Apothekerprozess

Moin,

momentan läuft ja in Essen ein Prozess, in dem ein Apotheker gepanschte Krebsmedikamente verkauft hat und so einen Schaden von 56! Mio. Euro angerichtet hat.
Was ich nicht verstehe, angeblich beträgt die Höchststrafe lt. Nachrichtenagenturen 10 Jahre.
Ich, als juristischer Laie, würde das unter versuchten Mord in 1000 Fällen subsumieren. Habgier, niedere Beweggründe und vor allem Wissen um die Auswirkungen des Getanem liegen doch vor!? Warum nicht lebenslänglich?
Kann mich bitte jemand aufklären bzw. einordnen?

Data

Mord erfordert Tötungsabsicht, zumindestens billigende Inkaufnahme, das liegt wohl nicht vor.

Wieso das nicht?

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Das sieht die Nebenklage anders - und da würde ich sogar zustimmen:
Ein Medikament wissentlich so zu panschen, daß die Wirksamkeit nicht mehr gegeben ist, ist billigende Inkaufnahme.

Und wenn dies wirklich aus finanziellen Gründen geschah, liegt das Mordmerkmal Habgier definitiv vor.

Hallo Gesine!

Eine Wirtschaftsstrafkammer des Essener Landgerichts beschäftigt sich mit dem Fall. Dabei geht es um den angerichteten Vermögensschaden. Bisher steht noch nicht endgültig fest, ob es bei der Zuständigkeit der Wirtschaftsstrafkammer bleibt, wenn ich den einschlägigen Spiegel-Beitrag richtig verstehe. Die Nebenkläger meinen nämlich, dass der Fall vor ein Schwurgericht gehört. Dann könnte es für den Apotheker um sehr viel mehr gehen, als nach gut 6 Jahren auf Bewährung die Gefängnismauern auf Bewährung zu verlassen, um irgendwo im Warmen vom ergaunerten Vermögen zu zehren.

Der Arme handelte bestimmt ohne böse Absicht aus schierer Not, um den eigenen Hungertod abzuwenden.

Gruß
Wolfgang

So beurteilt es wohl die Anklagebehörde. Ich referiere das nur, ohne es mir inhaltlich zu eigen zu machen, denn dafür weiß ich viel zu wenig über den Sachverhalt.

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Wenn man die Statistiken der Apothekerkammer liest, dann nagen die Apotheker tatsächlich am Hungertuch, mit Einkünften in der Nähe des Mindestlohns. Wenn man allerdings tatsächlich mal Einblick in die Bücher einer durchschnittlichen Apotheke nehmen kann, dann erahnt man die Sinnhaftigkeit des Spruchs: „Traue keiner Statistik, die du nicht selbst gefälscht hast!“

War das Churchill? Bin gerade nicht sicher.

Hallo,

es ist ja nicht so, daß jeder Patient stirbt, der das Medikament/den Wirkstoff nicht bekommt und - wichtiger - jeder überlebt, der es/ihn erhält. Insofern ist die Kausalität zwischen Handeln und Resultat nicht zwangsläufig gegeben. Ein Problem übrigens, was Prozesse bei (vermeintlichen) Behandlungsfehlern oft so schwierig macht.

Gruß
C.

Hallo!

Trifft auf den Betreiber der Alten Apotheke in Bottrop nicht zu, falls u. a. dieser Bericht https://www.apotheke-adhoc.de/nachrichten/detail/panorama/pfusch-apotheker-wo-ist-das-millionenvermoegen-zyto-skandal-bottrop/ den Tatsachen entspricht. Demnach schliefen Ermittlungsbehörden so lange, dass der Apotheker in der Untersuchungshaft mit Hilfe seiner Eltern sowie seines Steuerberaters sowohl Immobilieneigentum als auch das eine oder andere Milliönchen vor dem Zugriff Geschädigter retten konnte. Forderungen sind an den Apotheker zu richten, aber der Arme hat nix mehr. Hat alles Mama. Man darf gespannt sein, ob die vom Apotheker nach seiner Verhaftung vorgenommenen Vermögensübertragungen Bestand haben. Falls ja, wäre es ein tolles Geschäftsmodell.

