Altruismus

Hi,

ich fühl mich hier grad unmittelbar angesprochen. Ich darf doch oder …?

dürfen darfst Du alles, aber Absicht war’s gewiss nicht :smile:

Bei Deiner Analyse scheint Dir Dein eigener Zynismus etwas dazwischengefunkt zu haben,

Das ist durchaus möglich, aber das hab ich ja auch schon eingeräumt.

Altruismus definiert sich in seiner einfachsten Form dadurch,
dass nicht die eigenen Ziele verfolgt werden, sondern die
eines Anderen.

Reicht das schon aus? Muss es nicht heißen

Altruismus ist Handeln ohne einen eigenen Vorteil davon zu haben

?

Wenn dann noch Egoismus ein Handeln zum eigenen Vorteil ist, dann schließen beide einander aus. Bei Deiner Definition könnten hingegen Altruismus und Egosimus gleichzeitig präsent sein.

Wendet man dies nun auf Rainers Beispiel an, folgt, dass erst
ein Problem (hier ein Hilfeanspruch) besteht, welches die
Tochter durch ein Zurückstellen des eigenen Nutzens zugunsten
dessen ihrer Mutter löst.

Das ist eben die Frage! Was ist „Gewinn“, was ist „Nutzen“ im hier gemeinten Sinn? Ist damit nur _unmittelbarer_ Erfolg gemeint?

Erst wenn die Hilfestellung bereits begonnen hat oder erfolgt
ist, kann eine Steigerung des Selbstwertgefühls stattfinden.
Und auch dies nur über eine rationelle Eigenalyse der
Handlungen der Tochter.
Verlängert sich die Zeitspanne kann es einen Wechsel in den
Egoismus geben. Hier würde dann folgen, was Du beschreibst.

Dazu braucht es gar keine Zeit. Schon vor Beginn des Handelns geht das los, schon damit, dass die Entscheidung anderen mitgeteilt wird, ja sogar schon mit dem Entschluss selbst.

Temporal gesprochen wechseln also Altruismus und Egoismus ab.
Dies spricht aber der Ursprungseinstellung, die eindeutig als
altruisisch einzustufen ist, keinerlei Wert ab.

Das bezweifle ich eben. Solche Dinge laufen ja oft genug in hohem Maße unbewusst ab, und es gibt nicht ohne Grund den Begriff des Helfersyndroms.

Was noch interessant ist, ist der Begriff des Wertes, den Du hier einbringst, bei dem dann wieder die Frage auftaucht, ob es unter diesen Umständen überhaupt sinnvoll ist, von Altruismus und Wert zu sprechen, und ob Altruismus nichtr nur ein Konstrukt ist, um eigenen Wert durch entspr. Verhalten zu erzeugen, und warum man überhaupt Altruismus und Egoismus unterscheiden muss, wenn beide doch so miteinander verwoben sind, und was mit den Mischformen aus der Spieltheorie ist. Gerade bei letzterer wird der Begriff des Altruismus ad absurdum geführt.

Also, ich glaube, es ist weniger mein Zynismus, der im Wege steht, als eine Art Verwirrung :smile:

Aber deshalb gibt’s doch dieses Forum, um sowas zu lösen, oder?

Gruß,

Malte

Nix altruistisches.

Du willst es genau wissen, mir reicht die allgemeine
Definition:
„Handlungsmaxime, die auf die Förderung des Wohles anderer gerichtet ist“

Okay. Dann gibt es Altruismus zuhauf. Dann ist Altruismus aber auch nichts besonderes mehr, weil jeder ohne großen Einsatz altruistisch handeln kann.

Beispiel: Wenn sich jemand beim DRK ehrenamtlich engagiert, z.B. im Rettungsdienst, dann ist dieses Handeln selbstverständlich auf die Förderung des Wohles anderer gerichtet. Zweifellos. Dieser jemand rettet Menschenleben. Dennoch bekommt er auch jede Menge dafür: Anerkennung, Abenteuer, monetäre Aufwandsentschädigung, den Kick für’s Ego, schicke Dienstkleidung, ein schnelles Auto, Befehlsgewalt über andere, Macht über Leben und Tod, neue Freunde usw. usf. - Ich frage mich:

Kann man dieses Handeln, welches diese Person nichts kostet außer ihrer seelischen Unschuld, wofür sie aber so wahnsinnig viel wertvolles erhält, kann man das dann noch altruistisch nennen?

