„Am Wochenende bin ich arbeiten“

Hallo Forum,

gestern erzählte mir ein Kollege (Nationalität Burkinisch, Muttersprache Französisch), er habe kürzlich in einer E-Mail die im Titel genannte Konstruktion erstmals gelesen, und fragte mich, ob man das so sagen könne.
Nun ja, sagen kann man alles ^-^ – aber die eigentliche Frage war wohl, was solch ein Ausdruck bedeute und ob er der Standardsprache angehöre.

Meine erste Antwort war, dass es durchaus verbreitet sei, nicht unbedingt einer gehobenen Sprachebene zuzurechnen, sondern eher umgangssprachlich;
und dass mit dieser Konstruktion ein Aufenthaltsort bezeichnet wird (das wäre in dieser Auflistung: http://de.wiktionary.org/wiki/sein die 2. Bedeutung des Verbs „sein“, welche sollte es auch sonst sein?) und der Satz somit zu „Am Wochenende bin ich auf Arbeit“ synonym sei.

Okay, meinte mein Kollege, aber das wundere ihn, da die Frau, welche ihm jene Mail sandte, sonst immer besonders korrekt schreibe, und nun verwende sie auf einmal einen umgangssprachlichen Ausdruck.
Nun ja, „umgangssprachlich“ heiße ja nicht gleich „inkorrekt“, sei nicht unbedingt als Gegenteil von "standardsprachlich“ aufzufassen (dieses wäre „dialektal“), sonst müsste es ja auch keine schriftliche Norm für umgangssprachliche Ausdrücke geben (der Duden liefert jedoch in vielen Fällen eine solche) – so meine Erwiderung.
Hierauf mein Kollege: Im Französischen könne man Ausdrücke, die man als „umgangssprachlich“ («familié», wenn ich’s richtig verstanden hab) klassifiziert, niemals im Schriftverkehr (abseits von Chaträumen, nehme ich an) verwenden („das schreibt man nicht“).

Soviel zur Vorgeschichte (danke schon mal fürs Durchlesen). Nun zu meinen damit verbundenen Fragen:

  1. Kann man tatsächlich Umgangssprache als Gegensatz zur Schriftsprache verstehen, oder gibt es eine „standardisierte“ (echte?) Teilmenge der Umgangssprache, die zumindest alle Ausdrücke enthielte, welche im Duden oder anderen Wörterbüchern aufgeführt und als umgangssprachlich gekennzeichnet sind?

  2. Wird tatsächlich in anderen Sprachen (z.B. im Französischen) ein strengerer Unterschied zwischen Standard- und Umgangssprache gemacht?

  3. Ist die Konstruktion „Am Wochenende bin ich arbeiten“ standard- oder umgangssprachlich?

3.a) wenn standardsprachlich: Gibt es eine Bezeichnung für derartige Konstruktionen (sein als Hilfsverb mit Infinitiv ohne zu)? Kann man diese irgendwie klassifizieren? (Wieso ist z.B. „ich bin einkaufen“ akzeptabel, ?„ich bin Klavier spielen“ eher nicht, *„ich bin nach Hause rennen“ überhaupt nicht? Weshalb klingt – zumindest in meinen Ohren, ich weiß ja nicht, wie Ihr das seht – „ich bin essen“ weniger umgangssprachlich als „ich bin beim neuen Italiener die Lasagne essen“?)
Besitzt die deutsche Standardsprache dann tatsächlich eine (derart elementare) Verlaufsform? Warum wird diese dann nicht allgemein in Grammatiken beschrieben, sondern stattdessen auf die unhandlicheren Konstruktionen „Form von sein + beim + substantiviertes Verb“ zurückgegriffen bzw. auf die (noch) nicht standardsprachliche Rheinische Verlaufsform verwiesen?

3.b) wenn umgangssprachlich: Wie wäre denn die standardsprachliche Alternative? Bei „ich bin arbeiten“ = „ich bin auf Arbeit“ ist es noch klar, aber wie ist es bei „ich bin essen“? „Ich bin beim Essen“? Von mir aus. Aber ich finde, dass z.B. „ich bin beim Einkaufen“ umgangssprachlicher klingt als „ich bin einkaufen“.
Noch schlimmer wird es in der Vergangenheit: „Gestern war ich mit meiner Freundin essen“ geht ja noch, wenn man „war“ durch „ging“ ersetzt – aber jetzt wieder mit dem Einkauf: „Als Du anriefst, war ich gerade einkaufen.“ Wie sollte man dies standardsprachlicher ausdrücken?

