Servus,
unabhängig von der - hier wesentlichen - Beurteilung durch die Bundesagentur für Arbeit:
Nicht bloß für FAT und Inbetriebnahme ist es berufstypisch, dass (u.a.) E-Ingenieure und Anlagenbauer reisend tätig sind. Auch „gewöhnliche“ Programmierarbeit, Beschaffung, Projektsteuerung etc. findet da statt, wo der bearbeitete Gegenstand ist. Wenn Siemens oder ABB sich mit Bohrinseln oder Riggs beschäftigen, sitzen ihre Leute halt in Stavanger - von Anfang an.
Die Familienväter unter meinen früheren Kollegen, die in Stavanger eingesetzt waren, fanden es übrigens nicht gar so schlimm, dass sie alle vier Wochen eine ganze Woche lang nicht erst abends müde heimkamen, sondern den ganzen Tag Zeit für Weib & Kind hatten.
Heikel wird das bei starken Ost-West-Verschiebungen, wenn man in der Zeit zu Hause zwei Tage lang am Time Lag herumkratzt.
Wie auch immer: Jadzia Dax hat in diesem Zusammenhang die rechtliche Seite, die Dich wesentlich interessiert, schon beleuchtet - sie lehnt sich normalerweise nicht aus dem Fenster, wenn sie nicht weiß, wovon sie spricht. Es scheint also ein verlässlicher Wert zu sein, dass zwingende mehrwöchige Auslandsaufenthalte als für einen Familienvater nicht zumutbar angesehen werden.
Wobei ich - ganz unabhängig von dem, was ich persönlich für angemessen halte - rein formal auch in diesem Fall empfehlen würde, die Bewerbung selber nicht von vornherein zu unterlassen. Einmal ist ein Widerspruchsverfahren gegen eine verhängte Sperrzeit eine lästige Sache, die sich mühelos vermeiden lässt, wenn man die Bewerbung in Gottes Namen schreibt und beim Vorstellungsgespräch davon erzählt, dass man den Projektrhythmus und den Familienrhythmus nicht auf Kosten der Familie zusammenführen möchte. Und zum anderen ist es nicht gar so leicht, im Widerspruchsverfahren zu belegen, dass der Arbeitgeber sich nicht auf einen familiengerechten Arbeitsrhythmus eingelassen hätte, wenn man sich denn beworben hätte und ihn darum gefragt hätte. Mit so viel hätte, würde, könnte ist im außergerichtlichen und erst recht im gerichtlichen Rechtsbehelf nicht viel Staat zu machen.
Einzelfälle sind niemals repräsentativ - ich könnte Dir sonst von einem Widerspruchsverfahren wegen einer Sperrzeit erzählen, das ich am Hals hatte, weil ich mich auf eine angebotene Stelle nicht beworben hatte, die wegen der Höhe der Vergütung zum Zeitpunkt des Vermittlungsvorschlages nicht zumutbar war: Schlicht deswegen, weil StB-Kanzleien keiner Tarifbindung unterliegen, wäre nach Ansicht der Bundesagentur durchaus nicht auszuschließen gewesen, dass der StB, um den es ging, mal eben das doppelte Gehalt des orts- und branchenüblichen bezahlt hätte: Ich hätte ihm meine Gehaltsvorstellung mitteilen und seine Absage abwarten müssen, um die Sperrzeit zu vermeiden. Ein spezialisierter Anwalt, den ich in diesem Zusammenhang kontaktierte, hat mir übrigens davon abgeraten, nach Ablehnung meines Widerspruchs Klage zu erheben.
Kurzer Sinn - aber ich glaube, ich hab das schon angedeutet: Wenn man es sich in dieser Situation derartig kompliziert macht, statt in Gottes Namen die gewünschten Bewerbungen zu verschicken und deren berechenbar negative Ergebnisse zu dokumentieren, fehlt schlicht und einfach die Energie und die Ausstrahlung, die man bei so einer Bewerbungstour braucht, wenn man an die Ausschreibung einer Stelle gerät, die man haben will.
Bewerber, für die es ein Problem ist, dass sie nicht mit der S-Bahn vor die Haustür fahren können, sondern noch achthundert Meter mit dem Bus zurücklegen müssen, oder dass sie ihren Mittag bloß bei dem teuren REWE holen können, weil in dem Gewerbegebiet kein Lidl ist, oder dass sie keinesfalls länger machen können als 16:30 h, weil die KiTa zumacht und niemand anders die Zwerge holen kann, brauchen in aller Regel keine Angst davor zu haben, dass sie eingestellt werden könnten: Üblicherweise wollen Arbeitgeber mit der Einstellung von Personal Probleme lösen und nicht erzeugen.
Es gibt dann allerdings ein bedeutendes Risiko: Schon ab dem ersten Tag nach Auslaufen des Jobs ändert sich das Bild, das man von der eigenen Person hat - bei manchen mehr, bei manchen weniger. Das Risiko, dass man sich alsbald selber als „fußkranker“ Kandidat im Spiegel sieht und sich diesem Bild dann auch anpasst, darf meines Erachtens nicht unterschätzt werden - das kann jeden kalt erwischen, und wenn man mal in dieser Suppe hängt, wirds ganz lätz. Dann wird man nämlich auch auf die simple Aufforderung „If you can do it - do it!“ plötzlich ganz kompliziert mit könnte, hätte und würde reagieren.
Und noch ein Hinweis: Das Wörtlein „obligatorisch“ stammt aus der Begriffswelt der Wasserwirtschaftsämter und der Zollverwaltung. Außerhalb dieser geschützten Mikrouniversen kann die Denke in dieser Kategorie ziemlich ins Auge gehen -
just my 2Cents.
Schöne Grüße
Dä Blumepeder