem biologischen Lebensende näher als sein Zwilling aus dem Weltall? Hätte, anders gefragt, der Zwilling im Weltall während seiner Reisezeit mehr Bücher lesen können als sein Zwilling auf der Erde in der „gleichen“* Zeit?

Freue mich auf eure Antworten!

VG

Squonk

*Soweit ich das verstanden habe, macht es keinen Sinn, von gleicher Zeit zu sprechen. Ich meine hiermit einfach die Zeitspanne der Reise. Also von t0 (Reisebeginn) bis t1 (Reiseende), die die beiden Zwillinge unterschiedlich lang erlebt haben.

Was heißt es konkret, dass der Zwilling auf der Erde „älter“
ist? Ist er seinem biologischen Lebensende näher als sein
Zwilling aus dem Weltall?

Ja, wenn beide die gleiche Lebenserwartung haben.

Hätte, anders gefragt, der Zwilling
im Weltall während seiner Reisezeit mehr Bücher lesen können
als sein Zwilling auf der Erde in der „gleichen“* Zeit?

Umgekehrt: Für den Zwilling auf der Erde ist mehr Zeit vergangen.

Ja, wenn beide die gleiche Lebenserwartung haben.

Ok, das heißt, wenn beide eine Lebenserwartung von 80 haben, kann es sein, dass der Erdenzwilling schon tot ist, wenn der Weltraumzwilling wiederkehrt?
(Entsprechende Zahlenwerte vorausgesetzt)

Umgekehrt: Für den Zwilling auf der Erde ist mehr Zeit
vergangen.

Jetzt hab ich noch eine Frage: „Mehr Zeit“ heißt jetzt aber nicht unbedingt „schneller“, oder?

Was ich damit meine: Aus Sicht des Erdenzwillung vergeht die Zeit für den Weltraumzwilling ja langsamer. Aber der Weltraumzwilling liest dann ja nicht langsamer Bücher, sondern einfach in gleicher Zeit mehr, oder?

Ok, das heißt, wenn beide eine Lebenserwartung von 80 haben,
kann es sein, dass der Erdenzwilling schon tot ist, wenn der
Weltraumzwilling wiederkehrt?

Korrekt.

Jetzt hab ich noch eine Frage: „Mehr Zeit“ heißt jetzt aber
nicht unbedingt „schneller“, oder?

Aus Sicht des Erdenzwillings vergeht die Zeit völlig normal. Aus Sicht des Weltraumzwillings wird es kompliziert.

Was ich damit meine: Aus Sicht des Erdenzwillung vergeht die
Zeit für den Weltraumzwilling ja langsamer.

So ist es.

Aber der
Weltraumzwilling liest dann ja nicht langsamer Bücher, sondern
einfach in gleicher Zeit mehr, oder?

Wenn beide Zwillinge in ihren jeweiligen Ruhesystemen gleich schnell lesen, dann lesen sie während der gleichförmig bewegten Flugphasen aus Sicht des jeweils anderen langsamer. Während des Wendemanövers liest der Erdenzwilling aus Sicht des Weltraumzwillings wesentlich schneller, während der Weltraumzwilling aus Sicht des Erdenzwillings nicht ganz so langsam liest.

Hi,

das Zeitempfinden ist für beide Menschen gleich. Man kann also in der selben Zeit die selbe Anzahl Bücher lesen wie immer.

Was ich damit meine: Aus Sicht des Erdenzwillung vergeht die
Zeit für den Weltraumzwilling ja langsamer. Aber der
Weltraumzwilling liest dann ja nicht langsamer Bücher, sondern
einfach in gleicher Zeit mehr, oder?

Nee, weniger aus Sicht des Erdenzwillungs!

VG
J~

Klasse, mir ist das jetzt viel klarer geworden.

Danke für deine schnelle und kompetente Hilfe!

das Zeitempfinden ist für beide Menschen gleich. Man kann also
in der selben Zeit die selbe Anzahl Bücher lesen wie immer.

Dein Posting hatte ich noch gar nicht gesehen!

Angenommen die Zwillinge lesen den ganzen Tag und treffen sich wieder, wenn der Erdzwilling 60 und der Weltraumzwilling 40 ist. Dann hat der Weltraumzwilling doch (aus Erdensicht) in weniger Zeit mehr gelesen, oder?

—> und liest demnach mehr Seiten pro Jahr, also „schneller“ ?

