Antragsveranlagung ohne Ende

Hi,

möchte nochmals eine Frage zur Diskussion stellen, die das Thema Antragsveranlagung zum Gegenstand hat.

Durch das Jahressteuergesetzt 2007 ist ja § 10d Abs. 4 Satz 6 EStG eingefügt worden. Damit ist die zeitlich unbegrenzte erstmalige Verlustfeststellung ausgehebelt worden und an die allgemeine Festsetzungsfrist angepasst worden. Meiner Interpretation nach hat sich aber an der Rechtsprechung des BFH vom 1. März 2006 insofern nichts geändert, als dass Antragsveranlagung und Verlustfeststellung grundsätzlich zwei unterschiedliche paar Schuhe sind und eine erstmalige Verlustfeststellung vonseiten des Finanzamts vorzunehmen ist, soweit keine bestandskräftigen Steuerbescheide für die Verlustfeststellungszeiträume vorliegen und die Feststellungsfrist nicht abgelaufen ist? Mir sind keine NA-Erlasse zu dieser Rechtsprechung bekannt.

Ist es daher zutreffend, dass 2000 ff Verluste festzustellen sind, wenn die entsprechenden Voraussetzungen vorliegen und zwar ungeachtet der Tatsache, ob das vor dem BVerfG anhängige Verfahren zur Antragsveranlagung zugunsten der Steuerpflichtigen ausgeht?
Wie ist die Einschätzung?

Danke vorab!

Viele Grüße
Bilko

Soweit keine Veranlagung mehr möglich ist, ist auch keine Verlustfeststellung möglich.

Hallo Oerdiz,

wo steht das???

Sorry - aber genau diese Verbundenheit zwischen Verlustfeststellung und Veranlagung sieht der BFH in dem genannten Urteil nämlich gerade nicht und weil die Sache eben komplexer ist, hab ich diesen Thread aufgemacht.

Grüße
Bilko

Hallo,

um die Sache mal zu entwirren:

Du hast folgendes Urteil gemeint:
BFH Urteil vom 01.03.2006 - XI R 33/04 (veröffentlicht am 19.04.2006)
Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs gem. § 10d EStG bei bestandskräftiger Ablehnung einer ESt-Veranlagung
Ein erstmaliger Bescheid über die Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs nach § 10d EStG kann bis zum Ablauf der Feststellungsfrist auch dann noch ergehen, wenn eine Veranlagung zur Einkommensteuer vom FA wegen Ablaufs der zweijährigen Antragsfrist des § 46 Abs. 2 Nr. 8 Satz 2 EStG bestandskräftig abgelehnt worden ist.
BFH/NV 2006, 1204

Dazu habe ich noch folgendes Urteil gefunden:
BFH Urteil vom 02.08.2006 - XI R 65/05 (veröffentlicht am 08.11.2006)
Feststellung eines verbleibenden Verlustabzugs unter Einbeziehung verjährter Veranlagungszeiträume
Ein verbleibender Verlustabzug ist auch dann festzustellen, wenn die Einkommensteuer für diesen Veranlagungszeitraum aufgrund Verjährung nicht mehr festgesetzt werden kann.
BFH/NV 2006, 2345

Beide Urteile sind nur in BFH/NV zu finden und nicht im Bundessteuerblatt. Auf die Schnelle habe ich noch keine Verwaltungsanweisung dazu gefunden. Solange ein Urteil noch nicht im Bundessteuerblatt ist, überlegt sich die Verwaltung noch, wie sie reagieren will.

Zur Festsetzungsverjährung bei Verlustfeststellungen gibt es
§ 181 Abs.5 Abgabenordung
„Eine gesonderte Feststellung kann auch nach Ablauf der für sie geltenden Feststellungsfrist insoweit erfolgen, als die gesonderte Feststellung für eine Steuerfestsetzung von Bedeutung ist, für die die Festsetzungsfrist im Zeitpunkt der gesonderten Feststellung noch nicht abgelaufen ist; hierbei bleibt § 171 Abs. 10 außer Betracht. Hierauf ist im Feststellungsbescheid hinzuweisen. § 169 Abs. 1 Satz 3 gilt sinngemäß.“

Die Kommentare der Urteile gehen davon aus, dass die Verlustfeststellung noch zulässig ist, da sie für spätere Jahre noch Auswirkung hat.

