hi volker,
vielen dank für deine antwort.
ich habe übrigens gerade an susanne geantwortet und noch einmal ausgeführt, warum ich die herangehensweise, über körperliche merkmale zu den vorfahren deiner freunde zu gelangen, für ungeeignet halte. ganz unabhängig von der frage, ob es „rassen“ gibt oder nicht.
Ich bin hier nur an Fakten interessiert. Jegliche ideologische
Deutung überlasse ich denen,die sie unbedingt haben müssen.
und
Es gibt eben auch „zweckfreies“ Wissen, das nur für denjenigen
von Interesse ist, der sich dafür interessiert.
ich glaube dir, dass dich nur die fakten interessieren und dass menschen forschen, weil sie eine frage interessiert und nicht, weil sie damit etwas bestimmtes erreichen wollen. subjektiv gesehen, scheint es sich dabei um objektivität zu handeln. zweckfreie wissenschaft gibt es meiner ansicht nach dennoch nicht, denn das erkenntnisinteresse von personen hat immer auch einen zweck für sie selbst: warum interessiert genau diese fragestellung? warum ist sie jetzt interessant und nicht zehn jahre früher oder zwanzig jahre später? was hat dieses interesse hervorgerufen und wie kommt die person darauf, so an die frage heranzugehen?
dazu ein originalzitat meiner oma in einer frage an meine mutter: „glaubst du an bakterien?“. vor zweihundert jahren wäre keiner auf die idee gekommen, nach bakterien zu forschen, weil man kein konzept davon hatte. man glaubte an krankheiterregende miasmen (dünste) und hat sich dafür interessiert. forschung, wissen und interesse wächst doch immer vor einem gesellschaftlichen hintergrund. die personen des forschers und des fragenden, ihre moral, ihre überzeugungen und ihre probleme haben doch auch ihre auswirkungen auf die fragestellungen und die herangehensweise an das objekt ihres interesses.
Zitat:
tip: wenn du beim schreiben einen doppelpunkt an den anfang der zeile setzt, dann erscheint die zeile wie ein zitat bei wer-weiss-was.
Zitat:
und genau diese anatomisch-physiologischen eigenschaften sind
doch höchstens eine randbemerkung wert, aber sonst
uninteressant.
Zitat Ende.
Es ist doch auch nicht relevant, ob eine Pyramide von einem
Herrn Cheops oder einem Herrn Müller gebaut wurde.
das finde ich sehr wohl interessant, aber eher von dem aspekt her, wie die damalige sozialstruktur aufgebaut war, wie die herrscher ihr herrschaftssystem aufrecht erhielten oder wie sich ein land es leisten konnte, herrn müller von der feldarbeit freizustellen, etc.
Oder welche
praktische Nutzanwendung hat das „missing link“,in der
Entwicklungsgeschichte des Menschen, sollte es jemals
zweifelsfrei gefunden werden?
klar, man muss sich bei vielen forschungsgebieten fragen, welchen sinn die gewonnenen erkenntnisse haben und ob die menschheit damit weiter kommt. andererseits sehe ich das auch wieder nicht so eng, wie es vielleicht geklungen hat. erstens interessiere ich mich selbst für viele sachen, die unwichtig erscheinen. zweitens sind forschungsergebnisse bausteine, aus denen weitergebaut wird. es gibt von fernand braudel, einem französischen sozialwissenschaftler eine dreibändige „sozialgeschichte des 15.-18. Jahrhunderts“. er hat an der arbeit 20 jahre geschrieben und einen weltumspannenden abriss dieser zeit versucht. schaut man sich die literaturliste an, dann finden sich auch doktorarbeiten nach dem motto „die venezianische sesterze zwischen 1400 und 1450“ oder so ähnlich. wo man sich fragt, wie ein mensch dazu kommt, sich mit so einem nebensächlichen thema in einer doktorarbeit zu befassen. aber selbst so ein marginales werk dient auf einmal als baustein, wenn ein herr braudel daher kommt und mit großem wurf auf den vielen vielen vorarbeiten aufbauend etwas neues entwirft.