Gruß
Wolfgang

Nein, Churchill sagte „Traue keinem Deutschen, den du nicht selbst erschossen hast“

Und das Thema Apotheke und deren Einkommen ist ein zu langes, als es hier in diesem Thread abzuhandeln. Fakt ist, dass die Apotheker zu einer der Berufsgruppen in D gehören, die sich auch so schon mehr aneigenen, als ihnen eigentlich marktwirtschaftlich zustehen würde. Da mag der eine oder andere anderer Meinung sein, aber wie gesagt, das sollten wir nicht in diesem Thread ausdiskutieren.

Gruß
BW

Die Diskussion haben wir doch letztes Jahr schon geführt und dabei herausgefunden, daß Du ständig von Gewinnen im knapp sechsstelligen Bereich sprachst, aber nicht so recht damit herausrücken wolltest, ob Du damit vielleicht nicht doch das Bruttoeinkommen des Apothekers meinst, das sich noch um Steuern, Altersvorsorge usw. reduziert.

Von Mindestlohn und Hungertuch habe ich übrigen in dem Kontext noch nie etwas gelesen. Man könnte meinen, daß Du auch hier etwas übertreibst.

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Wenn es um Marktwirtschaft ginge, dann würden die Apotheker die Preise für Medikamente selbst festsetzen und dementsprechend im Geld schwimmen. Tatsächlich ist die Branche so reguliert wie kaum eine andere und wenn man sich nicht gerade in die Illegalität begibt, sind die Möglichkeiten als Apotheker reich zu werden, tatsächlich überschaubar.

„Reguliert“ bezieht sich übrigens nicht nur auf die Preise, an denen seitens der Krankenkassen herumgesägt wird, sondern auf die immer weiter zunehmenden Anforderungen des Gesetzgebers an Abläufe, räumliche Gestaltung, Dokumentation usw. usf. Das Ergebnis ist, daß es einerseits immer weniger Apotheken gibt und die andererseits immer weniger verdienen.

Ich entsinne mich.

Ich spreche dabei von dem Gewinn aus der gewerblichen Tätigkeit, von dem natürlich die Vorsorgeaufwendungen bestritten werden müssen, so wie das beim Arbeitnehmer vom Bruttolohn passieren muss. Aber erfahrungsgemäß kann man von einem Gewinn aus Gewerbebetrieb im niedrigen sechsstelligen Bereich Brot für die Kinder kaufen und auch noch einen Spargroschen für das Alter zur Seite legen.

Ich stelle das etwas plakativ dar, aber das ist aus dem Duktus heraus ja wohl erkennbar und somit zulässig.

Echt? Von meinem Bruttoeinkommen wird nur der Arbeitnehmeranteil für Renten- und Arbeitslosenversicherung abgezogen und ich bekomme dazu noch einen Arbeitgeberzuschuß zur Krankenversicherung.

Nun bedenken wir noch kurz, daß ein Apotheker nicht nach 39 Stunden nach Hause geht und schon befinden wir uns in einem Bereich des Stundenlohns, der in keinem Verhältnis mehr zu Ausbildung und Verantwortung steht.

Substantiell besser geht’s nur denen, die mehrere Apotheken oder nebenbei noch einen Groß- bzw. Versandhandel betreiben.

Genau. Und für Brot und Groschen studiert man wenigstens vier Jahre zzgl. praktischem Jahr.

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Hallo Christian!

Der Zusammenhang zwischen zu wenig Wirkstoff im Medikament und Schädigung/Tod eines Patienten muss in jedem Einzelfall bewiesen werden, was bei onkologischen Rezepturen schwer bis unmöglich ist. In der Mehrzahl der Fälle wird es nicht einmal möglich sein, nachzuweisen, dass das genau diesem Patienten verabreichte Medikament zu wenig Wirkstoff enthielt. Die speziell angefertigten Medikamente sind exorbitant teuer, so dass sich ziemlich sicher bei keinem Patienten Vorräte im Erste-Hilfe-Schränkchen finden. Letztlich wird nur mangelhafte Plausibilität zwischen eingekauften und vermeintlich abgegebenen Wirkstoffen nachweisbar sein, also ein reiner Vermögensschaden.