Ich möchte mich an dieser Stelle entschuldigen, dass ich mich wieder nicht kurz fassen konnte. Das war schon immer mein Problem, ich werd’s wohl nie lernen. :frowning:

Liebe Grüße
Immo

Hallo Vokletis!

  1. Kann man tatsächlich Umgangssprache als Gegensatz zur
    Schriftsprache verstehen, oder gibt es eine „standardisierte“
    (echte?) Teilmenge der Umgangssprache, die zumindest alle
    Ausdrücke enthielte, welche im Duden oder anderen
    Wörterbüchern aufgeführt und als umgangssprachlich
    gekennzeichnet sind?

Nein, Umgangssprache ist meiner Meinung nach kein Gegensatz zur Schriftsprache. Der Gegensatz wäre wohl die Mundart, also der Dialekt. Die Umgangssprache ist ein Mittelding zwischen Schriftsprache und Mundart. Sie verwendet meist hochdeutsches Vokabular, ist aber doch auch regional gefärbt. Also kann die Umgangssprache keine flächendeckenden Standards entwickeln.

  1. Wird tatsächlich in anderen Sprachen (z.B. im
    Französischen) ein strengerer Unterschied zwischen Standard-
    und Umgangssprache gemacht?

Ich hatte Französisch und Englisch in der Schule. Naja, da wurde uns schon gesagt, dass man Umgangssprachliches nicht unbedingt schreiben sollte. Es kommt natürlich immer auch auf die Textsorte an. Im Geschäftsbrief oder Schulaufsatz hat Umgangssprache ja auch im Deutschen nichts verloren (mal abgesehen von der Wiedergabe des Gesprochenen)… In einem Theaterstück kann es aber schon wieder vorkommen.

  1. Ist die Konstruktion „Am Wochenende bin ich arbeiten“
    standard- oder umgangssprachlich?

Würde ich als Umgangssprache bezeichnen.

3.b) wenn umgangssprachlich: Wie wäre denn die
standardsprachliche Alternative? Bei „ich bin arbeiten“ = „ich
bin auf Arbeit“ ist es noch klar, aber wie ist es bei „ich bin
essen“? „Ich bin beim Essen“? Von mir aus. Aber ich finde,
dass z.B. „ich bin beim Einkaufen“ umgangssprachlicher klingt
als „ich bin einkaufen“.

Da muss ich dir widersprechen: Ich bin beim Einkaufen ist Standardsprache. Umgangssprachlich wär Ich bin am Einkaufen. Jedenfalls bei uns in der Gegend. Allerdings ist das dann Präsens. Im Futur würde ich das so formulieren: Am Samstag werde ich einkaufen gehen. Eine andere Möglichkeit wär noch: Am Samstag um die Zeit werde ich beim Einkaufen sein. Da ist dann klar, dass wirklich die gleiche Zeit - nur der andere Wochentag - gemeint ist.

Noch schlimmer wird es in der Vergangenheit: „Gestern war ich
mit meiner Freundin essen“ geht ja noch, wenn man „war“ durch
„ging“ ersetzt – aber jetzt wieder mit dem Einkauf: „Als Du
anriefst, war ich gerade einkaufen.“ Wie sollte man dies
standardsprachlicher ausdrücken?

Da würde ich nur ein beim einfügen. Dann passts in meinen Augen.

Gruß Alex

Hallo Immo,
Zu dieser Konstruktion „ich bin VERB-en“ (sein + Infinitiv) hab ich mal einen linguistischen Vortrag gehört, in dem nachgewiesen wurde, dass solche Konstruktionen nicht nur bedeuten, dass jemand in dieser Handlung involviert ist oder sein wird, sondern, dass er dann auch entweder weg oder unzugänglich sein wird.

