keine Zeit für Gefühle
Hi Chipsy,
die Sitaution, in der sich dein Freund befindet, hat Litorino doch nun eindrucksvoll genug geschildert.
Ich möchte ja auch gerne „durchhalten“. Die Frage ist, wie mache ich das am besten?
Und das allein kann die Frage hier sein. Wie du mit dir selbst aktuell umgehst - und keineswegs, wie du mit ihm umgehen solltest!
Ich weiß auch, das Beste für mich ist, mein Leben zu leben und für ihn da zu sein, wenn er mich braucht.
Hier ist schon der Knoten, aus dem du dich lösen mußt: Du glaubst, etwas für dich zu tun, indem du meinst, etwas für ihn tun zu sollen. So machst du dein eigenes Wohlfühlen davon abhängig, ob er etwas von dir will oder braucht - und davon, daß er sein Bedürfnis nach dir kundtut.
Und damit setzt du ihn unter Druck. Druck, der Abwehr zur Folge hat. Denn Stress hat er genug.
Was du für dich tun kannst, ist, daß du dir klarmachst, daß du für ihn aktuell gar nichts tun kannst!
Aber wie hilft man in so einer Situation am besten?
Indem du aufhörst, ihm helfen zu wollen!
Hey, der Mann kämpft an zwei Fronten um seine soziale Existenz. Ein nervenzerfetzender Ehekrieg, in dem wahrscheinlich auch noch die Kinder instrumentalisiert werden, und dann vor allem eine fatale Wirtschaftslage, in der sich kaum ein mittelständisches Unternehmen einen neuen Unternehmensberater leisten kann, der den Betrieb nicht schon seit Jahren kennt.
Da gibt es für dich nichts zu helfen, es sei denn, du seiest Scheidungsanwältin oder Unternehmesberater-Beraterin. Der Mann hat 24 Stunden täglich 8 Tage die Woche die Finger an der Stromleitung! Auch dann, wenn er es hinkriegt, mal abends die Füße auf den Tisch zu legen und tief durchzuatmen. Da ist außer der Sachlage noch ein enorm anstrengendes und kompliziertes Gefühlsmanagement nötig. Das ist keine Zeit für Gefühlsaustausch mit anderen, die mit dieser Art auch innerer Kämpfe nicht vertraut sind. Jedenfalls nicht, wenn der Austausch von anderen gewünscht oder gar eingeklagt wird!
Ihn einfach total in Ruhe lassen?
JA! Das ist das, was du für ihn tun kannst.
Warten bis er auf mich zukommt?
Nicht warten, sondern abwarten. Denn wenn du wartest, machst du dich selbst fix und alle - und versäumst derweil, selbst dein (von ihm unabhängiges) Leben zu leben. Du machst deine Lebensgefühle von einem anderen abhängig. Und damit bist du jemand, der niemandem helfen kann. Und erst recht nicht jemandem, der so um seine Existenz kämpft.
Oder auch mal aktiv versuchen an ihn ran zu kommen?
NEIN! Wenn du für ihn jemand wärest, der aktuell an ihn rankäme, dann würde er von sich aus täglich mit dir stundenlang am Telefon hängen.
Ihm ne nette SMS schicken (auch wenn ich weiß, dass wahrscheinlich keine Antwort kommt), einfach dass er weiß, ich bin da.
Glaubst du im Ernst, er meinst, du seiest nicht da?
Stell dir vor, bei einem aus einem Formel-1-Team, incl. Fahrer, käme während des Rennens eine SMS von einer Geliebten „Du fehlst mir!“ oder „Ich bin für dich da!“ … ich hoffe sehr für dich, du weißt, was ich meine.
Oder lieber keinen Kontakt, wenn es nicht von ihm kommt?
Genau.
Ich möchte unsere Beziehung eigentlich nicht aufgeben, weil er einfach ein toller Mensch ist, der sich nur durch die derzeitige Situation so verhält.
Auch das hat Litorino beschrieben. Solche Krisenlagen verändern einen Menschen. Und niemand, auch er selbst nicht, kann abschätzen, auf welche Weise. Vor allem, weil sich bei deinem Freund abzeichnet, daß die Situation ihn noch auf Jahre stressen wird.
Ich denke, er bräuchte auch einfach mal nur einen kleinen Lichtblick?
Sicherlich. Das sind diese kleinen „Inseln“, die jemand dann - hoffentlich - für sich selbst findet. Das kann alles mögliche sein, manchmal auch ein Mensch. Besonders einer, der zu einem steht. Aber dann kommt es immer noch auf den Inhalt(!) dessen an, was man austauschen kann. Nähe, menschliche Wärme ist nur das, was ein anderer Außenstehender glaubt, daß es helfen würde. In Wahrheit kann es sein, daß einen genau das noch weiter runterzieht.
Das erscheint paradox, es ist aber so. Ganz analog übrigens zu einer Situation der Trauer: Leute, die weinend Beileid wünschen sind keine Hilfe, sondern eine zusätzliche Belastung. Helfen tun dann vielmehr Leute, die bei den Umständen organisatorisch Hand anlegen und emotional stabil sind.
Kümmer dich also nicht darum, was du „für ihn“ tun kannst, denn da gibt es vermutlich nichts. Tu was „für dich“. Wenn du deine Emotionen, deine Mangelgefühle oder Verlustgefühle in den Griff kriegst, indem du eigenen, von ihm unabhängigen Interessen nachgehst, dann bist du für ihn, wenn er dann wieder Kontakt mit dir aufnimmt, eine starke und hilfreiche Partnerin.
Kein Zweifel, die Lage ist auch für dich hart. Aber einen Weg drumherum gibt es kaum.
Gruß
Metapher