Zylinderkopfschrauben ersetzen ?

Hallo Experten,

in den Werkstatthandbüchern der Kfz-Hersteller wird oft angegeben, nach dem Lösen der Zylinderkopfschrauben wären diese zu ersetzen.
Grund ist, dass es sich um Dehnschrauben handelt.

Aus Werkstatterfahrung weiss ich, dass in der Praxis die Schrauben bei Diesel-Motoren ersetzt werden, beim Ottomotor oft hingegen nicht.
Wie ist hier eure Einschätzung? Ist das als „Pfusch“ zu bezeichnen, oder seht ihr keine Gefahr des „Abreißens“ einer solchen Schraube.

Das Drehmoment beträgt (im Beispiel bei VW), im ersten Schritt 40Nm dann 60Nm, dann noch 180° Drehwinkel. liegt hier bereits eine plastische Verformung vor, welche den Wechsel nötig macht ? Oder ist es eine reine Vorsichtsmaßnahme welche technisch auf wenig Grundlage beruht ?

Ich habe schon viele Meinungen zu dem Thema gehört, allerdings keine technisch fundierten. Und jetzt kommt ihr… :wink:

Vielen Dank im voraus, liebe Experten !!

Beste Grüsse
Jochen

Hallo Jochen,

man könnte höchstens abstreiten, dass das Ganze Verfahren unbedingt nötig ist, aber wenn man einmal akzeptiert, dass das von dir beschriebene Verfahren beim Festschrauben sinnvoll ist, dann ist es auch das Auswechseln der Schrauben - die können sich beim 2.Mal nicht genauso verhalten wie beim ersten Einschrauben, da sie sich verändert haben: sie federn ja beim Rausschrauben nicht elastisch zurück in den Lieferzustand (das würde ich erst glauben, wenn das jemand nachweist).

Nach meinem Bauchgefühl müssten die Schrauben jedesmal „härter“ werden, also sich weniger dehnen. Wenn dann z.B. trotzdem beibehalten wird, dass um 180 Grad weitergedreht wird, so könnte das letztlich auch zum Abreissen führen.

In der Praxis kann es natürlich sein, dass kaum Probleme auftreten, weil der Zylinderkopf nur selten abgeschraubt wird (bei mir 1 Zylinderkopfdichtung gleich nach Lieferung und jetzt eine nach 200000 km), bei den meisten nie. Wenn also die Schrauben nach z.B. 4 x unbrauchbar würden, spielt das keine Rolle, weil es praktisch nicht vorkommt.

Gruss Reinhard

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Hallo !

Dehnschrauben dürfen nur einmal benutzt werden.

Nur - was ist mit den Radschrauben am PKW?

mfgConrad

Hallo Jochen,

in den Werkstatthandbüchern der Kfz-Hersteller wird oft
angegeben, nach dem Lösen der Zylinderkopfschrauben wären
diese zu ersetzen.
Grund ist, dass es sich um Dehnschrauben handelt.

Aus Werkstatterfahrung weiss ich, dass in der Praxis die
Schrauben bei Diesel-Motoren ersetzt werden, beim Ottomotor
oft hingegen nicht.
Wie ist hier eure Einschätzung? Ist das als „Pfusch“ zu
bezeichnen, oder seht ihr keine Gefahr des „Abreißens“ einer
solchen Schraube.

Googeln bringt u.a. http://www.reinz.de/pictures/praxisinfo_2_deu.pdf

Das Drehmoment beträgt (im Beispiel bei VW), im ersten Schritt
40Nm dann 60Nm, dann noch 180° Drehwinkel. liegt hier bereits
eine plastische Verformung vor, welche den Wechsel nötig macht
? Oder ist es eine reine Vorsichtsmaßnahme welche technisch
auf wenig Grundlage beruht ?

Eine Schraube ist durch Ihre Abmaße und den Werkstoff bestimmt. Nur die Bezeichnung „VW“ sagt zunächst nichts.

Ich habe schon viele Meinungen zu dem Thema gehört, allerdings
keine technisch fundierten.