Man impliziert mit dem Ausdruck also nicht nur, dass man zu einem bestimmten Zeitpunkt mit Einkaufen oder Arbeiten beschäftigt ist, sondern auch, dass das an einem anderen Ort stattfinden wird bzw. man allgemein dann nicht erreichbar ist.

Wenn jemand ankündigt: „Ich telefonier jetzt.“, klingt das, als macht der das vor Ort, geht in 'ne ruhige Ecke, aber nicht weg. Sagt einer aber „Ich bin mal telefonieren.“, klingt das schon, als würde er wenigstens den Raum verlassen, vllt. sogar zur nächsten Telefonzelle geben. Fast, als wäre der Satz eine Verkürzung aus „Ich bin mal weg zum Telefonieren.“

Das wollte ich nur dazu sagen.

  • André

Hallo

  1. Kann man tatsächlich Umgangssprache als Gegensatz zur
    Schriftsprache verstehen, oder gibt es eine „standardisierte“
    (echte?) Teilmenge der Umgangssprache, die zumindest alle
    Ausdrücke enthielte, welche im Duden oder anderen
    Wörterbüchern aufgeführt und als umgangssprachlich
    gekennzeichnet sind?

Ich würde nicht sagen, dass Umgangssprache der Gegensatz der schriftlichen Sprache ist. Man darf das nicht so Schwarz/weiß sehen.

  1. Wird tatsächlich in anderen Sprachen (z.B. im
    Französischen) ein strengerer Unterschied zwischen Standard-
    und Umgangssprache gemacht?

Ja und auch mit der deutschen Sprache verhält es sich so. Es kommt aber immer darauf an was man schreibt. Hier im Forum schreibe ich umgangssprachlich, so wie es mir gerade in den Kopf schießt. Ich habe hier vom Anfang an gemerkt, dass auf die korrekte Schreibweise niemand wirklich achtet und so lass ich meine Finger einfach tippen :wink:

  1. Ist die Konstruktion „Am Wochenende bin ich arbeiten“
    standard- oder umgangssprachlich?

Hierbei bin ich mir nicht sicher. In einer wissenschaftlichen Arbeit oder einem förmlichen Brief würde ich diesen Satzbau nicht verwenden. Dieser hört sich schon sehr umgangssprachlich an.

3.b) wenn umgangssprachlich: Wie wäre denn die
standardsprachliche Alternative? Bei „ich bin arbeiten“ = „ich
bin auf Arbeit“ ist es noch klar, aber wie ist es bei „ich bin
essen“? „Ich bin beim Essen“? Von mir aus. Aber ich finde,
dass z.B. „ich bin beim Einkaufen“ umgangssprachlicher klingt
als „ich bin einkaufen“.
Noch schlimmer wird es in der Vergangenheit: „Gestern war ich
mit meiner Freundin essen“ geht ja noch, wenn man „war“ durch
„ging“ ersetzt – aber jetzt wieder mit dem Einkauf: „Als Du
anriefst, war ich gerade einkaufen.“ Wie sollte man dies
standardsprachlicher ausdrücken?

Deine Alternative: „ich bin auf Arbeit“ ist komplett falsch, Standartsprachlich und Umgangssprachlich. Die Grammatik stimmt nicht. Es gibt verschiedene Formulierungen für den Satz. Zum Beispiel:
„Am Wochenende arbeite ich.“
„Ich arbeite am Wochenende.“
„Am Wochenende bin ich auf der Arbeit.“ (sehr umgangssprachlich)

Ich würde in einem Brief die erste Variante nehmen. Das Verb „arbeiten“ braucht kein Hilfsverb „sein“. Das bedeutet:
„Ich bin am Wochenende arbeiten“ ist genauso unschön formuliert wie (ganz übertrieben ausgedrückt): „Am Wochenende tu ich arbeiten“.

Bei deinem Satz „ich bin auf Arbeit“ müsste es, wenn man das so schreiben möchte mindestens heißen: „Ich bin auf der Arbeit.“ Im Hochdeutsch schreibt und spricht man die jewiligen Begleiter mit. Nicht in jedem Fall, aber in diesem Fall mit Sicherheit.