Bestimmt kann auch niemand den Altruismusgedanken in eine
genaue Formel eingrenzen. Ohne menschliches Denken, im
Tierreich - mag es reinen Altruismus geben, auch in
mathematischen Systemen, nicht aber in unserer abstrakten
Erfahrungsdenkweise. Doch viele Menschen handeln unbedacht
altruistisch, eben mal so aus dem Herz kommend, ohne darüber
Definitions-„Korinthen zu kacken“. :wink:

Der Altruismusbegriff krankt an der Bewertung des Motivs. Würdest Du sagen „Es gibt genug Menschen, die - bewusst und unbewusst - wohltätig handeln“, bräuchten wir gar nicht diskutieren.

PS: Meine Güte Malte, DU bist ja ein richtiger Star hier!

Hä? Gerade hier nun wirklich nicht :smile:

Gruß,

Malte

Hi ho,

hm, wenn man der strengen Definition von Altruismus folgt, dass man wirklich keinen eigenen Vorteil aus der Handlung ziehen darf (Selbstbelohnung durch „sich dabei gut fühlen“ eingeschlossen), dann ist die Frage doch, ob man überhaupt eine Handlung ausführen kann, die nicht in einer Selbstbelohnung endet.
Und weiter noch: Die Wissenschaft hat noch nicht einmal endgültig geklärt, ob es so etwas wie einen freien Willen überhaupt gibt. Und der wäre ja nötig, um sich zu einer Handlung durchzuringen, die keine Selbsbelohnung beinhaltet. Wenn aber das Gehirn nun so funktioniert, dass es für eine Handlung immer eine Belohnung (welcher Art auch immer) bekommt, dann ist Altruismus in der strengen Form nicht möglich.

Aber erstmal sollte man wohl klären, über welche Form des Altruismus gesprochen wird…

Gruß,

Herb

Noch mehr Verwirrung
Hallo Malte,

dürfen darfst Du alles, aber Absicht war’s gewiss nicht :smile:

Schon klar. Das konntest Du ja auch nicht wissen. Meine Situation ist auch etwas anders und doch auch ziemlich altruistisch motiviert, aber weniger aus einem Altruismus per se, sondern vielmehr aus einem negativen Gegenbeispiel herausmotiviert.

Altruismus definiert sich in seiner einfachsten Form dadurch,
dass nicht die eigenen Ziele verfolgt werden, sondern die
eines Anderen.

Reicht das schon aus? Muss es nicht heißen

Altruismus ist Handeln ohne einen eigenen Vorteil davon zu
haben?

Ich denke das kommt dann eben drauf an. In der Philosophie geht man meist von neutralen Minimaldefinitionen aus. Dort lautet die Definition von Altruismus so, wie ich sie hier reingeschrieben habe. In Deiner Definition befindet sich bereits ein wertendes Element: der Vorteil. Dieses Element macht Deine Definition zu einer bereits vorgefärbten Definition, die wiederum auf einer bereits erfolgten Annahme (nämlich: dass der Mensch immer nach Ansporn, Vorteil oder Reiz handelt) beruht.
Es wurde ja bereits angedeutet, am Ende läuft es doch auf die Frage nach dem freien Willen hinaus.

Wenn dann noch Egoismus ein Handeln zum eigenen Vorteil ist,
dann schließen beide einander aus. Bei Deiner Definition
könnten hingegen Altruismus und Egosimus gleichzeitig präsent
sein.

In der Philosophie ist das eigentlich auch weitläufig als Position akzeptiert. Es gibt sogar Fälle, in denen sie sich gegenseitig bedingen oder gar formell nicht mehr auseinander zu definieren sind. Sowas wie ein Ego-Altruismus. Aber formell und terminologisch lassen sich noch viele Dinge definieren und konstruieren. Da mir allerdings die konkreten Fälle dazu fehlen, bleibt Deine Frage gültig.

Wendet man dies nun auf Rainers Beispiel an, folgt, dass erst
ein Problem (hier ein Hilfeanspruch) besteht, welches die
Tochter durch ein Zurückstellen des eigenen Nutzens zugunsten
dessen ihrer Mutter löst.

Das ist eben die Frage! Was ist „Gewinn“, was ist „Nutzen“ im
hier gemeinten Sinn? Ist damit nur _unmittelbarer_ Erfolg
gemeint?