Google : http://www.google.de/search?hl=de&q=anzugsverfahren&…
Such auch mal in diesem Archiv. Die Sache wurde im Forum bereits mehrfach behandelt.
Gruß
Karl

Hallo !

Dehnschrauben dürfen nur einmal benutzt werden.

Nicht unbedingt für ein/zweimal. Ist allerdings im Endeffekt sicherer.

Nur - was ist mit den Radschrauben am PKW?

Die werden nicht bis in den plastischen (Dehn)-Bereich angezogen
Gruß
Karl

mfgConrad

Hallo,

man könnte höchstens abstreiten, dass das Ganze Verfahren
unbedingt nötig ist,

Da haben sich hochbezahlte Leute Gedanken gemacht, dass das nötig ist.

aber wenn man einmal akzeptiert, dass das
von dir beschriebene Verfahren beim Festschrauben sinnvoll
ist, dann ist es auch das Auswechseln der Schrauben - die
können sich beim 2.Mal nicht genauso verhalten wie beim ersten
Einschrauben, da sie sich verändert haben: sie federn ja beim
Rausschrauben nicht elastisch zurück in den Lieferzustand (das
würde ich erst glauben, wenn das jemand nachweist).

Sie federn sehr wohl elastisch zurück. Wurden sie jedoch (gezielt) bis in den plastischen Bereich hinein angezogen, dann bleibt diese (plastische) Längung.

Nach meinem Bauchgefühl müssten die Schrauben jedesmal
„härter“ werden, also sich weniger dehnen. Wenn dann z.B.
trotzdem beibehalten wird, dass um 180 Grad weitergedreht
wird, so könnte das letztlich auch zum Abreissen führen.

Das Bauchgefühl sollte besser außen vor lassen. Es gibt auch keine Erklärung der Vorgänge her.

In der Praxis kann es natürlich sein, dass kaum Probleme
auftreten, weil der Zylinderkopf nur selten abgeschraubt wird
(bei mir 1 Zylinderkopfdichtung gleich nach Lieferung und
jetzt eine nach 200000 km), bei den meisten nie. Wenn also die
Schrauben nach z.B. 4 x unbrauchbar würden, spielt das keine
Rolle, weil es praktisch nicht vorkommt.

Im Prinzip: Zustimmung. Auf jeden Fall ist trotzdem angeraten, der Empfehlung des Herstellers zu folgen.
Gruß
Karl

Hallo Jochen,

also bisher kenne ich persönlich noch keine Dehnschrauben. Wenn Du dir mal das Spannungs- Dehnungsdiagramm anschaust, wäre es auserordentlich kritisch, eine Schraube in den plastischen Bereich zu fahren.

Beispiel: Eine Schraube hat eine Festigkeitsklasse A.B (z.B. 10.9). Diese hat dann eine Streckgrenze von Ax100 N/mm², hier 10x100 =1000N/mm² (ab dieser Grenze reisst die Schraube ab)
die Dehngrenze dieser Schraube liegt bei AxBx10 N/mm², hier 10x9x10=900N/mm² (ab dieser Grenze beginnt die plastische Verformung). Du siehst, die beiden Grenzen liegen bei Stahlschrauben sehr dicht zusammen, hier nur 10% !). Man könnte einen Sicherheitsfaktor nur viel kleiner als 10% planen, üblich sind aber eher 50-100%.
In der Kfz-Industrie wirst Du solche Schraubenauslegungen nicht finden.

Aber warum dann eine Schraube nur einmal anziehen ?
Das Problem kommt aus der Funktion einer Schraubverbindung.
Eine Schraube soll eine Längskraft ausüben (im Prinzip wie eine Feder). In manchen Anwendungen ist diese Kraft extrem kritisch und sehr genau einzuhalten (z.B. Zylinderkopf). Wenn Du nun diese Kraft sicherstellen könntest, könntest Du Schrauben auch mehrfach einschrauben.
Leider kannst Du diese Kraft in der Praxis nicht messen, da du nicht in die Schraubverbindung rein kommst.
Man behilft sich in der Technik mit dem Zusammenhang zwischen der Längskraft und dem Anzugsmoment.
Dies beinhaltet allerdings die Reibverhältnisse des Schraubenkopfes, des anliegenden Gewindeganges und der Elastizizät der Schraube.
Alle drei Werte, insbesondere aber die ersten beiden ändern sich aber drastisch nach dem 1. Anziehen (an der Schraubstation bei mir in der Firma kann man einen Unterschied der resultierenden Längskraft bei gleichem Anzugsmoment um ca. 30% nachmessen).

