3Sat Reihe

Junktor, damit wir uns nicht mißverstehen: Natürlich ist mir Wittgenstein viel sympathischer als Leute wie z.B. Popper. Klar kenne ich auch seine Biographie und kann mich in ihn besser einfühlen als in viele andere Philosophen. Sonst würden wir hier auchb garnicht so viel üer ihn reden bzw. schreiben. Vielleicht hat mich auch einmal sehr genervt, dass W. über Freud ein bißchen anmaßend geschrieben hat, er sei „nicht eigentlich groß in seinem Schreiben“. Das sollte man nur machen, wenn man selber „größer“ ist und nicht deutlich kleiner.
Gruss, Branden

Hallo Anja,
Deine Bemerkung zum Betrachter reizen zum Weiterdenken. Das hat zwar nichts mehr mit der ursprünglichen Frage der 3Sat-Reihe zu tun (die meisten Beiträge gingen ja bereitwillig sofort auf Details ein), ist aber (vielleicht) interessanter. Deinen Satz

Nie werde ich die Distanz erreichen,
um zum „neutralen“ Betrachter zu werden.

könnte in Deiner Formulierung so gelesen werden, als ob ein „neutraler Beobachter“ ein erstrebenswertes Ziel sei bzw. als ob es möglich sei, dass es einen solchen gäbe. Hast Du das so gemeint?
Aus Deinen anderen Ausführungen lässt sich auch anderer Sinn erlesen.
Neutralität, hier wahrscheinlich eher mit dem Sinngehalt „Objektivität“, gibt es für Kommunikationsteilnehmer, radikal gesehen, keine. Nach Definitionen doch. Dann müssten aber die (Geltungs)Kriterien genannt sein.
Ciao
Haimo

Nun doch ‚off topic‘
Grüß Dich, Heimo,

könnte in Deiner Formulierung so gelesen werden, als ob ein
„neutraler Beobachter“ ein erstrebenswertes Ziel sei bzw. als
ob es möglich sei, dass es einen solchen gäbe. Hast Du das so
gemeint?

Ja. Da es sich um *meine* Arbeit handelt, wäre das oft sehr hilfreich.

Aus Deinen anderen Ausführungen lässt sich auch anderer Sinn
erlesen.
Neutralität, hier wahrscheinlich eher mit dem Sinngehalt
„Objektivität“,

Diesen Ausdruck habe ich bewusst unterlassen, …

gibt es für Kommunikationsteilnehmer, radikal
gesehen, keine.

Eben aus diesem Grund. Dennoch liegt für mich als Kunst-schaffende ein großer Unterschied darin, ob ich sozusagen „unbefangen“ auf eine Arbeit von Künstlerkollegen zugehe, oder eben „objektive“ Kriterien für meine eigene Arbeit suche. Da spielen dann meine Zweifel, meine Selbstkritik, mein Beurteilen von Gelingen oder Nichtgelingen eine große Rolle(schließlich habe ich ja die Ursprungsidee noch „im Auge“, etwas, was der „neutrale“ Betrachter nicht wissen/sehen kann).

„Die Kunst ist ein Versuch der Befreiung,
welche man niemals erreicht.
Aus diesem Grund
ist die Kunst niemals vollendet.“
(Louise Bourgeois)

Nach Definitionen doch. Dann müssten aber die
(Geltungs)Kriterien genannt sein.

Die kann ich durchaus anwenden, wenn es um die Arbeit anderer Künstler geht. D.h. ich kann die Qualität einer Arbeit dank dieser allgemeingültigen (?) Kriterien anerkennen, auch wenn diese Arbeit nicht „meinem Geschmack“ entspricht. Das könnte ich gegenüber meinen eigenen Plastiken nie tun…

Aber Du hast Recht,
das gehört wirklich nicht mehr zum Ausgangposting.
Danke Dir für Dein Interesse!
Anja

Hallo Branden!

Vielleicht hat mich auch einmal sehr genervt, dass W. über
Freud ein bißchen anmaßend geschrieben hat, er sei „nicht
eigentlich groß in seinem Schreiben“. Das sollte man nur
machen, wenn man selber „größer“ ist und nicht deutlich
kleiner.

Nun könnte ich dich fragen, ob du dich größer fühlst als W.?

-)

Aber Spass beiseite, es macht dich mir sympathisch, wenn du sowas zugibst! Es sind ja oft solche vom Gefühl gefärbten, subjektiven Dinge, die es einen erschweren, objektiv zu urteilen. Das geht mir ähnlich mit Popper, Heidegger oder Sartre, der ja auch ein Gegenspieler von Freud war, den ich wiederum ebenfalls schätze.

Gruss
Junktor

Hallo Junktor

Nun könnte ich dich fragen, ob du dich größer fühlst als W.?

Nein, ich fühle mich nicht größer. Er erinnert mich nur manchmal an meine Aufzeichnungen, als ich ein „einsamer Teenager“ war. Aber dadurch ist er mir ja gerade auch nicht unsympathisch.

