Abwicklung der NVA wie?

Hallo,

in den letzten Tagen habe ich im TV mehrfach in historischen Rückblicken eine Szene gesehen, die schon 1990 im Rahmen des formalen Anschlusses der DDR an die damalige BRD gezeigt wurde:

In einer Kaserne der DDR hält jemand vor der in Reih und Glied angetretenen Mannschaft eine Rede, dann wir die Fahne der DDR eingeholt, feierlich eingerollt, und dann weggetragen.

War das eine einmalige und spezielle „Vorführung“ für das deutsche und vielleicht auch internationale Fernsehen, oder fand in jeder Kaserne der DDR die Aufgabe oder Übergabe, wie immer man das auch nennen will, in solch feierlicher Form statt?

Fragt sich und Euch
Carsten

Hallöchen,

bei uns, Divisionsstab 1.MSD, gab es sowas meines Wissens nicht. Ich bin am 2. Oktober in meiner NVA Uniform nach Hause gegangen und am 3. in der BW Uniform, die etwa eine Woche zuvor ausgegeben worden war, zum Dienst erschienen. Von den Tagesdiensten weiss ich, dass diese sich um Mitternacht umgezogen haben. Ich bilde mir auch ein, dass schon deutlich vorher das DDR Emblem von der Fahne entfernt wurde, so das diese ohnehin schon schwarz-rot-gold war. Die DDR Kokarde wurden auch schon Anfang/Mitte 90 zugunsten einer srg-Kokarde von den Kopfbedeckungen entfernt.

Gruss Goetz

Kurioserweise wurden wir auch dreimal vereidigt, am Anfang natürlich auf die „Arbeiter- und Bauernmacht“, in der Übergangszeit auf die Verfassung der DDR und dann, nach Übernahme in die BW, auf das Grundgesetz,

1 Like

Hallo Goetz,

ganz herzlichen Dank für Deine Antwort. Sie hat mich deshalb so besonders gefreut, weil sie von jemandem kommt, der so direkt selbst betoffen war.

Kannst Du erklären (und bist dazu auch bereit) wie Du Dich dabei gefühlt hast? Ich kann mir schwer vorstellen, wie man sich fühlt, wenn man plötzlich die Uniform tragen muss, von der man in Schulungsfilmen gelernt hat, dass die Uniformträger Gegner, Klassenfeinde sind?

Viele Grüße
Carsten

Hallöchen,

mir persönlich ist das nicht schwergefallen, alles war neu und auch irgendwie aufregend. Der Dienst in der NVA war für Mannschaften und Unteroffiziere relativ hart, man bekam ständig Druck von oben und hatte so gut wie keinerlei Rechte. Insofern schauten wir auch ein wenig erwartungsfroh in die Zukunft, auf Verbesserung hoffend. Für uns Unteroffiziere bot der Bund interessantere Laufbahnen, auch hatte der Unteroffizier in der BW andere völlig andere Wertigkeit, als in der NVA. Dort wurde man als Uffz wie ein Mannschaftsdienstgrad behandelt, der Unterschied war nur, dass man länger diente und mehr Geld bekam.
Bei den Offizieren sah das anders aus. Diese waren deutlich intensiver politisch geschult worden als wir. Viele verzichteten von vorn herein darauf, sich um eine Übernahme zu bewerben, da das nicht die Armee war, bei der sie sich verpflichtet hatten. Ich fand das konsequent. Die, die übernommen wurden, wurde teils zwei Dienstgrade runtergestuft. Da hat man seitens der BW völlig überflüssig für enormen Unmut gesorgt. Unser Schirrmeister war Hauptmann und lief dann als Leutnant rum. Ich hielt das für nicht gerechtfertigt, da er schliesslich ein technischer Spezialist war.
Mein damaliger Kompaniechef war auch verbittert und quittierte nicht mal acht Wochen später seinen Dienst. Man sah ihm an, das er sich in der neuen Uniform sehr unwohl fühlte, er verspottete die Barette als Pizzabäckermützen und die Schnürstiefel als Behindertenschuhe.
Viele der Vorgesetzten kamen auch mit dem Selbstverständnis der BW nicht zurecht, das in krassem Gegensatz zur doch recht straff geführten NVA stand.
Ich hoffe, ich konnte Dir ein wenig Einblick geben. Das ist nun auch schon fast dreissig Jahre her, aber meine Armeezeit im Allgemeinen und dieser historische Umbruch im Besonderen haben mich definitiv nachhaltig geprägt.

Gruss Goetz

Auch hallo,

vielen Dank für die ausführliche und interessante Darstellung. Bei den Problemen, die die Offiziere mit der BW hatten, sehe ich Parallelen zu meinem Beruf:

Ich bin Hörgeschädigtenlehrer und habe damals eine Partnerschaft mit einer entsprechenden Schule in der DDR organisiert. Die Ostkollegen waren zwar beeeindruckt von den technischen Möglichkeiten, die wir hatten, aber befremdet über den lockeren Umgang zwischen Lehrern und Schülern.

Grüüße
Carsten