Deshalb darf man die Schrauben nicht nochmals verwenden, egal bei welchem Fahrzeug. Allerdings sind vermutlich die Schrauben beim Diesel aufgrund der höheren Drücke im System etwas kritischer bezüglich Abstand der erforderlichen Längskraft und der Grenze des elastischen Bereiches.
Aber wer das trotz Herstelleranweisung spart, pfuscht eindeutig. Solche Vorgaben werden üblicherweise nicht ganz umsonst in TKU`s geschrieben. Der Hersteller wird hier im Haftungsfall wohl sehr unangenehm werden.
Dies gilt übrigens für sehr viele Schraubverbindungen im Kfz, insbesondere für diverse Gehäuseschrauben von Komponenten wie Starter, Generatoren, Haltschrauben und und und.

P.S.: Der obige Zusammenhang ist übrigens auch der Grund, warum eine Schraubverbindung niemals geölt oder gefettet werden darf. Sonst wird die Längskraft viel zu hoch, die Schraube verformt sich plastisch und ist anschließend richtig schön locker.
Also Finger weg vom Kupferfett bei Radmuttern.

Ausnahme: Es gibt Schraubverbindungen, die geschmiert ausgelegt sind. Dies ist allerdings dann auch angegeben.

Auch die Oberlfächenbeschichtung geht ein (also nicht einfach eine verzinkte gegen eine verchromte Radmutter austauschen. Hier muss das Drehmoment ggf. angepasst werden !)

Allerdings muss man auch sagen, dass die meisten Schraubverbindungen mit einer Sicherheit von mindestens 1,5-2 ausgelegt werden, so dass es meist deutlich unkritischer wird, als hier beschrieben)

Gruß Frank

Hallo Jochen,

ich muss mich wohl korrigieren. Die scheinen die Kopfschrauben tatsächlich in den plastischen Bereich zu fahren. Weiss jemand hier den Abstand von Streck- und Dehngrenze ?

Gruß Frank

Hallo Jochen,

also bisher kenne ich persönlich noch keine Dehnschrauben.
Wenn Du dir mal das Spannungs- Dehnungsdiagramm anschaust,
wäre es auserordentlich kritisch, eine Schraube in den
plastischen Bereich zu fahren.

Letzteres ist „Stand der Technik“ , wenn man eine Schraubverbindung sicherer gegen Setzvorgänge auslegt, zB auch bei Zylinderköpfen. Es geht bei einem Schraubverbund idR ja nicht darum, Teile lediglich zusammenzuhalten, sondern eine Vorspannkraft sicher zu gewährleisten.

Alle drei Werte, insbesondere aber die ersten beiden ändern
sich aber drastisch nach dem 1. Anziehen (an der
Schraubstation bei mir in der Firma kann man einen Unterschied
der resultierenden Längskraft bei gleichem Anzugsmoment um ca.
30% nachmessen).

Wenn das passiert, dann habt ihr die Schraubverbindung nicht optimal ausgelegt.

P.S.: Der obige Zusammenhang ist übrigens auch der Grund,
warum eine Schraubverbindung niemals geölt oder gefettet
werden darf. Sonst wird die Längskraft viel zu hoch, die
Schraube verformt sich plastisch und ist anschließend richtig
schön locker.

Das ist definitiv falsch. Je geringer die Reibung im Gewinde ist, desto direkter ist der Zusammenhang zwischen Drehmoment und Vorspannkraft, desto kontrollierter kann man anziehen. Und wenn man dann in den plastischen Bereich hineingeht, ist der Verbund weniger anfällig gegen Setzvorgänge. Lies mal in der Fachliteratur nach.

