Bündnis für Erziehung

Hallo,

es fällt auf (mir), dass sich Deine Texte so lesen, als habe
es vor dem Christentum nur Barbarei gegeben (gut, je nach
Begriffsverständnis ist das auch so :wink:), aber das mag ich nur
schwerlich glauben, schließlich wissen wir, dass zahllose
Ideen, Bräuche, Namen, Gedanken des Christentums schlichtweg
geklaut bzw. übernommen sind und keineswegs so urchristlich,
wie es zunächst scheint.

Darf ich mich selbst zitieren: „Viele der christlich etablierten Werte haben wiederum ihre Urspünge, im besondern im Judentum bzw. im hebräischen Teil der Bibel und bei den Griechen.“
Du scheinst meine Texte nicht zu lesen oder absichtlich mißzuverstehen. Geschichte ist Geschichte ist Geschichte und wenn ich feststelle, dass die letzten 1700 Jahre christliche Ideengeschichte sind, dann hat das absolut nichts mit einer WErtung der Zeit davor, danach oder der Entwicklung in anderen Ländern /Kulturen etc. zu tun.
Wenn ich mich mit islamischer Ideengeschichte beschäftige, versuche, sie differenziert zu sehen und die Bedeutung für heute und andere Ideengeschichten (für das Christentum durch die Vermittlung des Aristoteles überaus wichtig z.B.) zu untersuchen, unterstellst Du mir dann auch, alles davor, danach, daneben irgendwie zu sehen?

Was dazu kommt, ist die Tatsache (auch das wissen wir ja),
dass das, was wir heute unter Christentum und christlichen
Werten verstehen, nur bedingt mit dem zu tun hat, was vor
x+300 Jahren darunter verstanden wurde - auch so ein Punkt.

Deswegen ist ja auch von G-e-s-c-h-i-c-h-t-e die Rede.

Sind das _trotzdem_ urchrsitliche Ideen, und die haben sie
damals nur falsch umgesetzt? Ein bisschen zu einfach, will ich
meinen.

Geschichte! Geschichte! Geschichte! Es geht überhaupt nicht um die Frage, ob etwas falsch oder richtig umegesetzt wurde. Es geht um die Frage der Ebene von Diskursen. Unser Demokratieverständnis unterscheidet sich doch auch von dem zur Zeit der Weimarer Republik oder der der griechischen polis - auch die Demokratie hat ihre Ideengeschichte, es geht auch da nicht um die Frage, wo denn nun das ursprüngliche ist, oder gar bei anderem Einfluss, nur weil es ein anderer ist, darum, ob es dann noch Demokratie ist, sondern auch hier um die Frage nach Diskursebenen.

Christentum IST das, was Christen daraus machen, jeweils zu
genau der Zeit, die man betrachtet.

NIchts anderes würde ich behaupten.

Grüße,
Taju

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Hallo,

ich bezweifle ja nicht den Wert ethischer Normen oder so.
Und mir ist auch bewußt, daß die Kirche in einer orientierungslosen Zeit durchaus eine große bedeutung haben kann.
Mir wäre es dabei zwar lieber, wenn die dabei nicht ganz so konservativ daherkäme - aber das ist nun einmal eine interne Angelegenheiet der Kirchen und da was zu ändern, steht nicht in meiner Macht. Und ich habe einige Bauchschmerzen dabei, wenn ich an das erste Gebot denke. Weil da immer die Gefahr besteht, sich selbst als allein im recht zu sehen und Andersdenkende abzuqualifizieren. Monodeistische Relegionen haben leider dieses Problem fast immer. „Wenn meine Ansicht richtig ist, ist Deine falsch. Und ich komme in den Himmel und bin was besseres als Du.“ DA steckt eine große Gefahr drin was den Umgang mit Andersgläubigen betrifft - und ich kann nur hoffen, daß es da keine Entgleisungen geben wird.