Schöne Grüße
C.

Ein verbleibender Verlustabzug ist auch dann festzustellen,
wenn die Einkommensteuer für diesen Veranlagungszeitraum
aufgrund Verjährung nicht mehr festgesetzt werden kann.
BFH/NV 2006, 2345

…das ist die kiste, wo man z.b. seine aufwendungen für ein erststudium von neunzehnhundertdickmilch noch als WK geltend machen könnte, wenn in diesen veranlagungszeiträumen z.b. keine anderen einkünfte vorliegen und keine erklärung abgegeben wurde

würde sich dann auf das erste jahr mit positiven einkünften auswirken… egal, ob festsetzungsverjährt ?

gruß inder

Guten Abend!

Zu meiner Schande muss ich hier schreiben, die Sache ist für mich nicht ganz klar: Spontan würde ich einer spezielleren Regelung im EStG den Vorrang vor der AO geben und mich der Aussage von Oerdiz anschließen.

Gruß aus Hamburg

Hallo,

Zu meiner Schande muss ich hier schreiben, die Sache ist für
mich nicht ganz klar:

Steuerrecht nicht zu verstehen ist die natürlichste Sache der Welt. Also gräme dich nicht.

Spontan würde ich einer spezielleren
Regelung im EStG den Vorrang vor der AO geben und mich der
Aussage von Oerdiz anschließen.

Oerdiz hatte auch die Abgabenordnung im Auge.

Zunächst zu Oerdiz’ Aussage:

Soweit keine Veranlagung mehr möglich ist, ist auch keine :Verlustfeststellung möglich.

Grundsätzlich gilt das. Die Vorschriften wie Festsetzungsverjährung gelten sinngemäß nach § 181 Abs. 1 AO und dieser Satz beschreibt die Grundregel, dass nur bis Eintritt der Festsetzungsverjährung ein Bescheid ergehen darf.
Aber in § 181 Abs. 5 AO ist geregelt, dass die Festsetzungsverjährung für die gesonderte Feststellung nicht ablaufen soll, wenn diese Feststellung für einen Folgebescheid noch benötigt wird und für diesen die Festsetzungsverjährung noch nicht eingetreten ist.
http://bundesrecht.juris.de/ao_1977/index.html

http://bundesrecht.juris.de/ao_1977/__181.html

Genau dieses hat der BFH in seiner Entscheidung ausgeführt. Hier ist der Volltext:
http://www.steuerlinks.de/bfh-xir-65-05.html

Schöne Grüße
Cirwalda

http://www.steuerlinks.de/bfh-xir-65-05.html

Hallo,

…das ist die kiste, wo man z.b. seine aufwendungen für ein
erststudium von neunzehnhundertdickmilch noch als WK geltend
machen könnte, wenn in diesen veranlagungszeiträumen z.b.
keine anderen einkünfte vorliegen und keine erklärung
abgegeben wurde

genau:

würde sich dann auf das erste jahr mit positiven einkünften
auswirken… egal, ob festsetzungsverjährt ?

Dazu sind noch weitere Verfahren offen und die Verwaltung hat noch keinen Erlass dazu herausgegeben. Wir werden also noch etwas warten müssen.

Schöne Grüße
C.

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Fullquote gelöscht

http://www.steuerlinks.de/bfh-xir-65-05.html

Guten Morgen,
danke Dir für die Erklärung mit Quellen! Das Verhältnis von §§ 181, 182 zu §§ 169 - 171 AO muss ich mir wohl nochmals anschauen.
Gruß
D.