, Heidegger oder

Sartre, der ja auch ein Gegenspieler von Freud war, den ich
wiederum ebenfalls schätze.

Ich schätze beide sehr. Es gibt ja auch Therapeuten, die versuchen Heidegger und Freud zu verbinden, mir fällt das schöne Buch gerade nicht ein. Und Sartre sehe ich sogar noch näher dran an Freud - der hat ja selber viel von Freud gelernt und akzeptiert, sieht sich in gewisser Weise psychologisch sogar in der Nähe von Freud und Adler.
Gruss, Branden

Hallo Branden!

, Heidegger oder

Sartre, der ja auch ein Gegenspieler von Freud war, den ich
wiederum ebenfalls schätze.

Ich schätze beide sehr.

Ich schätze sie ja auch, nur habe ich so ein emotionales Problem mit beiden, wie du es mit Wittgenstein geschildert hast. Heidegger kann ich seine NSDAP-Mitgliedschaft nicht verzeihen und Sartre seine linksradikale Verbohrtheit. Merleau-Ponty hat das in „Les adventures de la dialequetique“ sehr treffend formuliert. Seine Literatur allerdings finde ich phantastisch.

Es gibt ja auch Therapeuten, die
versuchen Heidegger und Freud zu verbinden, mir fällt das
schöne Buch gerade nicht ein.

Würde mich interessieren. Jeder sensible Leser wird ja von Sein und Zeit existentiell getroffen. Wenngleich Heidegger auch immer von einer fundamentalontologischen Ebene heraus argumentierte, verarbeitete er in Wirklichkeit eigene Existenzerfahrungen und auch die Zeitgeschichte. Viele sehen darin den Grund für seine politische Fehleinschätzung. (Innerhalb der Zeitanalyse)

Und Sartre sehe ich sogar noch
näher dran an Freud - der hat ja selber viel von Freud gelernt
und akzeptiert, sieht sich in gewisser Weise psychologisch
sogar in der Nähe von Freud und Adler.

Sartre gilt aber gemeinhin als Gegenspieler von Freud. Dass er viel gelernt hat glaube ich unbesehen, wer könnte nichts von Freud lernen.
Meinst du die existentielle Psychoanalyse über Flaubert gründet darin?

Gruss
Junktor

Meinst du die existentielle Psychoanalyse über Flaubert
gründet darin

Ja, genau. Meine Libelingsbücher von Sarte sind übrigens „Die Wörter“ und „Der Ekel“. „Das Sein und das Nichts“ ist mir zu anstrengend.
Jetzt habe ich mal das besagte Buch aus der Praxis hochgeholt, es heißt: SIGMUND FREUD und MARTIN HEIDEGGER , der Autor ist GION CONDRAU , der Verlag VERLAG HANS HUBER.
Gruss, Branden

Hi Branden!

Ja, genau. Meine Libelingsbücher von Sarte sind übrigens „Die
Wörter“ und „Der Ekel“.

Die Wörter find ich auch stark, jeder Satz eine Überlegung wert.
Man könnte sich stundenlang darüber auslassen, erst kürzlich hab ich mit T. Miller darüber geredet.
Sartre wird vorgeworfen eine beinahe neurotische Ablehnung gegenüber den Eltern entwickelt zu haben und aus dieser Ablehnung heraus seine Selbstgestaltung abzuleiten. Mit anderen Worten, er will den Einfluß seiner Eltern nicht wahrhaben. Welche Rolle siehst du kausal in solchen unbewußten(?) Strukturen auf das philosophische Denken?
Können solche Strukturen einem intelektuellen Denker wie Sartre wirklich verborgen bleiben?

„Das Sein und das Nichts“ ist mir zu
anstrengend.

Es ist auch nicht der Mühe wert, philosophisch gesehen eher unwichtig.
Sartre wird durch seine Literatur, nicht seine Philosophie in die Geschichte eingehen. Das ist aber natürlich meine subjektive Meinung.

Jetzt habe ich mal das besagte Buch aus der Praxis hochgeholt,
es heißt: SIGMUND FREUD und MARTIN HEIDEGGER , der Autor ist
GION CONDRAU , der Verlag VERLAG HANS HUBER.

Vielen Dank, werd ich mir besorgen!

Gruss
Junktor

[Bei dieser Antwort wurde das Vollzitat nachträglich automatisiert entfernt]

Welche Rolle siehst du kausal in solchen

unbewußten(?) Strukturen auf das philosophische Denken?

Lieber Junktor, natürlich eine bedeutende Rolle, einen starken Einfluß. Aber Du wirst von einem Im-weitesten-Sinne-Freudianer nichts anderes erwartet haben. Kaum etwas hat so einen Einfluß , auch gerade auf unser Weltbild, unser Wertesystem, unsere Weltanschauung wie die Erfahrungen in der Kindheit.

Können solche Strukturen einem intelektuellen Denker wie
Sartre wirklich verborgen bleiben?