Aber im Moment stört mich viel mehr die Einseitigkeit, mit der unsere Bildungsministerin da agiert, wenn sie nur mit kirchlichen Vertretern diskutieren will. Abgesehen davon davon, daß sie damit einen kernbereich des derzeitigen Problemes gar nicht berührt - die überwiegend muslimischen Kinder der schlecht deutschsprechenden Ausländer, um die es ja u.a.a geht, werden damit eher noch mehr ausgegrenzt als integriert und ihr Widerwillen gegen die Schule wird nur noch größer, wenn man dort noch versucht, ihnen chrsitliche Werte zu vwermitteln, viel schlimmer ist, daß damit viele Ressourcen und Mögliuchkeiten gar nicht genutzt werden, wenn andere leute gar nicht erst einbezigen werden. Und ich glaube nicht, daß das problem durch einfache einführung des Morgengebetes oder so zu lösen ist - hier ist bestimmt keine einfache Antwort möglich und es müssen alle möglichen Ansätze geprüft werden und alle Vorschläge zumindest durchdacht werden.

Und deshalb geht es eigentlich auch weniger um die Rolle der religion, als mehr darum, daß insere Bildungsministerin offenbar mit Scheuklappen durchs Gelände rennt und ihren Aufgaben einfach nicht gewachsen ist.

Gernot Geyer

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Hallo,

es fällt auf (mir), dass sich Deine Texte so lesen, als habe
es vor dem Christentum nur Barbarei gegeben (gut, je nach
Begriffsverständnis ist das auch so :wink:), aber das mag ich nur
schwerlich glauben, schließlich wissen wir, dass zahllose
Ideen, Bräuche, Namen, Gedanken des Christentums schlichtweg
geklaut bzw. übernommen sind und keineswegs so urchristlich,
wie es zunächst scheint.

Darf ich mich selbst zitieren: „Viele der christlich
etablierten Werte haben wiederum ihre Urspünge, im besondern
im Judentum bzw. im hebräischen Teil der Bibel und bei den
Griechen.“

Und im „Heidentum“ und bei den Sumerern und… Naja, da haben wir hier ja schon genug von gelesen. Was ich meine, ist, dass dabei letztlich nicht viel übrig bleibt, was originär christlich ist.

Du scheinst meine Texte nicht zu lesen oder absichtlich
mißzuverstehen.

Hey, locker bleiben, ich greif Dich doch gar nicht an, ich frag nur nach :smile:

Geschichte ist Geschichte ist Geschichte und
wenn ich feststelle, dass die letzten 1700 Jahre christliche
Ideengeschichte sind, dann hat das absolut nichts mit einer
WErtung der Zeit davor, danach oder der Entwicklung in anderen
Ländern /Kulturen etc. zu tun.

Wodurch werden diese 1700 Jahre denn christliche Ideengeschichte? Was ist es, was dem den Stempel „christlich“ aufdrückt?

Was dazu kommt, ist die Tatsache (auch das wissen wir ja),
dass das, was wir heute unter Christentum und christlichen
Werten verstehen, nur bedingt mit dem zu tun hat, was vor
x+300 Jahren darunter verstanden wurde - auch so ein Punkt.

Deswegen ist ja auch von G-e-s-c-h-i-c-h-t-e die Rede.

Sind das _trotzdem_ urchrsitliche Ideen, und die haben sie
damals nur falsch umgesetzt? Ein bisschen zu einfach, will ich
meinen.

Geschichte! Geschichte! Geschichte! Es geht überhaupt nicht um
die Frage, ob etwas falsch oder richtig umegesetzt wurde. Es
geht um die Frage der Ebene von Diskursen. Unser
Demokratieverständnis unterscheidet sich doch auch von dem zur
Zeit der Weimarer Republik oder der der griechischen polis -
auch die Demokratie hat ihre Ideengeschichte, es geht auch da
nicht um die Frage, wo denn nun das ursprüngliche ist, oder
gar bei anderem Einfluss, nur weil es ein anderer ist, darum,
ob es dann noch Demokratie ist, sondern auch hier um die Frage
nach Diskursebenen.

Das habe ich nicht verstanden. Was meinst Du mit Diskursebenen und inwiefern ist das auf diesen Thread bezogen?

Christentum IST das, was Christen daraus machen, jeweils zu
genau der Zeit, die man betrachtet.

NIchts anderes würde ich behaupten.

Es hängt doch hier alles an der Aussage „Unsere Kultur basiert auf christlichen Werten“, um mal auf den Ausgangspunkt zurückzukommen. Wenn wir dazu mal betrachten, dass es alles nur Geschichte, Geschichte, Geschichte ist, dann, ja gerade dann, hat unsere Kultur mit christlichen Werten genau wenig bis gar nichts mehr zu tun.

