Afghanistan: Spiegel deckt problematische Visaerteilung auf

Hallo,

Hier der Volltext:

http://archive.today/8m3RT

Lücken in den Sicherheitsüberprüfungen frustrierten Fachleute. Zwar wurden die angegebenen Personalien der Programmteilnehmer während des Visumverfahrens mit Datenbanken von Polizei- und Migrationsbehörden abgeglichen. Ein Sicherheitsgespräch mit Experten der Behörden war jedoch jahrelang nicht Voraussetzung, obwohl die Identität von Antragstellern laut internen Papieren nicht immer geklärt werden konnte.

Wer wäre da ernsthaft überrascht?

In den Sicherheitsbehörden machten abenteuerliche Geschichten die Runde: ein siebenjähriges Mädchen, das laut eingereichten Unterlagen drei Kinder hatte. Identische Fotos von Leichen oder Gefolterten, die als Belege für Verfolgung verschiedener Personen dienen sollten. Vermeintliche Homosexuelle, die bei Fragen zu ihrer schwulen Neigung dem Botschaftspersonal an die Gurgel wollten. Mutmaßliche Pakistaner, die mit neuen afghanischen Ausweisen als Gefährdete auftraten. Beispiele erkannter Betrugsversuche, sagen Fahnder. Hinzu komme ein großes Dunkelfeld.

Dem Bericht zufolge hatte die deutsche Botschaft in Islamabad kurz zuvor mal wieder intern Alarm geschlagen: Bei einem Großteil der angeblich von den Taliban verfolgten Justizangehörigen handele es sich um sogenannte Scharia-Richter – Absolventen von Koranschulen, geschult im religiösen Rechts- und Wertesystem des Islam.

Neben Scharia-Richtern fielen nach SPIEGEL-Recherchen aufgelistete Afghanen mit Draht zu den Taliban auf. Darunter Ahmad Wali H., laut Sicherheitsbehörden Kontaktmann des Qaida-nahen Haqqani-Netzwerks, sowie Mohammed Hashem S., Leiter des afghanischen Kunstarchivs. Noch im Jahr 2022 soll S. nach Ermittlererkenntnissen im Auftrag der Taliban nach Katar gereist sein. Nach Deutschland einreisen konnten die Männer nach Intervention durch die Bundespolizei offenbar nicht.

Gruß
Rakete

Ich sehe keine Frage und ja, die Bundespolizei macht in Islamabad keinen besonders guten Job.

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Sehe ich zwar auch so, aber die Ursache der Probleme liegt im Jahr 2021 bzw. z.T. sogar davor. Auf den „völlig überraschenden“ Vorstoß der Taliban auf Kabul war man offensichtlich ganz und gar nicht vorbereitet (bspw. durch Listen oder Ausgabe von irgendwelchen Papieren, die eine Legitimation möglich gemacht hätten) und warum man die Ortskräfte nicht innerhalb der ersten Wochen ausgeflogen hat, bleibt weiterhin ebenfalls völlig unklar.

Wäre man vorbereitet gewesen und hätte man schnell und zielsicher gehandelt (wie das ja andere Staaten auch hinbekommen haben), wäre das Kapitel schon seit langem abgeschlossen, was wiederum zwei klar Vorteile hätte: wir hätten das Problem mit ggfs. unberechtigten Personen nicht und Ortskräfte hätten ihren Einsatz für deutsche Behörden und die Bundeswehr vor Ort nicht mit Angst, Flucht oder ihrem Leben bezahlen müssen.

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Das ist für mich alles andere als unklar. Diejenigen, die jetzt über die schlechte Umsetzung herummaulen sind die gleichen, die damals aufgeschrien hätten, wenn man die Leute einfach gleich ausgeflogen hätte.

Ist ja nichts einfacher als etwas von Anfang an zu sabotieren und sich dann bestärkt fühlen, wenn die Sabotage erfolgreich war.

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Die war schon da.

Das Problem liegt bzw. lag eher „weiter oben“:

Seit Jahren berichten Insider von Sicherheitslücken bei Aufnahmeprogrammen für gefährdete Afghanen. Interne Akten untermauern Vorwürfe gegen das Auswärtige Amt unter Ministerin Baerbock.

Lustig, dass Du den Einwurf bringst, nachdem ich zuvor dies hier schrieb:

Möglicherweise ist deine Antwort ein Problem für @raketenbasis, weil sie sich nicht mit dem ersten Glaubenssatz aller Ziemlich-weit-Rechter („Baerbock ist immer allein an allem schuld“) vereinen lässt?

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Wir sind noch höchstens eine Woche davon entfernt, dass er das Einfliegen von Afrikaanern fordert.

