Die Leine als Mittel der Kommunikation
Hallo Barbara,
Was haltet ihr von der Methode, den Hund nach vorne oben so lange mit der Leine am Halsband zu ziehen, bis er sich setzt?
Ich finde sie prima - allerdings nicht im Stile eines Urs Ochsenbein. Dieser propagiert - trotz einiger kosmetischer Korrekturen - ganz grundsätzlich eine Erziehung der alten Schule. Zu dieser gehört, den Hund an der Leine zu rucken, zu zerren und ähnlich Unerfreuliches mehr.
Ein Leinensignal kann aber auch etwas äußerst Hilfreiches und Sinnvolles in der Erziehung eines Hundes sein. Der Grund: Wenn der Mensch lernt, über wenige, eindeutige (Körper-)Signale zu kommunzieren, erreicht er seinen Hund viel leichter, schneller und nachhaltiger, als wenn er ihn mit Worten überhäuft, die er nicht verstehen kann und den Hund mehr oder weniger planlos mit Futter vollstopft. Und ganz nebenbei: Idealerweise ist die Leine eine positive Verbindung zwischen Mensch und Hund, die dem Hund Führung und Sicherheit gibt. Wenn dem nicht so ist, ist vieles nicht im Lot.
Ein Beispiel: Der moderne Hund lernt heute „Sitz“ dadurch, dass ihm der Mensch Futter vor die Nase hält (im idealen Fall wenigstens über/hinter seinem Kopf), „Sitz“ sagt, wartet, dass der Hund sich auf seinen Popo fallen lässt und ihm dann das Futter gibt.
Dass hier bereits die Abfolge falsch ist, weil das Kommando „Sitz“ erst dann erfolgen darf, wenn der Hund sich bereits setzt, übersieht man ohnehin gerne großzügig. Ebenso wie die Tatsache, dass der Hund bei dieser Übung folgendes lernt:
- Wenn der Mensch Futter in der Hand hat: Auf den Popo setzen.
- Wenn der Mensch unverständliches Zeug brabbelt: Auf den Popo setzen.
- Wenn der Mensch seine Hand irgendwie komisch hält oder in die Leckerchentasche greift: Auf den Popo setzen.
- Wennn der Mensch vor mir steht: Auf den Popo setzen.
- Wenn ich das Futter gefressen habe: Aufstehen.
- Wenn der Mensch unverständliches Zeug brabbelt: Wieder auf den Popo setzen.
- Wenn ich das Futter gefressen habe: Aufstehen.
Und so weiter. Die meisten Hunde lernen in erster Linie, dass sie immer wieder neues Futter kriegen, wenn sie nur immer wieder eigenmächtig aufstehen.
Was der Hund nicht lernt ist, das Kommando „Sitz“ zu befolgen. Schlicht und ergreifend deswegen, weil er es nicht eindeutig verknüpfen kann. Einfacher Test: Dem freilaufenden Hund den Rücken zudrehen, die Arme ruhig neben dem Körper halten und „Sitz“ sagen. Wenn der Hund sich nicht sofort auf seinen Popo fallen lässt, ist in der Konditionierung was schief gelaufen
.
Bei einer „Sitz“-Übung im beschriebenen Stil lernt der Hund über Ausprobieren, was denn gemeint sein könnte. Das würde übrigens auch ganz ohne Futter funktionieren, da jeder Hund, der nicht weiß, was Mensch von ihm will, sich erst mal hinsetzt.
Mit der Leine als Unterstützung führt der Mensch, und der Hund ist nicht darauf angewiesen, zu erraten, was er tun soll. Und: Eine Korrektur kann sofort erfolgen, wenn der Hund versucht, das „Sitz“ wieder aufzulösen.
Gerucke und Schmerzen für den Hund bedeutet das nicht.
Übrigens habe ich bei vielen Hundebesitzern, die ihren Hund über die Futtermethode konditioniert haben, erlebt, dass sie im Laufe der Zeit im Training häufig von ganz alleine darauf verfallen sind, die Leine als Korrektur einzusetzen, wenn der Hund immer wieder aufgestanden ist. Dann allerdings häufig in einem Zustand starker Genervtheit und häufig ohne Maß und Ziel.
Fazit: Wenn richtig verwendet, eine prima Idee. Herrn Ochsenbein würde ich allerdings mit Vorsicht genießen.
Schöne Grüße,
Jule