Ich würde auf dieser Ebene noch nicht mit „Gewinn“ hantieren wollen. Mit Nutzen schon: der unmittelbare Erfolg, wäre eine Verbesserung der Lebenssituation der Mutter oder noch grundlegender: eine Antwort auf den Hilfeanspruch, die Hilfestellung also. Ob daraus später ein Vorteil oder Gewinn für die Tochter herausspringt, ist für mich temporal später und daher unerheblich für die Frage des Altruismus in der Entscheidung die Arbeit für eine Hilfestellung zu unterbrechen. Mal ehrlich: wer ist schon so ein Vollblut Jesuit eine vollständige Liste der Vor- und Nachteile einer Entscheidung zu machen, bevor man jemandem hilft?

Dazu braucht es gar keine Zeit. Schon vor Beginn des Handelns
geht das los, schon damit, dass die Entscheidung anderen
mitgeteilt wird, ja sogar schon mit dem Entschluss selbst.

Ja, und hier sind wir doch bei der Grundfrage, die man immer für sich selbst entscheiden muss, oder? Glaubt man an das Gute im Menschen oder nicht? Glaubt man daran, dass Altruismus möglich ist oder nicht? Wie immer bei solchen Fragen oder in der Philosophie generell gilt: nach all dem schönen Gerede über Begriffdeinitionen und Fallbeispielen, stellt sich am Ende dieselbe Frage, welche den Anlass fürs Debatieren gab, nochmal. Und an diesem Punkt (der aber das ganze schöne Gerede voraussetzt) ist es dann nur noch eine Frage über die persönlichen Überzeugungen und Glaubensfragen. (Erklärung: ich spreche hier NICHT von Glaubensfragen der Religion, sondern von grundlegenden sozialen und metaphysischen Ansichten über die Welt und die Gesellschaft.)

Temporal gesprochen wechseln also Altruismus und Egoismus ab.
Dies spricht aber der Ursprungseinstellung, die eindeutig als
altruisisch einzustufen ist, keinerlei Wert ab.

Das bezweifle ich eben. Solche Dinge laufen ja oft genug in
hohem Maße unbewusst ab, und es gibt nicht ohne Grund den
Begriff des Helfersyndroms.

Sicher. Aber das Helfersyndrom beruht wiederum auf einer wie auch immer gerichteten Fehlschaltung im Selbstwertgefühl des Handelnden und kann in keinster Weise als Grundhaltung des Individuums herhalten.

…ob Altruismus nichtr nur
ein Konstrukt ist, um eigenen Wert durch entspr. Verhalten zu
erzeugen, und warum man überhaupt Altruismus und Egoismus
unterscheiden muss, wenn beide doch so miteinander verwoben
sind, und was mit den Mischformen aus der Spieltheorie ist.

Die Spieltheorie ist auch nur eine Theorie unter vielen und man täte gut daran sie nicht als Allerheilmittel anzuwenden, gerade was Wettbewerb und Verkaufsstrategien angeht. Warum allerdings Mischformen der Motivation und des Anreizes hier limitierend auf den Altruismus wirken sollten, entzieht sich mir.

Gerade bei letzterer wird der Begriff des Altruismus ad
absurdum geführt.

Absolut nicht. Die Spieltheorie gebraucht noch nicht mal Altruismus und Egoismus als Grundparameter, sondern Kooperation oder Nicht-Kooperation (welche sich dann in Graden messen lässt) um genau solche Einflüsse auf die praktische Ethik zu vermeiden.

Also, ich glaube, es ist weniger mein Zynismus, der im Wege
steht, als eine Art Verwirrung :smile:

Die ich nur noch vergrössern kann… *lächel*

Liebe Grüsse
Y.-

Nochmal Hallo,

Okay. Dann gibt es Altruismus zuhauf. Dann ist Altruismus aber
auch nichts besonderes mehr, weil jeder ohne großen Einsatz
altruistisch handeln kann.

(…)

Der Altruismusbegriff krankt an der Bewertung des Motivs.

Merkst Du was? Ich gehe mir Dir einig, dass die Bewertung des Motivs das Problem ist. Aber ebenso bei Dir, halt in die andere Richtung. Ausserdem kann man den Einsatz, welche eine Entscheidung von einem persönlich fordert, nicht beurteilen. Was für den einen viel ist, mag für den Anderen als gar nichts durchgehen.

Kann man dieses Handeln, welches diese Person [DRK Freiwilliger] :nichts kostet außer ihrer seelischen Unschuld, wofür sie aber so :wahnsinnig viel wertvolles erhält, kann man das dann noch :altruistisch nennen?

