Hallo Thomas,
danke für den Tipp. Hier kurz mein Beitrag.
Denn die Einstellung setzt voraus, dass es pathologisch wäre,
Mathematik oder Logik oder andere Dinge nicht zu mögen.
Ich denke, daß Mediziner v.a. aus der Sicht ihres Modells die Dinge betrachten, so wie es Psychologen aus der Sicht des von ihnen präferierten Modell tun. Das medizinische Krankheitsmodell führt aus meiner Sicht jedoch tendenziell eher als andere Modelle dazu, in vielen Dingen etwas Pathologisches zu sehen, wenn etwas nicht der Norm entspricht. Das medizinische Krankheitsmodell bietet nämlich nicht den „Übergangsbereich“ zwischen „gesund“ und „krank / pathologisch“, der durch Verhaltensstörungen, -dysfunktionen usw. definiert werden kann. Eine der großen Leistungen der Verhaltenstherapie war und ist die Lenkung der Aufmerksamkeit auf diesen Bereich.
Vielmehr ist es völlig normal, schwierige Dinge nicht grundlos
lernen zu wollen.
Natürlich.
Die Psychoanalyse hat wie jede Psychotherapie hier den
normalisierenden Blickwinkel.
Das Ziel einer Therapie ist aus meiner und nicht nur aus meiner Sicht keineswegs die „Normalisierung“ im Sinne der Herstellung massenkonformen Verhaltens beim Patienten, wie Du es Dir vorzustellen scheinst (Huxley läßt grüßen), sondern - im Maximalfall - die Wiederherstellung des Zustandes vor dem Ausbruch der Störung / Krankheit, was schon impliziert, daß dieser Zustand individuell definiert werden muß. Oft setzt man sich jedoch ein weitaus geringeres Ziel, nämlich eine graduelle Annäherung an dieses Maximalziel.
Sie versucht, eine Art Urzustand als Normalzustand (der aber gar
nicht näher definiert wird, sondern einfach standardmäßig vorliegt) herzustellen
Das mag für die Psychoanalyse zutreffen (was ich aber nicht weiß). Für die VT ist es aus meiner Kenntnis heraus jedoch keineswegs so. VT zielt auf die Bearbeitung konkreter Probleme ab, die individuell vorliegen und deshalb individuell angegangen werden müssen. Eine globale Persönlichkeitsänderung ist generell nicht das Ziel einer VT.
und übergeht bei der Analyse von Alltagsdingen das Individuum.
In der Verhaltenstherapie ist es absolut nicht so, wie Du es beschreibst. Gerade die VT betont über die Verhaltensdiagnostik den individuellen Blickwinkel sehr stark. Die aufgestellten „hypothetischen Bedingungsmodelle“ der Verhaltensanalyse sind auf den individuellen Fall zugeschnitten, weil sie aufgrund der Analyse des Verhaltens, der Physiologie und des Erlebens (Gedanken, Gefühle) des betrachteten Individuums erstellt werden. Hinzukommen Analysen, welche auf die Rahmenbedingungen des (sozialen) Umfeldes und der Erreichbarkeit und Angemessenheit möglicher Therapieziele fokussieren. Ob jemand therapiebedürftig ist und welche Methoden / Techniken im konkreten Fall zum Einsatz kommen, ergibt sich aus dem diagnostischen Prozeß. Wobei dies natürlich der Idealfall ist. Was in der Praxis aufgrund von Sach- oder Personalzwängen erfolgt, will ich hier jetzt aber nicht diskutieren. Mängel gibt es überall.
Wenn ich erst einmal begriffen
habe, wozu ich Logik und Mathematik oder andere Dinge für mich
in meiner gegebenen Alltagswelt brauche, dann ergibt sich das
Interesse von allein.
Wobei das Ziel auch andersherum erreicht werden kann: Eine erfolgreiche Anwendung von während einer VT geübten Fertigkeiten läßt ein Interesse an der Aufrechterhaltung und dem Einsatz der Fertigkeiten entstehen. Es gibt starke Hinweise, daß dieser Weg ein sehr erfolgreicher ist.
Es ist also nicht so wichtig, warum ich (oder
du, wenn du willst *g*) eine Abneigung hast, sondern
hier ist entscheidend, wozu ich das Abgelehnte für mich
verwenden kann.
Ja, wozu jemand etwas gebrauchen kann, das sollte auf jeden Fall vermittelt werden. Der beste Vermittler ist oft der wahrgenommene Erfolg bei der Anwendung von Fertigkeiten zur Lösung eines Problems. Die Definition, was ein Problem ist, kommt vom Patienten.
Nicht jede psychologische Eigenart ist pathologisch, schon gar
nicht eine so häufig auftretende Abneigung wie die gegen Logik
und Mathematik.
Natürlich nicht. Wer behauptet denn so etwas?
Herzliche Grüße,
Oliver Walter
PS: Eigentlich dürfest Du ein „Ach ja“-Erlebnis haben, denn wir hatten es vor kurzem schon einmal zusammen diskutiert. 