Nun zum nächsten Satz:
„Als Du anriefst, war ich gerade einkaufen.“
Kann man sicher so schreiben, schöner wäre sicherlich:
„Als du mich anriefst, war ich beim Einkaufen.“
„Als du mich anriefst, habe ich die Einkäufe erledigt.“
„Du riefst an, als ich am einkaufen war.“
Du siehst, man kann viele verschiedene Varianten eines Satzes bilden. Das ist dann einfach der persönliche Stil.

Ich gebe Nachhilfe für Grundschulkinder in Deutsch und Mathe. Gerade in Deutsch merke ich oft, wieviel besser es ist, wenn die Eltern Hochdeutsch sprechen. Dann lernen die Kleinen es gleich richtig. Experte bin ich in dem Gebiet aber nicht. Ich habe schon viele geschäftliche und förmliche Briefe, so wie auch wissenschaftliche Arbeiten geschrieben. Das übt die Schriftsprache sehr und ich habe dir nun aus dem Gefühl und meinem schulischen Wissen heraus geantwortet.
Regeln für den Satzbau kannst du aber auch im Duden nachschlagen.

Liebste Grüße

Servus, Immo,

das ist keine Antwort auf deine Frage…*lächel*, eher eine kleine Überlegung zu unsereren „gemeinsamen Unterschieden“

  1. Ist die Konstruktion „Am Wochenende bin ich arbeiten“
    standard- oder umgangssprachlich?

Ohne dafür statistische Belege zu haben, behaupte ich mal, dass diese „bin+Infinitiv“ Konstruktionen im Präsens eher dem „deutschen Deutsch“ zuzuordnen sind. Und wiewohl der Einfluß durch Medien und Kulturmix immer größer wird, neigt der Österreicher eher zu Konstruktion "gehen + Infinitiv oder gehen + substantiviertes Verb.

Was übrigens die von André erwähnte Entfernung vom Ort - die ich auch bei der D-D Konstruktion so empfinde - noch verstärkt. Sonst reichte ja ein „am Sonntag werde ich arbeiten“

So sage ich: Am Sonntag gehe ich arbeiten, oder zur Arbeit (und niemals nimmer nie nicht „auf“ Arbeit…*lach*) und bei „ich bin essen“ denk ich oft, der Sprecher hat das „in“ vergessen:smile:

Anders verhält es sich mit „war“ + Infinitiv - das wird auch bei uns immer häufiger.

Weshalb klingt – zumindest
in meinen Ohren, ich weiß ja nicht, wie Ihr das seht – „ich
bin essen“ weniger umgangssprachlich als „ich bin beim neuen
Italiener die Lasagne essen“?)

Auch hier nur eine Vermutung: weil die „bin“ + Infinitiv Form m.E. nur „pur“ als Zeit - und Orts/Handlungsangabe (im Sinne von "ich werde das und das woanders tun) funktioniert.

Wird sie „Objekt-definiert“, wird sie irgendwie überflüssig - und klingt, auch in meinen Ohren - nicht völlig korrekt.

Beispiel: in d-D Version: ich bin arbeiten…funktioniert
Ich bin im Theater an meinen Manuskripten bis 20:00 arbeiten…funktioniert nicht so dolle.

Keine Ahnung, ob das halbwegs klar war und vielleicht sogar in Ansätzen richtig…aber…

Lieben Gruß aus dem Waldviertel, jenny

Standartsprachlich

Ich gebe Nachhilfe für Grundschulkinder in Deutsch

Ähem …

3 Like

Hallo,
Bis hierhin gehe ich da noch mit, aber das hier:

Deine Alternative: „ich bin auf Arbeit“ ist komplett falsch,
Standartsprachlich und Umgangssprachlich.

…siehst du falsch. „Auf Arbeit sein“ ist eine feste Wendung. Der Duden deklariert die Form als umgangssprachlich. Ich denke, sie ist leicht regional. Hier in Leipzig ist es die Standardform, Immo wohnt in Berlin, glaube ich, auch da sagt man das wohl. Dialekt ist die Form aber nicht direkt. Es ist quasi eine regionale Variante des Hochdeutschen, wie auch immer sie verteilt ist. Ich würde sie hier hierzubundeslande auch nicht als umgangssprachlich ansehen, sie ist die bei weitem verbreitetste Form.
Offenbar kommst du aus einer Region, in der man „auf Arbeit sein“ nicht sagen kann, daher empfindest du sie als komisch, ungewöhnlich, fremd oder sogar falsch. Das ist sie aber nicht.