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Möglicherweise habe ich die beiden fraglichen Absätze mit einer gewissen Absicht frühzeitig in die Diskussion eingebracht. :slightly_smiling_face:

Die Ministerin trägt natürlich die Gesamtverantwortung.

Du meinst wahrscheinlich den in der relevanten Zeit diensthabenden Außenminister - also Heiko Maas.

Können wir bitte endlich mal damit aufhören, so zu tun, als sei die Berliner Zeitung noch so eine Art seriöses Medium? Wenn an irgendetwas, das in diesem Blatt drinsteht, etwas dran ist, gibt es auch andere Quellen.

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Zur Verdeutlichung zitiere ich aus dem ersten Satz:
Bei der Aufnahme von Flüchtlingen aus Afghanistan nach Deutschland hat es offenbar gravierende Fehler bei der Sicherheitsüberprüfung gegeben. Unter der Billigung der damaligen Außenministerin Annalena Baerbock (Grünen). 36.000 Menschen seien nach der Machtübernahme der Taliban im August 2021 über Pakistan in die Bundesrepublik gereist.

Frau Baerbock trat ihr Amt am 8. Dezember 2021 an. Im August 2021 war sie also ganz offensichtlich nicht Außenministerin.

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Auch wenn ich Deine Einschätzung der Berliner Zeitung teile, hier liegt ein Missverständnis (eine missverständliche Formulierung) vor.

Unter der Billigung der damaligen Außenministerin Annalena Baerbock (Grünen). 36.000 Menschen seien nach der Machtübernahme der Taliban im August 2021 über Pakistan in die Bundesrepublik gereist.
ist zu lesen als
*Seit die Taliban im August 2021 die Macht übernahmen, sind bis heute 36.000 Personen über Pakistan in die Bundesrepublik gereist."

Ja, da muss ich Dir wohl recht geben.

Dann bleibe ich bei meiner vorherigen Aussage:

Hätte man unter Herrn Maas im Vorfeld auch nur irgendetwas gescheit organisiert, hätten weder wir noch die in Afghanistan verbliebenen Ortskräfte Probleme mit den Taliban oder deren Kumpeln (gehabt).

Nein

Sicherheitslücken bei der Aufnahme von Afghanen: Diese Schuld trägt Baerbock
Mit der Machtübernahme der Taliban kamen 36.000 Menschen aus Afghanistan nach Deutschland. Offenbar wurde bei der Einreise gemogelt und betrogen.

Im Zentrum der Kritik steht das Außenministerium unter der damaligen Ministerin Annalena Baerbock (Grünen). Laut dem Zeitungsbericht drängte ihr Haus bei den Aufnahmeprogrammen lange Zeit auf laxe Prüfungen, um so viele bedrohte Afghanen wie möglich auszufliegen. Man habe sich dabei an den Angaben der NGOs orientiert.

Berliner Fahnder sprechen heute von „staatlich legalisierten Schleusungen“ und der jahrelang „hanebüchenen Rolle“ des Außenministeriums. Das Aufnahmeprogramm für Menschen aus Afghanistan wurde inzwischen gestoppt.

Vermutlich wieder Lügenpresse

Und warum nicht? Wäre Maas seiner Pflicht nachgekommen, die damals ja noch bekannten Ortskräfte auszufliegen, hätten wir heute das Problem nicht. Nach dem „Regierungswechsel“ und der Aufgabe aller Büros usw. in Afghanistan bzw. in Kabul ist es offensichtlich ungleich schwieriger, noch nachvollziehen zu können, wer wirklich Ortskraft war und wer nicht.

Um einen Vergleich zu bemühen: es gibt eine Tiefgarage, zu der nur Mieter der Stellplätze Zugang haben. Es gibt Beschwerden über auf Stellplätzen gelagertem Unrat. Diesen wird von der Hausverwaltung aber nicht nachgegangen. Dann brennt die Tiefgarage ab, die Aufzeichnungen über die Mietverträge und übrigen Aufzeichnungen sind aufgrund eines Datenverlustes untergegangen. Anschließend wird eine neue Hausverwaltung gewählt und nun beschweren sich einzelne Mieter über die früheren Zustände und beschuldigen die aktuelle Hausverwaltung, diesen Vorwürfen nicht eifrig genug nachzugehen und die Verursacher aufzufinden.

Nein. Man beschuldigt sie, die Notsituation der Eigentümer auszunutzen und bei der Sanierung Aufträge zu überhöhten Preisen an enge Verwandte zu vergeben. Sorry, solche Vergleiche sind Quatsch und lenken vom eigentlichen Thema ab. Der Nachfolgerin von Maas wird nicht vorgeworfen, dass es zu der Situation gekommen ist, auch nicht, dass sie die Vorgänge nicht ausreichend aufklärt, sondern dass sie deren Beseitigung für eigene Interessen nutzt.

