Hallo Harald,
Nur hier möchte ich widersprechen:
Da kam es den „römischen“ Christen sehr gelegen, dass man das
Evangelium so lesen konnte, als wären die Juden Schuld am Tod
Jesu.
Man kann die Evangelien nicht so lesen, es steht da auch so.
"Darum liebt mich mein Vater, weil ich mein Leben lasse,
dass ich’s wieder nehme. Niemand nimmt es von mir, sondern ich
selber lasse es. Ich habe Macht, es zu lassen, und habe Macht,
es wieder zu nehmen. Dies Gebot habe ich empfangen von meinem
Vater. " (Joh.10,17-18)
Wie kann man das Evangelium so lesen, als hätte irgendjemand
Schuld am Tod Jesu?
Er sagt doch deutlich: „Niemand nimmt es von mir.“
Ich habe mich wohl etwas zu „platt“ ausgedrückt. Natürlich muss man die Evangelien nicht so lesen und mE wird da auch etwas in das Evangelium (besonders eben auch das JohEv) hineingelesen, worum es gar nicht ging - ich hatte ja schon erwähnt, dass ich hinter den entsprechenden Stellen eher das altl „Verstockungsmotiv“ sehe, bei dem es mehr um eine Erklärung geht, warum die, die Jesus erreichen wollte, nicht an ihn glaubten.
Sina hat übrigens wohl recht mit ihrer Anfrage, ob eine „Schuldzuweisung“ bzgl. des Todes Jesu nicht absurd sei. Theologiegeschichtlich ist das dann als „Judasfrage“ formuliert worden (woran man auch wieder erkennen kann, dass das Schlagwort von den Juden als Gottesmördern recht spät ist=.
Auf Deine Fragen in umgekehrter Reihenfolge:
Was ist Deiner Meinung nach die Ursache dafür, dass man jene
Stadt „vergessen“ hat, in der die Wiederkunft Jesu zu erwarten
ist?
Man hat Jerusalem eigentlich nie vergessen.´
Im NT wird selten von Jerusalem im rein georgraphischen Sinn gesprochen, sondern hat zumindest noch zusätzlich eine hoch symbolische Bedeutung.
Wirkungsgeschichtlich wurden vor allem der Hebräerbrief und die Offenbarung bedeutsam: Hier (Hebr 12; Offb 21) geht es um das neue / himmlische Jeruslaem, das nicht Teil dieser WElt ist, sondern eine heilige Stadt kommt aus dem Himmel. Diese Versxätndnis eines neuen, himmlischen, oberen Jerusalem ist auch bei Paulus angelegt (Gal 4, wenn ich mich nicht irre).
Zudem darf man bei dem Prozess des „Vergessens“ nicht vergessen, dass Jerusalem nach der Niederschlagung des Bar-Kochba-Aufstand 135 von Hadrian konsequewnt zur römisch-heidnischen Stadt Aelia Capitolina umgewandelt wurde. Juden war der Zutritt zur Stadt verboten - es ist umstritten, inwieweit auch Christen von diesem Verbot betroffen waren (das hängt von der Frage ab, inwieweit im zweiten Jahrhundert überall von den Römern zwischen Juden und Christen unterschieden wurde). Aber auf jeden Fall war Jersualem nicht mehr die Stadt, die sie war, weder architektonisch noch kulturell war sie noch das im NT beschriebene Jerusalem.
Mit den christlichen kaisern und einer regen Kirchenbautätigkeit (Konstantin) setzt dann eine rege Wallfahrt ein, aus christlicher Sicht wird Jerusalem dann wieder durchaus zu einer Stadt voller heiliger Gedächtnisorte.
Klingt ja recht plausibel. Klärt aber nicht die Frage, wie Rom
zur „Heiligen Stadt“ werden konnte, wo dieser Titel nur
Jerusalem zustand.
Die Bedeutung Roms als einer besonderen Stadt hängt eng mit der antiken „Romidee“ zusammen - wobei es hier nicht im engeren Sinne um die Stadt geht, sondern um Rom als Verkörperung der Ideale des Römischen REichs. Der Beschreibung Roms als „ewige Stadt“ kommt übrigens auch aus dieser Zeit.
Schon Polybios hat im 2. Jh. v. Chr. vor allem in der Religiösität Roms einen Grund für die Bedeutung und Weltherrschaft Roms gesehen. Bei Cicero (1. Jh. v.) trffen in Rom göttliche Gunst und menschliches Gerechtigkeitsdenkenj optimal aufeinander.
Augustus (der aus dem lkEv) hat die Romidee noch weiter ausgebaut, Horaz und Vergil haben das entsprechend literarisch gefestigt.
Einen weiteren Höhepunkt erlebte die Romidee zur Zeit der Gründung Konstantinopels (4. Jh, Konstantin I.), denn gerade zu dieser Zeit engagierte sich die (heidn.) römische Stadtaristokratie für die Verfestigung und literarische Sicherung der Romidee.
Als christliche Stadt hatte Rom von Anfang an hohe Bedeutung als Stadt, in der Petrus und Paulus Märtyrer wurden. Sie hatte dadurch eine hohe Anziehungskraft für alle Christen, die sich eine Reise dorthin leisten konnten. Außerdem war Rom das politische Zentrum des Römischen Reichs, also eh attraktiv.
Auch die Römische Gemeinde selbst empfand sich nicht nur deswegen als bedeutend, weil man nun mal die Hauptstadtgemeinde war, sondern zunehmend auch, weil man sich der Apostel Petrus und Paulus rühmte.
Um 250 beruft sich erstmals ein römischer Bischof (Stephan) im Streit mit Cyprian von Karthago auf die berühmten Felsenworte Christi, um durch die daraus abgeleitete Autorität einen Streit für sich zu entscheiden - allerdings noch ohne Erfolg.
Mit der sogenannten Konstantinischen Wende wurde Rom ebenfalls durch einen regen Kirchenbau bedeutender, zudem hat auch Konstantin dem röm. Bischof eine gewisse Vorrangstellung zuerkannt, als er die Lösung des nordafrikanischen, donatistischen Streits dem römischen Bischof übertrug.
Das Primat Roms, das schließlich im Papstamt mündete, wie wir es kennen, wurde auch rechtlich als sedes apostolica im vierten Jahrhundert von den römischen Bischöfen Damasus und Siricius begründet.
Die Östlichen Kirchen haben dagegen lange Zeit Rom nur als Patriarchat anerkannt (und das ja dann 1054 unmissverständlich deutlich gemacht:wink:, Nordafrika, im dritten Jahrhundert noch kritisch dem Primatsanspruch gegenüber, war im vierten Jahrhundet (was auch viel mit Augustin und seinen eigenen, engen Bindungen an das heutige Italien zu tun hat) aufgrund der großen, kirchlichen Konflikte sehr froh über die rechtliche Funktion Roms als sedes apostolica.
Jerusalem aber war schon lange eine jenseitige Hoffnung, nicht der Ort, gegen den Rom sich durchsetzen musste.
Viele Grüße,
Taju