Die Grammatik stimmt
nicht. Es gibt verschiedene Formulierungen für den Satz. Zum
Beispiel:
„Am Wochenende arbeite ich.“
„Ich arbeite am Wochenende.“
„Am Wochenende bin ich auf der Arbeit.“ (sehr
umgangssprachlich)

Ich würde in einem Brief die erste Variante nehmen. Das Verb
„arbeiten“ braucht kein Hilfsverb „sein“. Das bedeutet:
„Ich bin am Wochenende arbeiten“ ist genauso unschön
formuliert wie (ganz übertrieben ausgedrückt): „Am Wochenende
tu ich arbeiten“.

Nein, auch das stimmt nicht. Die Bedeutung zwischen „ich arbeite“ und „ich bin arbeiten“ ist nicht gleich (siehe mein Posting weiter unten). „Ich bin arbeiten“ impliziert zusätzliche Unerreichbarkeit oder zumindest Abwesenheit, was „ich arbeite“ nicht tut.
„Ich arbeite“ und „ich tue arbeiten“ hingegen ist schon bedeutungsgleich, da ändert sich höchstens die Betonung oder der Fokus.

Bei deinem Satz „ich bin auf Arbeit“ müsste es, wenn man das
so schreiben möchte mindestens heißen: „Ich bin auf der
Arbeit.“ Im Hochdeutsch schreibt und spricht man die jewiligen
Begleiter mit. Nicht in jedem Fall, aber in diesem Fall mit
Sicherheit.

Nein, in diesem Fall ist beides möglich. „Auf Arbeit“ sowie „auf der Arbeit“ (letzteres ist eher unüblich).

Nun zum nächsten Satz:
„Als Du anriefst, war ich gerade einkaufen.“
Kann man sicher so schreiben, schöner wäre sicherlich:
„Als du mich anriefst, war ich beim Einkaufen.“

Wie gesagt, die Bedeutung ist leicht unterschiedlich. Es ist ein schöner Beispielsatz: Im 1. Beispiel hat zuhause das Telefon geklingelt, wärend man im Supermarkt war. Im 2. Beispiel hat das Handy geklingelt und man hat telefoniert, während man noch an den Regalen stand.

Ich gebe Nachhilfe für Grundschulkinder in Deutsch und Mathe.
Gerade in Deutsch merke ich oft, wieviel besser es ist, wenn
die Eltern Hochdeutsch sprechen. Dann lernen die Kleinen es
gleich richtig.

Sind Dialekte denn weniger richtig? Es mag für die Kinder einfacher sein, aber sowas bringt ja leider eine deutliche Verarmung der Sprache mit sich, da genau das der Hauptgrund ist, dass die Dialekte langsam aussterben: Kinder lernen nicht mehr ihren Heimatdialekt, sondern eben ein künstliches Konstrukt.

Viele Grüße,

  • André
1 Like

Hallo,

  1. Wird tatsächlich in anderen Sprachen (z.B. im
    Französischen) ein strengerer Unterschied zwischen Standard-
    und Umgangssprache gemacht?

Ja und auch mit der deutschen Sprache verhält es sich so.

Aber der Unterschied ist im Französischen nach meinen Kenntnissen ausgeprägter. So wie auch Geschäftsbriefe im Französischen wesentlich stilisierter sind. Amtsdeutsch ist im Deutschen zwar noch immer gang und gäbe, aber die Tendenz ist eher, dass man davon wegkommt.

Ich gebe Nachhilfe für Grundschulkinder in Deutsch und Mathe.
Gerade in Deutsch merke ich oft, wieviel besser es ist, wenn
die Eltern Hochdeutsch sprechen.

Es ist nur leichter für die Lehrer und die Nachhilfelehrer.
Sprachlich ist reines Hochdeutschsprechen, wie André auch anmerkte, eine sprachliche Verarmung.

Dann lernen die Kleinen es
gleich richtig.

Dialekt ist richtig.

