Hallo Jochen,
also bisher kenne ich persönlich noch keine Dehnschrauben. Wenn Du dir mal das Spannungs- Dehnungsdiagramm anschaust, wäre es auserordentlich kritisch, eine Schraube in den plastischen Bereich zu fahren.
Beispiel: Eine Schraube hat eine Festigkeitsklasse A.B (z.B. 10.9). Diese hat dann eine Streckgrenze von Ax100 N/mm², hier 10x100 =1000N/mm² (ab dieser Grenze reisst die Schraube ab)
die Dehngrenze dieser Schraube liegt bei AxBx10 N/mm², hier 10x9x10=900N/mm² (ab dieser Grenze beginnt die plastische Verformung). Du siehst, die beiden Grenzen liegen bei Stahlschrauben sehr dicht zusammen, hier nur 10% !). Man könnte einen Sicherheitsfaktor nur viel kleiner als 10% planen, üblich sind aber eher 50-100%.
In der Kfz-Industrie wirst Du solche Schraubenauslegungen nicht finden.
Aber warum dann eine Schraube nur einmal anziehen ?
Das Problem kommt aus der Funktion einer Schraubverbindung.
Eine Schraube soll eine Längskraft ausüben (im Prinzip wie eine Feder). In manchen Anwendungen ist diese Kraft extrem kritisch und sehr genau einzuhalten (z.B. Zylinderkopf). Wenn Du nun diese Kraft sicherstellen könntest, könntest Du Schrauben auch mehrfach einschrauben.
Leider kannst Du diese Kraft in der Praxis nicht messen, da du nicht in die Schraubverbindung rein kommst.
Man behilft sich in der Technik mit dem Zusammenhang zwischen der Längskraft und dem Anzugsmoment.
Dies beinhaltet allerdings die Reibverhältnisse des Schraubenkopfes, des anliegenden Gewindeganges und der Elastizizät der Schraube.
Alle drei Werte, insbesondere aber die ersten beiden ändern sich aber drastisch nach dem 1. Anziehen (an der Schraubstation bei mir in der Firma kann man einen Unterschied der resultierenden Längskraft bei gleichem Anzugsmoment um ca. 30% nachmessen).
Deshalb darf man die Schrauben nicht nochmals verwenden, egal bei welchem Fahrzeug. Allerdings sind vermutlich die Schrauben beim Diesel aufgrund der höheren Drücke im System etwas kritischer bezüglich Abstand der erforderlichen Längskraft und der Grenze des elastischen Bereiches.
Aber wer das trotz Herstelleranweisung spart, pfuscht eindeutig. Solche Vorgaben werden üblicherweise nicht ganz umsonst in TKU`s geschrieben. Der Hersteller wird hier im Haftungsfall wohl sehr unangenehm werden.
Dies gilt übrigens für sehr viele Schraubverbindungen im Kfz, insbesondere für diverse Gehäuseschrauben von Komponenten wie Starter, Generatoren, Haltschrauben und und und.
P.S.: Der obige Zusammenhang ist übrigens auch der Grund, warum eine Schraubverbindung niemals geölt oder gefettet werden darf. Sonst wird die Längskraft viel zu hoch, die Schraube verformt sich plastisch und ist anschließend richtig schön locker.
Also Finger weg vom Kupferfett bei Radmuttern.
Ausnahme: Es gibt Schraubverbindungen, die geschmiert ausgelegt sind. Dies ist allerdings dann auch angegeben.
Auch die Oberlfächenbeschichtung geht ein (also nicht einfach eine verzinkte gegen eine verchromte Radmutter austauschen. Hier muss das Drehmoment ggf. angepasst werden !)
Allerdings muss man auch sagen, dass die meisten Schraubverbindungen mit einer Sicherheit von mindestens 1,5-2 ausgelegt werden, so dass es meist deutlich unkritischer wird, als hier beschrieben)
Gruß Frank