Gruß Karl

Hallo Frank,

ich muss mich wohl korrigieren. Die scheinen die Kopfschrauben
tatsächlich in den plastischen Bereich zu fahren. Weiss jemand
hier den Abstand von Streck- und Dehngrenze ?

Nein, hängt ja auch vom Material ab.

Im Grossmaschinenbau wird das Ganze teilweise thermisch gemacht.
Dazu gibt es Heizhülsen, welche zwischen Schraube und Bohrung mit eingebaut werden. Danach wird die Schraube mittels der Hülse auf eine bestimmte Temperatur aufgeheizt und die Verschraubung mit einem festgelegten Drehmoment angezogen. Danach lässt man die Schraube wieder abkühlen, wodurch sie sich wieder verkürzt.

MfG Peter(TOO)

Hallo Peter,
um Reibungs- und Torsionseinflüsse bei hochfesten Schraubenverbindungen während des Anziehens zu eliminieren, wird auch dieses Verfahren angewandt :
Prinzip : Schraube wird mit Hydraulik definiert gelängt, dann Mutter
von Hand anlegen, Hydraulikvorrichtung entfernen!
http://www.astech-hydraulik.com/downloads/schraubens…
http://www.schaaf-gmbh.com/deutsch/produkt/index.htm

Oder für Drehmomentgesteuertes Anziehen :
http://www.hytorc.de/produkte/stealth_simultorc.html

Gruß Wolfgang

Hallo,

Nur - was ist mit den Radschrauben am PKW?

Die werden nicht bis in den plastischen (Dehn)-Bereich
angezogen

Vorher gibt die Felge schon nach, dann sind nicht nur die
Schrauben zu wechseln :wink:

Gruß Uwi

Hallo Jochen,

das Austauschen der Dehnschrauben nach dem 1. Mal Anziehen ist eine Sicherheitsmaßnahme, mit der sich die Hersteller auf die sichere Seite legen. Bei meiner Firma, die Großdieselmotoren herstellt werden Dehnschrauben durchaus mehrfach angezogen. Limitiert wird die Anzahl des Wiederanziehens durch die Längung der Schrauben, die sich ja dadurch ergibt, dass die Schraube über die Streckgrenze angezogen wird und sich dadurch plastisch verformt, d. h. längt. Meines Erachtens kannst Du eine Dehnschraube schon öfters als einmal Anziehen ohne, dass Du ein Problem zu befürchten hast. Bei uns werden die Schrauben durchaus 4-5 mal angezogen.

Gruß
Martin

[Bei dieser Antwort wurde das Vollzitat nachträglich automatisiert entfernt]

Hallo Martin,

das Austauschen der Dehnschrauben nach dem 1. Mal Anziehen ist
eine Sicherheitsmaßnahme, mit der sich die Hersteller auf die
sichere Seite legen. Bei meiner Firma, die Großdieselmotoren
herstellt werden Dehnschrauben durchaus mehrfach angezogen.
Limitiert wird die Anzahl des Wiederanziehens durch die
Längung der Schrauben, die sich ja dadurch ergibt, dass die
Schraube über die Streckgrenze angezogen wird und sich dadurch
plastisch verformt, d. h. längt. Meines Erachtens kannst Du
eine Dehnschraube schon öfters als einmal Anziehen ohne, dass
Du ein Problem zu befürchten hast. Bei uns werden die
Schrauben durchaus 4-5 mal angezogen.

Das kannst du aber leider nicht mit einem normalem Automotor vergleichen :frowning:(

In deinem Bereich ist die Geschichte einer Schraube dokumentiert. Aus dem Wartungsbuch geht hervor wie oft eine Dehnschraube schon verwendet wurde. Je nachdem ist in Handbuch auch vermerkt bis zu welcher Verformung die Schraube noch verwendet werden kann.

Bei einem Automotor bist du dir nicht einmal sicher, dass beim letzten mal ein Drehmoment-Schlüssel vorhanden war …

MfG Peter(TOO)