Liebe® Taju
ich habe leider eigentlich keine Zeit und weiß auch, dass das
Thema Kreuzzüge hier nicht das eigentliche ist. Auch sind die
Kreuzzüge ein zu historisch komplexes Phänomen und die
schlagwortartige Verwendungen aller (!) zeugt eigentlich nur
von Unkenntnis…
Gut, ich spreche vom sogenannten ersten Kreuzzug, der 1099 zur christlichen Eroberung Jerusalems führte. Der einzige Kreuzzug, der in der islamischen Welt einen nachhaltigen Effekt hatte (von der Reconquista mal abgesehen).
Wichtigste und auch offizielle Motivation (!) der Kreuzzüge
ist die Verteidigung. Das hängt eng zusammen mit der Frage
nach der Möglichkeit eines gerechten Krieges, der wiederum nur
dann als gegeben angesehen wurde, wenn es sich um den
Verteidigungsfall handelte.
Dieser Aspekt also, die Verteidigung (mit vorausgehender
Bedrohungssituation) des christlichen Volkes und seines
Glaubens, ist der der öffentlichen Propanda gewesen. Auch nur
deswegen, weil es ein gerechter Krieg gewesen ist, haben die
Kämpfer auch den Ablass erhalten.
Man sollte mal darüber nachdenken:wink:
Also denken wir darüber nach, ob die zweifellos richtige offizielle Motivation der christlichen Welt auch die tatsächliche Motivation zum Aufbruch war. (Wobei diese Erörterung eigenglich ins Geschichtsbrett gehörte.)
Papst Urban II: Hatte sich gerade mit französischer und normannisch-neapolitanischer Hilfe (v.a. militärischer Natur) gegen seinen Gegenpapst durchgesetzt. Da kam die Anfrage des oströmischen Kaisers gerade recht, ob der Papst nicht eine Söldnertruppe vermitteln könnte. Durch eine katholische Militärintervention konnte auch der Suprematanspruch Roms nachdrücklich aufgegriffen werden.
Kaiser Alexios I: Der war tatsächlich in einer Verteidigungsposition gegen die Seldschuken. Allerdings schloss er mit diesen unter Preisgabe Kleinasiens Frieden um Kräfte für den gefährlicheren Krieg gegen die (christlichen!) Normannen freizubekommen. Das relativiert die muslimische Gefahr. Nach dem Normannenkrieg wollte er lateinische Söldner, aber um Gottes Willen kein Kreuzfahrerheer.
Jetzt vielleicht die wichtigsten Teilnehmer am Kreuzzug?
Adhemar, Bischof von LePuy: Ihm winkte das Patriarchat von Jerusalem, de facto die zweite Geige hinter dem Papst.
Bohemund von Tarent: Nachdem er mit der Eroberung von Antiochia und dem dortigen Fürstentitel seine Schäfchen im Trockenen hatte, ging er erst gar nicht weiter nach Jerusalem.
Raimund von Toulouse: wollte, bevor er sich bei der Eroberung Jerusalems engagierte, lieber erst mal Tripolis erobern, um auch ein eigenes Fürstentum im Osten zu haben.
Gottfried von Boullion: Na gut, der war vielleicht fromm und bieder genug, um halbwegs lautere Gründe zu haben.
Balduin von Boulogne: Ergriff die Chance, unterwegs zum Euphrat abzubiegen und sich des Fürstentums Edessa zu bemächtigen. (Sobald die Königskrone winkte, machte er sich dann aber auch auf nach Jerusalem.)
Soll ich weitermachen? Angesichts dieser Liste seien Zweifel erlaubt, dass die Motivation für den Kreuzzug die Verteidigung des christlichen Glaubens war. Es war der Vorwand, um Besitz und Einfluss zu gewinnen, auch für die Gefolgsleute, die hauptsächlich nachgeborene Söhne waren.