Angenommen die Zwillinge lesen den ganzen Tag und treffen sich
wieder, wenn der Erdzwilling 60 und der Weltraumzwilling 40
ist. Dann hat der Weltraumzwilling doch (aus Erdensicht) in
weniger Zeit mehr gelesen, oder?

Umgekehrt: Wenn jeder Zwilling pro Lebensjahr ein Buch liest, dann hat der Erdenzwilling am Ende 60 Bücher gelesen und der Weltraumzwilling nur 40.

hallo

vielleicht etwas off-topic:

die relativitätstheorie besagt u.a., dass es kein absolutes bezugssystem gibt. alles ist also immer relativ zum beobachter. ein effekt ist, dass die zeit in einem relativ zum beobachter bewegten system langsamer vergeht als beim beobachter selbst. dies ist ein vielfach bestätigtes faktum und alles andere als paradox.

das scheinbare paradoxon tritt auf, weil eben das relativitätsprinzip gilt: die naturgesetze müssen für alle beobachter an allen punkten des universums gleich sein. sie gelten also auch für den hypothetischen raumfahrer. mangels absoluten bezugssystem darf sich der raumfahrer also selbst als ruhend bezeichnen und beobachtet den zwilling auf der erde als bewegt. und damit misst der raumfahrer, dass die zeit beim zwilling langsamer vergeht als bei ihm.

und trotzdem ist es so, dass wenn der raumfahrer auf die erde zurückkommt, er eindeutig feststellt, dass es eben andersrum ist - er also weniger gealtert ist als sein zwillingsbruder, obwohl er während des flugs was anderes beobachtet hat.

das scheinbare paradoxon löst sich auf wenn man die reise näher betrachtet. der raumfahrer fliegt ja nicht in einer geraden linie und immer mit selber geschwindigkeit sondern beschleunigt, bremmst und muss zumindest einmal seine richtung gröber ändern (dann, wenn er umdreht und zur erde zurückfliegt). d.h. er wechselt ständig das intertialsystem. und genau bei diesen wechseln erlebt er eine art blinden fleck - kann also einen bestimmten zeitraum, den der zwilling durchlebt hat, nicht beobachten. und genau die summe an nicht beobachtbaren zeiträumen ist es dann auch, die den raumfahrer von seinem zwillingsbruder bei der rückkehr trennen.

leider wird genau jener teil, der das scheinbare paradoxon ausmacht, von vielen artikelschreibern weggelassen - oft, weil sie überhaupt nichts davon verstehen, wovon sie schreiben. beim unbedarften leser erscheint damit der eindruck, dass bereits die verlangsamung der zeit das paradoxon darstellt. dabei ist aber absolut nichts paradoxes drann. nicht alles, was man nicht versteht, ist paradox.

lg
erwin

Hi,

ich habe mir das „Paradoxon“, warum der reisende Zwilling nach der Wiederkehr der Jüngere ist und nicht der Daheimgebliebene (beide können ja behaupten, dass der jeweils andere sich nicht bewegt hat) bisher immer mit Einsteins Äquivalenzprinzip veranschaulicht bzw. zu erklären versucht.

Der Reisende ist ja mindestens vier Beschleunigungsphasen ausgesetzt (beschleunigen-bremsen-(umkehren)-beschleunigen-bremsen), und nach dem Äquivalenzprinzip sind die Auswirkungen von Beschleunigung und Gravitation auf die Zeit dieselben (sie verlangsamt sich).

Also muss der reisende Zwilling nach der Rückkehr der jüngere der beiden sein.

Gruß, C.

hallo

sobald sich das raumschiff beschleunigt bzw. bremst ist es kein inertialsystem mehr. dazu müsste es ruhen oder sich gleichmässig bewegen (also geradaus fliegen mit konstanter geschwindigkeit). nur für solche systeme gilt die srt.

das äquivalenzprinzip mag zwar gelten - ich bezweifle aber, dass bei der beschleunigung eine derart hohe gravitation „erzeugt“ wird, dass diese eine nennenswerte raumkrümmung bewirkt. ob das äquivalenzprinzip hier überhaupt anwendbar ist (also die durch die beschleunigung erzeugte trägheitskraft identisch ist wie durch masse erzeugte gravitation), kann ich nicht sagen - weit jenseits meines wissenstandes. klingt aber zumindest seltsam.

aber es gibt sicher wissende in diesem forum, die das fachlich fundiert aufklären können…

lg
erwin