Nein, er geht ja auch in den „Wörtern“ großenteils ahnend bis wissend bis spielerisch mit diesen Erfahrungen (und auch Kränkungen, Mängeln und Verwöhnungen) um, denke ich.

Es grüßt Dich Branden

Hi Branden!

Lieber Junktor, natürlich eine bedeutende Rolle, einen starken
Einfluß. Aber Du wirst von einem Im-weitesten-Sinne-Freudianer
nichts anderes erwartet haben. Kaum etwas hat so einen Einfluß
, auch gerade auf unser Weltbild, unser Wertesystem, unsere
Weltanschauung wie die Erfahrungen in der Kindheit.

Nein, ich habe nichts anderes erwartet. Sartre behauptete ja immer sich selbst erschaffen zu haben, in seiner Selbstanalyse, wie hier in „Die Worte“ geht er dabei mit der Technik der dialektischen Anthropologie vor, durch die er die psychologische Sichtweise zu ersetzen suchte. Einer der Gründe, warum er als Gegenspieler Freuds gilt.

Können solche Strukturen einem intelektuellen Denker wie
Sartre wirklich verborgen bleiben?

Nein, er geht ja auch in den „Wörtern“ großenteils ahnend bis
wissend bis spielerisch mit diesen Erfahrungen (und auch
Kränkungen, Mängeln und Verwöhnungen) um, denke ich.

Das vermute ich auch! Die Frage, welche mich daraus beschäftigte, war die, ob er sich nicht durchschaut und quasi selbst widerlegt hat, ohne dies offenzulegen? In einer Kurzbeschreibung heißt es so treffend:

„Sartre erzählt hier mit der Ironie eines Mannes, der alle Lügen seines Zeitalters und alle Illusionen, auch die eigenen, durchschaut hat, die Geschichte seiner Jugend.“

Meine Gedanken wechseln zu Heidegger…
(Bin gespannt auf dein Buch, habe es noch nicht auftreiben können.)

Tja!
Nachdenkende Grüße
Junktor

P.S.:
Nun habe ich einen Freudschen Versprecher korrigieren müssen, statt Anthropologie schrieb ich Anthroposophie! *ggg*
So weit will ich es dann doch nicht mit Sartre treiben!

Nun habe ich einen Freudschen Versprecher korrigieren müssen,
statt Anthropologie schrieb ich Anthroposophie! *ggg*
So weit will ich es dann doch nicht mit Sartre treiben!

Das gefällt mir irgendwie. Ich glaub, wir haben beide das Gefühl, dass der gute Sartre (und darin ähnelt er den Alt-68ern) versucht, über den Intellekt seine ganze Existenz zu lösen, zu begreifen. Er lässt quasi den Bauch nicht mitreden.
Da hat sich der späte Heidegger ja geändert. Der wollte dann nicht mehr den Himmel aktiv stürmen, sondern hat auch Himmel und Erde lauschen können, wie es scheint.

Gruss, Branden

Heidegger
Hallo (wenn ich kurz darf),

Da hat sich der späte Heidegger ja geändert. Der wollte dann
nicht mehr den Himmel aktiv stürmen, sondern hat auch Himmel
und Erde lauschen können, wie es scheint.

das scheint mir zwar korrekt, was den späten H. angeht, nicht aber, was den frühen H. betrifft, denn auch der hatte schon eine immanente Denk-Kritik, nur eben nicht als Kritik am Denken explizit formuliert. Indem er nämlich Denken und Handeln als ein einziges Phänomen begreifen wollte, stellte er sich schon in „Sein und Zeit“ gegen den Rationalismus ( ISBN: 3495473653 Buch anschauen ).

Herzliche Grüße

Thomas Miller

Ja, lieber Thomas Miller, da bin ich sofort dabei. Mir war schon klar, dass ich den ersten Teil des Satzes etwas zu locker, zu ungenau formuliert habe.

Gruss, Branden

Hi Branden!

Das gefällt mir irgendwie. Ich glaub, wir haben beide das
Gefühl, dass der gute Sartre (und darin ähnelt er den
Alt-68ern) versucht, über den Intellekt seine ganze Existenz
zu lösen, zu begreifen. Er lässt quasi den Bauch nicht
mitreden.

Tja und da nehme ich mich nicht aus! Sartre stand mir einmal sehr nahe. In seinem Denken fand ich den Seelenverwandten, drum ärgert er mich ja so! *gg*
Wer mit 20 kein Revolutionär ist, hat kein Herz und wer mit 40 nicht konservativ ist, hat keinen Verstand! :smile:

Da hat sich der späte Heidegger ja geändert. Der wollte dann
nicht mehr den Himmel aktiv stürmen, sondern hat auch Himmel
und Erde lauschen können, wie es scheint.

Und da hat sich auch der späte oder mittlere Junktor geändert.
Der Schule das Lebens konnte ich mich nicht entziehen!

Gruss
Junktor