Hallo Alex!
Ergo: in diesem Fall kam es nur zum Umsatz, weil ein Preis
günstiger war, die anderen beiden hätten auch ohne diesen
dritten den Umsatz nicht gemacht.
Über Billigangebote können Teile des Handwerks in den
Heimwerkerbereich drängen. Der Effekt dürfte im Rauschen der
Volkswirtschaft verschwinden und führt tendentiell zur Senkung
des Preisniveaus in Teilen des Handwerks. Das ist eine Senkung
zu Lasten der Rentabilität und zu Lasten der Löhne. Außerdem
führte eine Abschaffung des Meisterzwangs in den betroffenen
Handwerkszweigen mindestens in der Tendenz auch zur Senkung
des Qualitätsniveaus. Alles zusammen können wir nach meiner
Einschätzung nicht gebrauchen. Durch immer mehr
Trockenausbauer, Verfuger und Änderungsschneider generieren
wir keinen nennenswerten neuen Bedarf.
Meine Vermutung geht eher dahin, dass mit den neuen Billiganbietern eine Lücke geschlossen werden könnte. Die Abgrenzung wird sowohl über den Preis als auch über die Qualität gehen. Ich kann eben keinen Feinkostladen erwarten, wenn ich bei Aldi einkaufe. Firmen und die öffentliche Hand werden immer bei den Meistern bleiben, aber der talentierte Geselle kann eben seine Lücke finden. Dass das Potential da nicht unbegrenzt ist, versteht sich von selbst, aber ich würde es nicht unterschätzen.
Andererseits bin ich ein Freund von Deregulierungen. Nehmen
wir z. B. das Baugewerbe. Ich halte es für ohne weiteres
vertretbar, bis zu einer bestimmten Geschoßzahl auf jegliches
Genehmigungsverfahren zu verzichten und allein Bauherrn,
Architekten und ausführende Handwerker in die Verantwortung zu
nehmen, daß sie im Einklang mit Bauordnung und Vorschriften
der Gemeinde handeln. Unter der Voraussetzung, daß
sachkundige Leute am Werk sind, ist auf diesem Feld
viel zeit- und geldfressender Verwaltungs- und Behördenaufwand
verzichtbar.
Da bin ich dann eher wieder unentschieden. Schäden treten häufig eben nicht sofort auf sondern nach einigen Jahren. Und auch wenn ich nicht auf uniforme Einfamilienhausvierteln stehe, so muss manchmal eben doch eingegriffen werden, so z. B. hier in Lübeck, um einfach Bausünden zu verhindern.
In den einzelnen Gewerken bleibt den „meisterlosen Gesellen“
ein Niedriglohnbereich, in dem sie mit Heimwerkern
konkurrieren. Das machen dann Leute, die entweder
intellektuell nicht in der Lage sind, eine Meisterprüfung zu
bestehen oder die die Befähigung zur selbständigen Führung
eines Betriebes (= Meisterbrief) für entbehrlich halten.
Beides sind in meinen Augen keine Empfehlungen.
Es gibt vielleicht noch einen dritten Grund. In manchen Bereichen kostet eine Meisterausbildung neben der Zeit (wir reden von vielen Abenden und Samstagen, häufig verbunden mit einer längeren Anfahrt) auch von einem Kostenfaktor von 5-10 TEuro. Und das, bevor jemand selbständig werden kann. Natürlich ist das Wissen um spezielle oder berufsfremde Qualifikationen wichtig, aber kann es die ausschliesliche Möglichkeit sein, zumal in anderen als Handwerksberufen es kein Problem ist. Stell Dir vor, jeder selbständige Computerschrauber müsste einen Meister in der Kommunikationselektronik haben?!
Das Handwerk ist der einzige Bereich unserer Wirtschaft, der
(schon seit Jahrhunderten!) Strukturen schaffte, die von
praktischer Ausbildung, Ausbildungsbefähigung und
Betriebsführung einschließlich aller damit im Zusammenhang
stehender Tätigkeiten alles abdeckt. Diese bewährte Struktur
zu zerstören oder auch nur zu schwächen, um angeblich
Arbeitsplätze zu schaffen, was in diesem Bereich aber in
nennenswertem Umfang gar nicht möglich ist, halte ich für
töricht.
Ich weiss diese Strukuren zu schätzen, aber wo ist die Grenze? Die Modedesignerin darf eigentlich nicht mal ihre eigenen Entwürfe nähen.
Wir brauchen neue Strukturen in neuen Gewerbe- und
Industriezweigen. Wenn dabei nicht mehr lebensfähige
Strukturen verschwinden, ist das unvermeidlich und letztlich
gut so. Aber die Struktur des Handwerks ist durchaus
lebensfähig und sie wandert nicht ab. Welcher Teufel reitet
uns, diese leistungsfähige Struktur nachhaltig zu schädigen,
ohne daß diesem Tun ein adäquater Nutzen gegenüber steht?
Man sollte durchaus die Strukturen aufzeigen und sichtbar unterscheiden. Aber die Möglichkeiten für nicht Meister ganz zu verschließen, halte ich für zu viel. Warum nicht andere Begrenzungen einführen: keine Auszubildenen, dennoch eine Art Ausbildungsabgabe (zugegeben, wieder mehr Bürokratie), regelmäßige Überprüfungen durch die Handwerkskammer oder vermehrte Buchprüfungen, oder sonstige Methoden.
Aus meiner Sicht kann es nicht sein, dass jemand, wenn er mit Waren handelt, keine Probleme hat, eine Gewerbe zu bekommen, wenn er das selbe mit Dienstleistungen macht, einen Meister benötigt? Wenn Regelungen, dann einheitlich.
Oder denk ich mal wieder zu einfach?
Gruß
Alex