Aber es muss Mitwisser gegeben haben. Abertausende Medikamente wird der Apotheker nicht ausschließlich eigenhändig zusammengemischt haben. Differenzen von Ein- und Verkauf müssen doch irgendwann in der Buchhaltung auffallen. Sogar das Finanzamt, das im Normalfall recht gut Umsatz und Gewinn von Unternehmen einschätzen kann, hätte stutzig werden können/müssen. Und schließlich scheint es keine wirksamen Prüfungen onkologischer Apotheken durch Amtsapotheker zu geben. Dem Vernehmen nach gibt es solche Prüfungen nur nach Ankündigung im Anstand mehrerer Jahre.

Gruß
Wolfgang

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Natürlich gibt es Akademiker, die besser verdienen, z.B. viele selbständige Ärzte (aber durchaus nicht in allen Fachrichtungen), aber es gibt auch jede Menge Akademiker, die weitaus schlechter verdienen, z.B. viele Anwälte oder Menschen in sozialen oder kreativen Berufen.

Ich spreche nicht davon, dass Apotheker Reichtümer aufhäufen, sondern davon, dass sie nicht am Hungertuch nagen (Ausnahmen in beide Richtungen soll es natürlich geben).

Wie die Statistiken so schön runtergerechnet werden, kann ich dir übrigens erklären. Da wird erstmal schön 80.000 € kalkulatorischer Unternehmerlohn vom Gewinn abgezogen, und PARDAUZ! plötzlich verdient der Apotheker statistisch nur noch 33.000 € statt 113.000 €.

Zahlen habe ich jetzt nicht nachgeprüft, das sind so Größenordnungen aus meiner Erinnerung.

Das Problem in Bezug auf eine Strafbarkeit wegen Mordes ist die adäquat kausale Handlung des Täters. Solche Medikamente werden ja nicht an gesunde oder nur leicht erkrankte Patienten verabreicht, sondern an Menschen, die ohnehin mehr oder weniger dem Tode geweiht sind. Viele dieser Patienten sterben auch dann, wenn man nicht an den Medikamenten herum panscht. Andere haben eine mehr oder weniger lange Überlebenszeit nach so einer Therapie, einige werden geheilt. Aber selbst bei denjenigen, die geheilt werden, weiß man angesichts einer üblicherweise sehr umfassenden Behandlung auf verschiedenen Ebenen oft nicht sicher, was nun wirklich den entscheidenden Fortschritt gebracht hat.

Selbstverständlich ist der Umfang und die Schwere dessen, was hier passiert ist, unglaublich, und schreit gerade zu nach einer Verurteilung wegen Tötungsdelikten. Man hat hier aber das Problem des konkreten Nachweises der Kausalität im konkreten Einzelfall. Aber genau diese müsste man in einen, zwei, drei oder ganz vielen Fällen nachweisen können, um zu einer entsprechenden Verurteilung zu kommen.

Es spricht natürlich alles dafür, dass die vorgenommenen Handlungen zum Tode diverser Patienten beigetragen haben dürften. Allein, der Nachweis, dass ein konkreter Patient aufgrund dieser Handlungen kausal verstorben ist, und gerade bei ihm die nicht ausreichend dosierte Therapie sonst zum Erfolg geführt, und seinen Tod verhindert hätte, ist praktisch kaum zu führen. Zumal ja bei solch schweren Erkrankungen regelmäßig diverse Therapieansätze erfolgen, und der an so einer Krankheit versterbende Patient nicht nur auf diese eine, sondern auch auf andere Therapien nicht positiv reagiert hat.

Das ist leider eine vollkommen andere Situation, im Gegensatz dazu, dass jemand einem kerngesunden Menschen ein tödliches Gift verabreicht, was dann auch zum erwarteten Erfolg führt. Eine „rein statistische“ Aussage, dass von den Patienten dieses Apothekers x% mehr einen letalen Krankheitsverlauf hatten, als dieser sonst bei vergleichbaren Krankheitsbildern und Therapien zu beobachten ist, reicht für einen Mordanklage nicht aus. Da braucht es dann schon den konkreten Fall (oder hier sogar viele konkrete Fälle).

