Mahlzeit!
Danke, hat geschmeckt.
- Dein Geschichtsbild ist :von feindseligen Lügen :bestimmt, mithin von :Selbsthaß.
Mein Geschichtsbild ist von vielerlei Ereignissen geprägt. Da ist zunächst der Ort in SH, in dem ich aufgewachsen bin, mit sehr hohem Anteil an Flüchtlingen insbesondere aus Ostpreußen. Dazu gehört auch ein Zweig meiner Familie. Die Erzählungen über das Leben in der ehemaligen Heimat und über die Flucht begleiteten meine Kindheit. Ich habe auch noch Erinnerung an die vielen Kriegsinvaliden, die früher das Bild prägten und natürlich an die damals ständig wiederholten Erzählungen vom tapfer kämpfenden deutschen Landser. Das prägte wirklich den Alltag. In der Schule seit 1957 wurde die jüngere deutsche Geschichte völlig ausgeblendet und hörte bei Kaiser Wilhelm auf.
Mein heutiges Geschichtsbild prägte sich später als Folge des Interesses für Architektur. Jüngstes Beispiel ist das Haus, in dem ich derzeit lebe. Die Recherche, welcher Architekt das Haus entwarf, führte mich auf die ursprüngliche Nutzung, auf die Eigentümerfamilie sowie deren Nachlaß und Nachkommen, auf Eigentümerwechsel, dicke Stapel zeitgenössischer Zeitungen, Staatsarchive. Das Interesse (immer noch Architektur) führte zu Zeitzeugen und ihrem Fundus und bei der Gelegenheit auch zu vielen Dokumenten links und rechts des ursprünglichen Suchziels. So liefert ein schlichtes Mathematik-Lehrbuch aus den 30ern puren Zeitgeist, wenn dort auszurechnen ist, wieviele Doppelzentner Saatgut man für den Gegenwert der Unterbringung eines Erbgeschädigten kaufen kann. In meinem Besitz befindet sich der komplette Schriftverkehr einer Behörde der Stadt Hamburg mit dem ehemaligen Eigentümer dieses ganzes Dorfes, in dem es um den Verkauf geht, um hier tausende (!) Geistesgestörte unterzubringen. Um es deutlich zu sagen: Es ging hier nicht um Krankenpflege, es war ein Lager. Allein auf der Fläche, die ich heute ganz alleine bewohne (na gut, zusammen mit 2 Katzen), wurden fast 100 Menschen untergebracht. Genau an dem Platz, in diesem Haus, in diesem Raum, von dem aus ich jetzt schreibe! Allein der beschriebene Vorgang liefert zusammen mit viel Persönlichem der Beteiligten und zeitgenössischen Zeitungsberichten bis hin zu Inventarverzeichnissen auf insgesamt vielen hundert vergilbten Seiten ein verdammt genaues Bild der Geschehnisse. Darunter ist viel Alltägliches und Banales, aber das gehört dazu, um sich ein authentisches Bild machen zu können. Und das ist nur ein einziger Vorgang von mehreren, über die ich recherchiere! Wie gesagt, ist Architektur (genauer: Denkmalschutz) mein Hobby und bei der Recherche breiten sich die Vergangenheit und der herrschende Geist aus, als sei ich dabei gewesen.
In meinem Bücherregal steht „Mein Kampf“ (leider keine Originalausgabe) und mir ist das Parteiprogramm der NSDAP bekannt (kannst Du als pdf im Internet herunterladen). Nein, werter Meister aus Deutschland, bei mir liegt kein verzerrtes Geschichtsbild vor, sondern ein detailliert belegtes. Ich bin auf keinerlei nachträgliche Interpretationen und auf kein Eingeflüster angewiesen, ich hab die Originale hier bei mir! Ob vom Mecklenburgischen Staatsministerium an den Herrn Reichstatthalter oder handschriftlich an den Oberbürgermeister der Stadt Hamburg, unterzeichnet mit Heil Hitler Schuldt v. 7. Dez. 1938. Sehr schön auch Behördeninternes mit handschriftlichen Hinweisen, wer zu informieren ist und wer unter keinen Umständen … an den Reichsnährstand, den Landesbauernführer … vom Gauleiter an den Kreisleiter der NSDAP usw… Solche Sachen sucht man im Internet vergeblich, aber in den Staatsarchiven wird man fündig und an Originale kommt man aus Familienbesitz.
Obwohl mein erstes Interesse eher Ziegelformaten, Ausführung von Ortgängen und zeitgenössischer Abschätzung von Tragwerken gilt, komme ich dabei unweigerlich auf das ganze Umfeld von Haftbefehlen, persönlichen Briefen, bis hin zu Ortschroniken, nach jahrelanger Sammelei und „Privatforscherei“ ein recht vollständiges Bild. Jedenfalls im Zeitraum von 1900 bis 1948 so vollständig, daß mich der Verdacht eines „von feindseligen Lügen und Selbsthaß“ verfälschten Geschichtsbilds nicht treffen kann.
Gruß
Wolfgang