Hallo Klaus,
Wer mich diesbezüglich aufklären möchte, sollte mit
Information bitte nicht geizen.
Aufklären kann ich Dich gewiss nicht, aber vielleicht ein bißchen anregen.
Je nach vorherrschender politischer Kultur kommen
Strippenzieher auf die Idee, solche Schichten und ihr
Gewaltpotential zu instrumentalisieren.
das ist ein bemerkenswerter Satz, trifft er doch mein derzeit
vorhandenes Bauchgefühl. Es ist kaum vorstellbar, dass
muslimische Extremisten ein dänisches Käseblättchen beziehen
und selbst wenn, erklärt es nicht die verzögerte Reaktion von
einigen Monaten.
Also muss da doch jemand die Strippen ziehen.
Ja, aber ich glaube, man darf sich dabei nicht ein Handvoll Menschen denken, die die Fäden in der Hand hätten, sondern eher eine größere Menge von Autoritäten, Informationsvermittlern, etc., die sich an Schlüsselpositionen der Medien, der politischen Apparate, etc. befinden.
Vielleicht kann ich dies so verdeutlichen:
http://de.news.yahoo.com/06022006/3/chronologie-stre…
_Hamburg (dpa) - Die Ursprung des Streits um die dänischen Mohammed-Karikaturen liegt vier Monate zurück. Eine Chronologie:
-
September 2005: «Jyllands-Posten» veröffentlicht die zwölf Karikaturen. Dänemarks größte Zeitung will mit dem bewussten Bruch des islamischen Abbildungsverbots gegen eine angebliche Tendenz zu Selbstzensur unter Druck islamischer Gruppen demonstrieren.
-
Oktober: Muslime in Dänemark verlangen eine Entschuldigung.
AUTORITÄTEN INNERHALB DER DÄNISCHEN MUSLIMISCHEN GEMEINDE GREIFEN DIE „PROVOKATION“ AUF
- Oktober: Zwei der Zeichner müssen nach Morddrohungen untertauchen. 3500 Muslime demonstrieren friedlich in Kopenhagen.
DARAN SCHLIESSEN SICH VERSCHIEDENE SEGMENTE DER „MASSE“ AN; RADIKALE UND GEMÄSSIGTE; UND BRINGEN IHN AUF DIE EBENE DES „ANTI-ISLAMISMUS“
- Oktober: Elf Botschafter muslimischer Länder fordern Regierungschef Anders Fogh Rasmussen schriftlich auf sich zu distanzieren. Dieser lehnt mit Hinweis auf die Pressefreiheit ab.
ANDERE AUTORITÄTEN AN ANDEREN SCHLÜSSELPOSITIONEN GREIFEN DEN FALL AUF UND BRINGEN IHN AUF DIE EBENE INTERNATIONALER POLITIK
November/Dezember: Eine Delegation dänischer Imame (Vorbeter) reist durch mehrere arabische Länder, um Proteste zu organisieren.
WIEDERUM ANDERE AUTORITÄTEN AN WIEDERUM ANDEREN SCHLÜSSELPOSITIONEN GREIFEN DEN FALL AUF UND TRANSFORMIEREN IHN ZU EINEM „ANGRIFF AUF DEN ISLAM“
- Januar 2006: Norwegens «Magazinet» druckt die Karikaturen nach.
AUCH DAS IST EIN ENTSCHEIDENDER VORGANG GEWESEN, WEIL DER FALL DAMIT AUF DIE EBENE DES PRINZIPIELLEN GEHOBEN WURDE
- Januar: Saudi-Arabien zieht seinen Botschafter aus Dänemark ab. Seit Wochen kursierten in Saudi-Arabien Aufrufe zum Boykott dänischer Produkte.