Das ist natürlich vollkommen unbefriedigend, und man wird sich Gedanken machen müssen, wie man künftig für entsprechende Fälle geeignete gesetzliche Konstrukte schafft, aber für den aktuellen Fall kann dies nichts mehr ändern.

Hast Du nicht beruflich nicht irgendwie mit Steuern und Buchhaltung zu tun? Dann müßtest Du doch eigentlich den Unterschied zwischen betriebswirtschaftlichem Ergebnis und Verdienst oder meinetwegen Bruttoeinkommen kennen und eigentlich auch, wie diese Größen zustandekommen und wozu sie da sind.

Das betriebswirtschaftliche Ergebnis kann man entweder so hinnehmen wie es ist oder man kann es um den kalkulatorischen Unternehmerlohn bereinigen, der das Ergebnis um (in etwa) den Betrag reduziert, den man bei einer Kapitalgesellschaft unter Personalaufwendungen als Gehalt des Geschäftsführers finden würde. Das dient einerseits dazu, das Ergebnis um die Effekte der Rechtsform zu bereinigen und andererseits der internen Kalkulation (bei der dann außerdem noch die kalkulatorische Miete und ggfs. kalkulatorische Eigenkapitalkosten berücksichtigt werden sollten).

Wenn man es so handhabt, dann kommt am Ende das raus, was die Apotheke nach allen (kalkulierten) Kosten abwirft. Das sagt aber nichts darüber aus, was dem Apotheker selber bleibt. Dem bleiben nämlich am Ende sowohl der kalkulatorische Unternehmerlohn als auch das betriebswirtschaftliche Ergebnis, was eigentlich jedem klar sein sollte, der sich mit der Materie von Berufs wegen beschäftigt.

Hallo Wolfgang,

wir haben es hier mit einem recht speziellen Markt zu tun: Herstellung, Qualitätskontrolle, Vertrieb und Verkauf liegen in einer Hand. Und nicht nur das: das Produkt wird verzehrt, verstoffwechselt und der Rest ausgeschieden. Händisch hergestellte Medikamente unterliegen nicht dem TÜV, werden nicht von Fachzeitungen getestet und selbst wenn der Apotheker von jeder Tablette und jeder Infusion hätte eine für den Fall der Reklamation versiegeln und zurücklegen müssen, wäre diese bestimmt einwandfrei dosiert gewesen.

Wenn man die Medikamentenversorgung nicht völlig umstellen (und im Zweifel drastisch verteuern) möchte, wird das Risiko erhalten bleiben, daß ein einzelner Mensch seine Möglichkeiten für sich mißbraucht und es zu bedauernswerten Vorfällen kommt.

Wie auch übrigens in anderen Bereichen, in denen einzelne Personen das Leben anderer Leute in der Hand haben (vgl. Krankenpfleger mit angeknackstem Selbstbewußtsein oder den Co-Piloten mit psychischen Problemen und seiner Angst, den Arbeitsplatz zu verlieren).

Ganz beseitigen wird man das Risiko wohl nicht können.

Gruß
C.

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Die tollen Zeiten der Apotheker mit einer einzelnen Apotheke sind vorbei. Es haben einige geschafft, nach oben auszubrechen, und mit mehreren Standorten, lukrativen Krankenhaus- und Pflegeheim-Verträgen, … sich abzusichern, und ordentliches Geld mitzunehmen. Ein Großteil kämpft, selbst an interessanten Großstadt-Standorten teilweise ums Überleben. Ein Nachbar hat gerade einen solchen Standort aufgegeben, und versucht es nunmehr klein, klein an anderer Stelle (und fährt seit Ewigkeiten einen nur noch vom Rost zusammengehaltenen Wagen), der hoch angesehene Apotheker im Nachbardorf, schön nebenan zur großen Allgemeinpraxis gelegen, fand keinen Nachfolger, und war froh, dass ein Jungdynamiker seinen Standort als Zweitstandort im Rahmen angestrebter weiterer Expansion übernahm, …