Du bist hier mit dem Beispiel sehr ungenau. Es kostet sehrwohl: Zeit, Aufwand, Stress für Pikett Dienst, familiäre Belastungen einen Dienst ohne Lohn zu tun etc. Warum sollte dies als null Aufwand durchgehen, nur weil es ein Dienst an der Allgemeinheit ist? Genau: weil Dienst an der Allgemeinheit als altruistisch gelten muss , sonst gäbe es doch kein Ehrenamtliches Prinzip mehr.

Der Altruismusbegriff krankt an der Bewertung des Motivs.
Würdest Du sagen „Es gibt genug Menschen, die - bewusst und
unbewusst - wohltätig handeln“, bräuchten wir gar nicht
diskutieren.

wohltätig =/ altruistisch
Siehe mein Posting weiter unten: mit wohltätig wird bereits eine Bewertung vorgenommen, die eindeutig auf das ethische Moment abzielt. Altruismus muss m.E. als neutrale Definition erhalten bleiben.

Gruss
Y.-

Hi,

Altruismus definiert sich in seiner einfachsten Form dadurch,
dass nicht die eigenen Ziele verfolgt werden, sondern die
eines Anderen.

Reicht das schon aus? Muss es nicht heißen

Altruismus ist Handeln ohne einen eigenen Vorteil davon zu
haben?

Ich denke das kommt dann eben drauf an. In der Philosophie
geht man meist von neutralen Minimaldefinitionen aus. Dort
lautet die Definition von Altruismus so, wie ich sie hier
reingeschrieben habe.

In Deiner Definition heißt es „KEINE eigenen Ziele, NUR andere Ziele“.
Fehlt darin nicht die zeitliche Komponente, also dass diese Forderung nur für den Moment der Entscheidung/des Handelns gilt? Das schien mir bei Deinen Erläuterungen wichtig zu sein.

In Deiner Definition befindet sich
bereits ein wertendes Element: der Vorteil. Dieses Element
macht Deine Definition zu einer bereits vorgefärbten
Definition, die wiederum auf einer bereits erfolgten Annahme
(nämlich: dass der Mensch immer nach Ansporn, Vorteil oder
Reiz handelt) beruht.
Es wurde ja bereits angedeutet, am Ende läuft es doch auf die
Frage nach dem freien Willen hinaus.

Ja, da kommst Du bei Verwendung des Begriffs „Ziele“ aber auch an.

Das ist eben die Frage! Was ist „Gewinn“, was ist „Nutzen“ im
hier gemeinten Sinn? Ist damit nur _unmittelbarer_ Erfolg
gemeint?

Ob daraus später ein Vorteil oder Gewinn
für die Tochter herausspringt, ist für mich temporal später
und daher unerheblich für die Frage des Altruismus

Okay, das ist schonmal - s.o. - ein wichtiger Punkt für mein Verständnis.

Mal ehrlich: wer ist schon so ein Vollblut
Jesuit eine vollständige Liste der Vor- und Nachteile einer
Entscheidung zu machen, bevor man jemandem hilft?

Eine solche Liste läuft zum einen im Laufe des Lebens nebenher und zum anderen dann nochmal in der Situation im Bruchteil einer Sekunde ab. Das kann recht unbewusst passieren.

Gerade bei letzterer wird der Begriff des Altruismus ad
absurdum geführt.

Absolut nicht. Die Spieltheorie gebraucht noch nicht mal
Altruismus und Egoismus als Grundparameter, sondern
Kooperation oder Nicht-Kooperation (welche sich dann in Graden
messen lässt) um genau solche Einflüsse auf die praktische
Ethik zu vermeiden.

Ich meine damit die Konstellationen daraus, genau jene Grade. Die kann man schon wunderbar übertragen.

Wenn jemand die Ziele eines anderen verfolgt und keinerlei eigene Ziele, handelt er dann altruistisch?
Wenn jemand die Ziele eines anderen verfolgt, die sich in kleinen Teilen mit seinen decken, handelt er dann altruistisch?
Wenn jemand die Ziele eines anderen verfolgt, die sich in weiten Teilen mit denen eines anderen decken, handelt er dann altruistisch?
Wenn jemand die Ziele eines anderen verfolgt, die eine Teilmenge seiner eigenen Ziele sind, handelt er dann altruistisch?

Also, ich glaube, es ist weniger mein Zynismus, der im Wege
steht, als eine Art Verwirrung :smile:

Die ich nur noch vergrössern kann… *lächel*

Oh, es wäre ja schlimm, wenn es nichts mehr zu grübeln gäbe! Du hast mir jedenfalls einiges an Denkstoff geliefert, vielen Dank für diese (altruistische?) Rückmeldung :smile:

Gruß,

Malte