HIER TRITT WIEDERUM DIE MASSE AUF DIE BÜHNE, DER DIE „STRIPPENZIEHER“ AN DEN POLITISCHEN SCHLÜSSELPOSITIONEN GERADE FOLGEN (NICHT ETWA NUR DIE MASSE INSTRUMENTALISIEREN), INDEM SIE DER MASSE EIN SICHTBARES ZEICHEN LIEFERN, NÄMLICH DIE DIPLOMATISCHE ABSTRAFUNG DER „PROVOKATEURE“.
NICHT ZUFÄLLIG FINDET DIESER MASSENPROTEST IN SAUDI-ARABIEN STATT
- Januar: «Jyllands-Posten» entschuldigt sich für die Verletzung religiöser Gefühle. Zugleich distanziert sich Rasmussen im Fernsehen von den Zeichnungen. Bewaffnete Palästinenser stürmen ein Büro der Europäischen Union in Gaza.
HIER WIEDERUM KEINE STRIPPENZIEHER, SONDERN MASSE; AUCH HIER WOHL NICHT ZUFÄLLIG SIND ES PALÄSTINENSER, DIE DEN FALL SYMBOLISCH VON „DÄNEMARK“ ZU „EUROPA“ VERSCHIEBEN
-
Februar: Mehrere europäische Zeitungen, darunter «Die Welt» in Deutschland, drucken Karikaturen nach. Syrien ruft seinen Botschafter aus Dänemark ab.
-
Februar: In Syriens Hauptstadt Damaskus setzen Demonstranten ungehindert die norwegische und die dänische Botschaft in Brand.
AUCH SYRIEN HALTE ICH NICHT FÜR ZUFÄLLIG;
Auch die Vertretungen Schwedens und Chiles im selben Haus gehen in Flammen auf. UN-Generalsekretär Kofi Annan ruft Muslime zur Annahme der Entschuldigung von «Jyllands Posten» auf.
- Februar: Wütende Muslime legen Feuer am dänischen Konsulat in der libanesischen Hauptstadt Beirut._
Mit meinen Kommentaren wollte ich dreierlei Dinge zeigen:
- Die Affäre hat sehr wohl nicht erst „verzögert einige Monate danach“ begonnen; es hat lediglich gedauert, bis sie eine weltpolitische Größe erhalten hat
- Aus meiner Sicht kann man eben nicht von „Instrumentalisierung der Massen durch Strippenzieher“ sprechen, sondern eher von einer engen Verzahnung zwischen Masse(n) und Autoritäten, Repräsentanten der Masse(n)
- All diese „Strippenzieher“ haben wohl kaum das „Gesamtprojekt“ im Griff, jeder macht auf SEINER Position das, was von ihm (von Seiten der jeweiligen Masse) erwartet wird.
Aber ich
verstehe nicht wer das ist und was er bezwecken will. Die
Wirkung der aktuellen Aktionen (Botschaften stürmen, Flaggen
verbrennen, etc.) ist für die muslimische Welt doch eher
kontraproduktiv. Selbst Liberale lassen sich dieser Tage zu
anti-muslimischen Statements hinreissen.
Wie eben gesagt, halte ich solche Aktionen weniger für intentionale Produkte, bei denen ein Drahtzieher angeben könnte, welcher Zweck dabei verfolgt würde.
Zum anderen findet man in Reden etwa Ahmadinejads wie dieser:
http://www.oic-oci.org/ex-summit/english/speeches/ir…
wenn man sich durch die vielen religiösen Formeln quält und diese auf ihre Funktion hin befragt, sehr wohl Hinweise auf Zwecke und Zielsetzung.
Gleiches gilt auch für Bin Laden zugeschrieben Texte, oder für Texte des Revolutionsführers Chomeini.
Ob diese Dinge nun „produktiv“ oder „kontraproduktiv“ sind, lässt sich aus meiner Sicht nicht ganz so leicht entscheiden, denn es dürfte FÜR SIE ziemlich irrelevant sein, wozu sich westliche Liberale nun hinreißen lassen, viel weniger relevant jedenfalls als für uns.
Viele Grüße
franz