Welche Interessen waren das nochmal?

Einen eher großherzigen Kurs bei der Aufnahme von Afghanen zu fahren. Auch Personen aufzunehmen, die bei einer geordneten Evakuierung im Sommer 21 gar nicht dabei gewesen wären.

Das ist ja nicht verwerflich. Man sollte halt dazu stehen und es nicht mit schrägen Vergleichen mit Tiefgaragen vernebeln.

Du hast einer Bundesministerin vorgeworfen, dass sie eine Notsituation für ‚eigene Interessen‘ ausgenutzt hat. Das klingt nach Amtsmissbrauch und da würde ich schon gerne wissen, was genau du damit meinst.
Dass bei der Evakuierung von über 36.000 Menschen aus einem Kriegsgebiet Fehler passiert sind, sollte eigentlich jedem, der ohne Zuhilfenahme seiner Finger bis drei zählen kann, klar sein. Und ja, Maas hat die ganze Sache überhaupt erst soweit kommen lassen:

Das internationale Militär wollte mit eiligen Evakuierungsflügen noch diejenigen retten, die von den Taliban nun besonders bedroht waren. Vor allem die Ortskräfte, denn die hatten jahrelang mit Nato und Bundesregierung für ein terrorfreies Afghanistan gearbeitet. Sie schwebten jetzt in Todesgefahr, die Taliban schworen Rache.

Das Bittere: Tausende Hilfskräfte blieben zurück. Niemand hatte sie rechtzeitig gewarnt oder gar evakuiert. Die Deutschen hatten sie einfach stehen lassen als die Bundeswehr am 30. Juni zum letzten Mal abhob. Wie sehr ihre Ausreise danach aus innenpolitischen und wahlkampftaktischen Gründen in der damaligen Bundesregierung blockiert wurde, enthüllte im Januar eine ZEIT-Recherche: Sie zeigte erstmals das wahre Ausmaß des Staatsversagens.
[…]
Es wären noch Wochen geblieben, um zumindest die meistgefährdeten Ortskräfte auszufliegen. Die Bundeswehr hatte vorerst ja noch ein gesichertes Flugfeld.

Doch nichts geschah. Minister Maas sagte zwei Tage später, am 9. Juni, im Bundestag wieder einen erstaunlichen Satz, diesmal gegenüber Abgeordneten, die kritisch nachhakten. „All diese Fragen haben ja zur Grundlage, dass in wenigen Wochen die Taliban in Afghanistan das Zepter in der Hand haben. Das ist nicht die Grundlage meiner Annahmen.“ Maas gab sich selbstsicher, dabei hatte sein eigener Staatssekretär, Miguel Berger, im E-Mailaustausch mit dem politischen Direktor des Hauses – und heutigem außenpolitischen Berater von Kanzler Scholz – Jens Plötner bloß Tage zuvor intern zugegeben: Auf ein Extremszenario wie den Fall Kabuls sei man „sicherlich nicht“ vorbereitet.
[…]
Es folgte weiter keine Evakuierung, zu sehr scheuten Maas‘ Leute Bilder, die nach Flucht ausgesehen hätten. Man bewahrte auch deshalb den Anschein von Normalität, weil man schlechte PR fürchtete.
[…]
Während er im August 2021 dann öffentlich beteuerte, nur die Rettung von Menschen zähle, arbeiteten seine Stellvertreter intern längst daran, auf andere Ministerien zu zeigen. Staatssekretär Miguel Berger wollte die Scheinwerfer auf das Innenministerium richten, das für afghanische Visa zuständig war. „Können wir das Thema (…) nicht bei ein paar Journalisten anbringen?“, fragte Berger. „Auch, um Druck vom Bundesminister wegzuziehen.“ Ein Beamter mailte vom Handy aus zurück: „Ich spreche heute Nachmittag auch mit dem SPIEGEL.“
[…]
Die neuen Akten zeigen einmal mehr, dass der Fall Kabuls kein schicksalhafter Tag war, der wie eine Naturkatastrophe hereinbrach. Er war vermeidbar. Kein in Berlin beteiligtes Ministerium blieb danach ohne Schuld, auch nicht der damals ebenfalls blinde BND, doch die Rolle des Auswärtigen Amts in der Kabul-Affäre ist eine besonders kritische, das zeigen die neuen Recherchen.

Hier hast du einen Bundesminister, der Berichte ignorierte, tatenlos einer sich anbahnenden Katastrophe zuschaute und dann aus PR-Gründen mit Hilfe der Presse die Schuld auf andere schieben wollte. Das nenne ich ‚eigene Interessen‘.

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