Da Du mir da vermutlich widersprechen wirst, gleich hinterher die Frage: Welche Werte sind es denn, die christlich sind und auf denen unsere Kultur basiert? Vielleicht kommen wir mit Beispielen weiter als mit abstrakten Begriffen, die für Dich täglich Brot, für andere aber etwas schwer verdaulich sind.

Gruß,

Malte

Liebe Taju,

ich bin sicher, dass wir keine halbe Stunde brauchten, um unsere Übereinstimmung in nahezu allen hier verhandelten Dingen konstatieren zu müssen. Nur in einem Punkt nicht, nämlich darin, dass Fritz niemals nicht kein gutes Haar an keiner kirchlichen Einrichtung lassen wird.

Da geht es mir, wie bei den Argumenten zur Hitlerzeit

  • "Das mit den Juden war natürlich ganz schlecht, aber (und dann die Autobahnen, die Vollbeschäftigung, das Abschütteln des Versailler Vertrages, usw.) … .

  • und zur DDR - "Es war ja nicht alles schlecht, es gab doch die Kindergärten, niedrige Mieten, gesicherte Arbeitsplätze etc. -

und so ist mir auch bei deinem Rückzug auf die Ideengeschichte.

Ja, freilich musste man zuerst auf die Idee kommen, dass alle Menschen gleich sind. Ob das allerdings eine originäre Erfindung des Judentums ist und ob diese Idee im AT und NT und in den darauf aufbauenden Religionen am besten aufbewahrt war, kommt mir weniger plausibel vor.

Freilich hat Herr Luther die „Freiheit eines Christenmenschen“ gefordet, aber der Herr ist durch andere Äußerungen dermaßen desavouiert, dass ich gar nicht weiter über ihn reden mag.

Und wenn ich die Französische Revolution erwähne, kommst auch du mit den historischen Begleiterscheinungen und bleibst nicht „ideengeschichtlich“.

Dann hätte ich gerne einfach mal einen Namen „ohne christliche
Vorzeichen“ für diese Epoche. Viel Erfolg bei der Suche.

Du meine Güte! Ich nähme dieselben Namen wie du und zeigte, dass sie TROTZ ihrer christlichen Herkunft gewaltig am Abbau des Christentums mitarbeiteten.
Allein die Ringparabel macht Lessing antichristlich, weil er den Alleinim-Besitz-der-Wahhrheit-Seins-Anspruch widerlegt.

Kant ist

  • lies doch mal wieder Heines „Zur Geschichte der Religion und Philosophie in Deuschland“, wo Kant über die Französische Revolution gesetzt wird, weil díe bloß einen König köpften, er aber Gott über die Klinge springen ließ; ich hab Tränen gelacht bei der Szene, da der gute Kant seinem Diener Lampe zuliebe, Gott als moralisches Postulat wieder auferstehen ließ - oh ich muss diese Stelle hier einfügen, den Forumsbestimmungen zum Trotz; der Text ist schließlich alt genug, um noch Urheberrechtsverletzungen zu bedingen:

_Ganz konfus machten mich die Mitteilungen aus der Astronomie, womit man damals, in der Aufklärungsperiode, sogar die kleinsten Kinder nicht verschonte, und ich konnte mich nicht genug wundern, daß alle diese tausendmillionen Sterne ebenso große, schöne Erdkugeln seien wie die unsrige, und über all dieses leuchtende Weltengewimmel ein einziger Gott waltete. Einst im Traume, erinnere ich mich, sah ich Gott, ganz oben in der weitesten Ferne. Er schaute vergnüglich zu einem kleinen Himmelsfenster hinaus, ein frommes Greisengesicht mit einem kleinen Judenbärtchen, und er streute eine Menge Saatkörner herab, die, während sie vom Himmel niederfielen, im unendlichen Raume gleichsam aufgingen, eine ungeheure Ausdehnung gewannen, bis sie lauter strahlende, blühende, bevölkerte Welten wurden, jede so groß wie unsere eigne Erdkugel. Ich habe dieses Gesicht nie vergessen können, noch oft im Traume sah ich den heiteren Alten aus seinem kleinen Himmelfenster die Weltensaat herabschütten; ich sah ihn einst sogar mit den Lippen schnalzen, wie unsere Magd, wenn sie den Hühnern ihr Gerstenfutter zuwarf. Ich konnte nur sehen wie die fallenden Saatkörner sich immer zu großen leuchtenden Weltkugeln ausdehnten: aber die etwanigen großen Hühner, die vielleicht irgendwo mit aufgesperrten Schnäbeln lauerten, um mit den hingestreuten Weltkugeln gefüttert zu werden, konnte ich nicht sehen.