Genau so ist es. Meine Frage habe ich allgemein gehalten, weil
mir nicht bekannt war, dass in diesem Forum Fragen begründet
werden sollen.
die fragen müssen auch nicht begründet werden! sie müssen nur vom leser verstanden werden. und dazu bedarf es einiger informationen, die du aber erst in deinen antworten zum besten gegeben hast…
Zitat:
die massai in kenya und tanzania erkennt man tatsächlich
daran, dass ihnen zwei zähne im unterkiefer fehlen und nicht
an ihrem körperbau. die zähne werden bei der initiation
rausgehebelt.
Zitat Ende.
Das wirft bei mir natürlich viele Fragen auf. Ich betone, dass
diese ernst gemeint sind!
-Sind die Massai eigentlich eine „Rasse“, eine „Art“, eine
„Unterart“ oder ein „Stamm“?
-Wäre ein Mensch dessen beide Elternteile Massai sind, der
jedoch noch alle Zähne im Unterkiefer hat, ein Massai? Oder
was sonst?
-Könnte ein Bantu, der sich dem Initiationsritual unterzieht,
zum Massai werden?
ich würde die massai noch am ehesten als „stamm“ bezeichnen, wobei ich selbst mit diesem begriff bauchschmerzen habe. ich weiss nicht soo viel über die massai und weiss deshalb auch nicht, wie die massai sich selbst bezeichnen würden. ich denke mal, sie hätten eine übergeordnete zuordnung. (es gibt ja auch solche initiationsfeste, bei denen sich massais aus kenya und tanzania am ol donyo lengai zusammenfinden) vermutlich werden sie sich auf einer untergeordneten alltagsebene eher lokalen gruppen oder verwandtschaftsgruppen zuordnen.
das heraushebeln der zähne geschieht bei der initiation vom jugendlichen zum erwachsenen. natürlich wäre auch ein massai, der diese prozedur nicht über sich ergehen lässt, ein massai. ich wollte damit nur andeuten, dass man massais auf der straße in kenya nicht so sehr an der schlanken körperform erkennt (ich kenne auch diverse kleine moppelige massai…), sondern vielmehr an der auffallenden kleidung (wenn sie denn traditionell gekleidet rumlaufen, was in nairobi oder mombasa nicht immer der fall ist) oder den zähnen, die man auch nur sieht, wenn sie sprechen.
aber du wolltest in deiner nachfrage auf etwas anderes hinaus und das wird auch in der dritten frage deutlich: wird man qua geburt zum massai? kann ich nicht genau sagen. ich denke, es kommt darauf an, ob dich die anderen massai als solchen anerkennen. somit könnte auch ein bantu, z.b. ein kikuju, zum massai werden. tatsächlich hat es in der geschichte immer wieder lange phasen der friedlichen handelsbeziehungen und der ehen zwischen kikuju und massai gegeben.
ich würde mal davon ausgehen, jemand ist das, was er sein will. wenn dies die anderen in der gruppe auch anerkennen, gibt es kein problem. bei den hmien in thailand (auch als yao bekannt) schätzt man, dass ca. 10% der bevölkerung als kinder aus anderen ethnischen gruppen adoptiert wurden. dennoch empfinden alle sie als hmien und keiner stellt dies in frage.
interessant ist dies übrigens auch in hinblick auf die ausländische bevölkerung in deutschland. ab wann wird jemand als deutscher angesehen? wenn er die staatsangehörigkeit hat? sicher nicht. seine kinder oder erst deren kinder? wie steht es um die akzeptanz der deutschen mehrheitsbevölkerung? was soll eigentlich das getue um das deutsch sein. wer ist denn schon deutsch in deutschland? hier haben sich doch schon alle möglichen völker getummelt und immer mit den einheimischen vermischt. (übrigens auch noch ein argument gegen das konzept von „rassen“ beim menschen, denn die menschen waren immer schon extrem mobil und auch extrem sexuell…)
literaturempfehlungen zur anthropologie (die sich im unterschied zur ethnologie mit den körperlichen merkmalen beschäftigt) kann ich dir leider keine geben. ich habe mich damit nicht besonders beschäftigt.
schöne grüße
burkhard