Gruß
Elke

2 Like

Sprachlich ist reines Hochdeutschsprechen, wie André auch
anmerkte, eine sprachliche Verarmung.

Dialekt ist richtig.

Hallo,

im Grunde stimme ich dir zu, will dir aber dennoch ein deutliches: „et kütt drop aan“ entgegen rufen.

Es spielt nach meinem Dafürhalten nämlich eine wichtige Rolle, ob und wie zwischen gesprochener und geschriebener Sprache unterschieden wird. Aufgrund des ‚written language bias‘ und der Fokussierung auf geschriebene Sprache wird tatsächlich der Dialekt meist als „falsch“ empfunden und dies strahlt oft auf die gesprochene Sprache aus.

Meines Erachtens sind einfach die kommunikativen Praktiken (Fiehler et.al.) nebst ihrer Rahmenbedingung in den Blick zu nehmen, die man dann jeweils im Einzelfall betrachten und auf ihre Konventionen überprüfen kann.
So kommt man dann zu dem Schluß, dass der Dialekt vielleicht bei einer gerichtlichen Urteilsverkündung unangemessen ist, hingegen aber beispielsweise auf einem Weinfest das einzig taugliche Mittel ist.

MFG Cleaner

P.S.: Dialektgegnern sei einmal das Experiment angeraten, ein Pfälzer Weinfest zu besuchen und die Bestellung aufzugeben: „Ich möchte bitteschön gerne ein Viertel Weißweinschorle bestellen.“ Man wird zwar nicht gleich erschlagen, doch ist im Rahmen dieser Praktik die einzig mögliche Bestellung: „Her, geb’ mer mol en Schobbe saure Rieslingschorle, awwer hopp!“

Hallo André,

ich glaube, ich hätte doch Linguistik studieren sollen. Was man da alles für interessante Vorträge hören kann!

Vielen Dank für Deine Antwort.

Liebe Grüße
Immo

Linguistische Vorträge (ot)
Hallo Immo,
Da du in Berlin wohnst, kann ich dir die StuTS (Studentische Tagung Sprachwissenschaft) ans Herz legen, die findet nämlich Mite November in Potsdam statt, das ist ganz in deiner Nähe und nicht explizit nur für Linguisten. Ich denke, das wär auf alle Fälle was für dich.

Leider kann ich diesmal nicht teilnehmen, da ich in 20 Tagen nach China fahre, um dort ein Jahr lang mein Chinesisch zu verbessern.

Nähere Infos zur 48. StuTS in Potsdam findest du übrigens auf: http://48.stuts.eu/

Auf der StuTS in Bochum letztes Jahr hab ich übrigens besagten Vortrag gehört, es war ein Gastvortrag einer hiesigen Professorin (Germanistik und/oder Linguistik).

Viele Grüße,

  • André

Ich gebe Nachhilfe für Grundschulkinder in Deutsch und Mathe.

Und kannst nicht Deutsch, Gratulation. In deinem Text habe ich nur überfliegend schon drei Fehler gefunden. :smiley:

Gerade in Deutsch merke ich oft, wieviel besser es ist, wenn
die Eltern Hochdeutsch sprechen. Dann lernen die Kleinen es
gleich richtig.

Ich finde das armselig. Dialekte und Umgangssprache(n) gehören zu unserem Kulturgut. Die Schriftsprache („Hochdeutsch“ gibt es nicht!) lernt man in der Schule. Sprache auf hohem Niveau ergibt sich aber erst dann, wenn man beides kann und die feinen Nuancen beherrscht.

Grüße Bellawa.

1 Like

Hallo,

ich glaube, hier muss nicht zwischen Umgangssprache und Schriftsprache unterschieden werden, sondern zwischen gesprochener Sprache und Schriftsprache.

In den Lehrwerken fürs dritte und vierte Schuljahr lernen es die Kinder so, dass in der gesprochenen Sprache oft das Perfekt verwendet wird, in der Schriftsprache aber das Präteritum.

Also gesprochene Sprache: Ich habe eingekauft

Schriftsprache: Ich kaufte ein.

Hierbei kann die gesprochene Sprache sowohl allgemeine Umgangssprache als auch Dialekt sein.

Grüße von mir

pepperilo