Du lächelst, lieber Leser, über die großen Hühner. Diese kindische Ansicht ist aber nicht allzusehr entfernt von der Ansicht der reifsten Deisten. Um von dem außerweltlichen Gott einen Begriff zu geben, haben sich der Orient und der Okzident in kindischen Hyperbeln erschöpft. Mit der Unendlichkeit des Raumes und der Zeit hat sich aber die Phantasie der Deisten vergeblich abgequält. Hier zeigt sich ganz ihre Ohnmacht, die Haltlosigkeit ihrer Weltansicht, ihrer Idee von der Natur Gottes. Es betrübt uns daher wenig, wenn diese Idee zugrunde gerichtet wird. Dieses Leid aber hat ihnen Kant wirklich angetan, indem er ihre Beweisführungen von der Existenz Gottes zerstörte.

Die Rettung des ontologischen Beweises käme dem Deismus gar nicht besonders heilsam zu statten, denn dieser Beweis ist ebenfalls für den Pantheismus zu gebrauchen. Zu näherem Verständnis bemerke ich, daß der ontologische Beweis derjenige ist, den Descartes aufstellt und der schon lange vorher im Mittelalter, durch Anselm von Canterbury, in einer rührenden Gebetform, ausgesprochen worden. ja, man kann sagen, daß der heilige Augustin schon im zweiten Buche „De libero arbitrio“ den ontologischen Beweis aufgestellt hat.

Ich enthalte mich, wie gesagt, aller popularisierenden Erörterung der Kanteschen Polemik gegen jene Beweise. Ich begnüge mich zu versichern, daß der Deismus seitdem im Reiche der spekulativen Vernunft erblichen ist. Diese betrübende Todesnachricht bedarf vielleicht einiger Jahrhunderte, ehe sie sich allgemein verbreitet hat - wir aber haben längst Trauer angelegt. De profundis!

Ihr meint, wir könnten jetzt nach Hause gehn? Bei Leibe! es wird noch ein Stück aufgeführt. Nach der Tragödie kommt die Farce. Immanuel Kant hat bis hier den unerbittlichen Philosophen tragiert, er hat den Himmel gestürmt, er hat die ganze Besatzung über die Klinge springen lassen, der Oberherr der Welt schwimmt unbewiesen in seinem Blute, es gibt jetzt keine Allbarmherzigkeit mehr, keine Vatergüte, keine jenseitige Belohnung für diesseitige Enthaltsamkeit, die Unsterblichkeit der Seele liegt in den letzten Zügen - das röchelt, das stöhnt - und der alte Lampe steht dabei mit seinem Regenschirm unterm Arm, als betrübter Zuschauer und Angstschweiß und Tränen rinnen ihm vom Gesichte. Da erbarmt sich Immanuel Kant und zeigt, daß er nicht bloß ein großer Philosoph, sondern auch ein guter Mensch ist, und er überlegt, und halb gutmütig und halb ironisch spricht er: „Der alte Lampe muß einen Gott haben, sonst kann der arme Mensch nicht glücklich sein - der Mensch soll aber auf der Welt glücklich sein - das sagt die praktische Vernunft - meinetwegen - so mag auch die praktische Vernunft die Existenz Gottes verbürgen.“ In Folge dieses Arguments, unterscheidet Kant zwischen der theoretischen Vernunft und der praktischen Vernunft, und mit dieser, wie mit einem Zauberstäbchen belebte er wieder den Leichnam des Deismus, den die theoretische Vernunft getötet._

aus: Heinrich Heine, Zur Geschichte der Religion und Philosophie in Deutschland, Drittes Buch.

Kant ist der gewaltigste Zermalmer christlicher und theologischer Selbstverständlichkeiten; Heine nennt ihn weiter vorne im Text einen größeren Terroristen als Robbespierre.

Oh ha, sehr interessant. Der Französischen Revolution gestehen wir also eine Geistesgeschichte zu???

Nun, so gut wie den christlichen Scholastikern muss man den Denkern der Französischen Revolution ihr gutes Recht lassen; selbst wenn da auch Abbès oder Abbés dabei waren.

Es gibt einen Unterschied zwischen IDEENGESCHICHTE und INSTITUTIONENGESCHICHTE.

Jo, freilich; aber was ist damit gewonnen? Ich kann die eine nicht von der anderen künstlich trennen.
Die Demokratie ist eine tolle Erfindung der Griechen, wenn ich aber anschaue, was damit im alten Athen angestellt werden konnte, so ist die ideengeschichtliche Erungenschaft der Demokratie mit einem Schwall von Blut und Nachgeburt geboren worden.

Kein Problem, ich erhielt hier schon lächerliche Anschuldigungen.

Du meintest „lächerlichere“?

Nun bleibt eigentlich für mich eine simple Frage:
Gibt es auch für Dich einen Unterschied zwischen Geistes- und Ereignisgeschichte (dazu gehört ja die Institution).

Ja natürlich, aber es hilft halt nicht; ich kann das eine nicht ohne das andere betrachten.

Wenn ja, verstehe ich nicht, warum wir nicht zusammenkommen.

Dazu habe ich schon am Anfang geantwortet.

Wenn nein, verstehe ich nicht, warum die Französische Revolution für Dich absolut positiv ist.

Da hast du etwas in meinen Text hineingelesen. Da wäre nun dir deine Trennung zwischen Ideen- und Ereignisgeschichte unter die Nase zu reiben. *versöhnlichblinzel*

Wenn ja, dann wird vielleicht eine Diskussion auch fruchtbar.

Ich sehe das auch so.

Denn dann könnte sie ohne Anschuldigung verlaufen.

Ich hoffe nicht, dass du meinst ich beschuldige dich etwas anderen als in manchen Dingen befangen zu argumentieren.
So wie du ja auch, die Splitter in meinem Auge genau wahrnimmst. :wink:

Nochmals beste Grüße,
Fritz

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Und noch mal Hallo,

Und im „Heidentum“ und bei den Sumerern und… Naja, da haben
wir hier ja schon genug von gelesen. Was ich meine, ist, dass
dabei letztlich nicht viel übrig bleibt, was originär
christlich ist.

Es geht ja auch nicht um eine „Reinheit“ der Lehre.
Man hat mal von einer „Hellenisierung des Christentums“ gesprochen, andere sprechen lieber von einer „Christianisierung des Hellenismus“.
Ich selbst würde von einer christlichen Ideengeschichte sprechen ab dem Punkt sprechen, ab dem ein Bezugssystem und die Selbstdefinition christlich sind.
Simpel ausgedrückt: Ist das Referenzsystem die Bibel oder Plato? Dabei stehen wir geistesgeschichtlich vor dem Phänomen, dass gerade unsere frühen Christen die Bibel durchaus innerhalb eines platonischen Systems und mit HIlfe der Hermeneutik ihrer Zeit, die eben griechisch-philsophisch und griechisch-rhetorisch war, ausgelegt haben. Dies sind ja nun auch keine überraschenden Systeme.
Originär „christlich“ ist, das habe ich schon gesagt, diese spezifische Symbiose zwischen biblischen Glauben und Hellenismus, eine Idee, die von beiden Seite abgelehnt wurde.
Das christliche Normierungssystem (Dogmen, Bibel, Kirchenrecht) hat dann seine eigene Wirkungsgeschichte gewonnen.

Geschichte ist Geschichte ist Geschichte und
wenn ich feststelle, dass die letzten 1700 Jahre christliche
Ideengeschichte sind, dann hat das absolut nichts mit einer
WErtung der Zeit davor, danach oder der Entwicklung in anderen
Ländern /Kulturen etc. zu tun.

Wodurch werden diese 1700 Jahre denn christliche
Ideengeschichte? Was ist es, was dem den Stempel „christlich“
aufdrückt?

Eben die Referenzsysteme der Diskurse, wenn man z.B. nach einem ethisch guten Leben gefragt hat, so war lange Zeit der Sinn desselben die Frage nach dem (guten) Leben nach dem Tod, wobei dies klar christlich verstanden wurde (das hatte dann nichts mehr mit Judentum, Sumerern, Griechen oder Römern zu tun).

Geschichte! Geschichte! Geschichte! Es geht überhaupt nicht um
die Frage, ob etwas falsch oder richtig umegesetzt wurde. Es
geht um die Frage der Ebene von Diskursen. Unser
Demokratieverständnis unterscheidet sich doch auch von dem zur
Zeit der Weimarer Republik oder der der griechischen polis -
auch die Demokratie hat ihre Ideengeschichte, es geht auch da
nicht um die Frage, wo denn nun das ursprüngliche ist, oder
gar bei anderem Einfluss, nur weil es ein anderer ist, darum,
ob es dann noch Demokratie ist, sondern auch hier um die Frage
nach Diskursebenen.

Das habe ich nicht verstanden. Was meinst Du mit Diskursebenen
und inwiefern ist das auf diesen Thread bezogen?

Darüber würde ich ja auch gerne streiten:wink:
Die Begründung unserer heutigen Werte haben einmal auf der christlichen Diskursebene stattgefunden, sicherlich nicht immer reflektiert. Ein simples Beispiel, denke ich, ist der Gottesbezug unseres GG, der ja auch durchaus in der Gesetzgebung Folgen hatte. Die Väter des GG haben ja auch deswegen den Kirchen eine derart große Bildungsverantwortung (und MAcht) zugeschrieben, weil sie hier - nämlich im christlichen Wertekanon - einen notwendigen Bestandteil der Gesellschaft sehen. Diese Ansicht teilen wir heute nicht mehr, geschweige denn trauen wir den Kirchen die Wertevermittlung noch zu oder wollen sie in dieser Rolle sehen. Das würde ich persönlich durchaus aus einem ideengeschichtlichen Bruch ansehen, den ich deutlich auch erst im 20.Jh. für gegeben sehe.

Es hängt doch hier alles an der Aussage „Unsere Kultur basiert
auf christlichen Werten“, um mal auf den Ausgangspunkt
zurückzukommen. Wenn wir dazu mal betrachten, dass es alles
nur Geschichte, Geschichte, Geschichte ist, dann, ja gerade
dann, hat unsere Kultur mit christlichen Werten genau wenig
bis gar nichts mehr zu tun.

Den Eindruck habe ich auch des öfteren:wink:
Dennoch sind die Begründungszusammenhänge und die Entstehungsgeschichte von Werten in einer Kultur durchaus der Kenntnis wert.
Nehmen wir mal unsere BEgriff von der Gewissensfreiheit, einen Begriff, den wir erstmal Martin Luther zu verdanken haben (der darunter noch etwas ganz anderes verstanden hat). Hier ist eine Entwicklung wichtig, die die für unsere Demokratie wichtige Vorstellung von der Autonomie des Gewissens eines einzelnen ermöglicht hat. Es war also erst einmal wichtig, auf die Idee zu kommen, dass das eigene Gewissen und die Berufung darauf nicht bedeuten muss, ein gottloser Mensch zu sein. Ideen und Gedanken entwickeln sich. Unser heutiges, westliches Verständnis vom Gewissen (und einhergehend unser Vernunftbegriff) stößt aber z.B. bei radikalreligiösen Gruppierungen und deren auch sozialdisziplinierenden Systemen auf Unverständnis. Auf derartige Gruppierungen stoßen wir in jeder mir etwas näher bekannten Religion (auch im Christentum).
Die Freiheit des Gewissens und der WErt menschlicher Vernunft waren aber einmal christlich-religiös (der Mensch als Geschöpf Gottes - und bitte, d.h. nicht, dass eine solche Begründung nicht auch woanders möglich war, aber in Euopa eben „nur“ christlich - bis hin zu Aberkennung dieser gleichberechtigten Geschöpflichkeit bei Andersgläubigen) bzw. transzendent (so Kant) begründet.
Derzeit geben wir beispielsweise die Transzendente Begründung menschlicher Vernunft auf und finden eine empirische Begründung (so z.B. bei der Sterbehilfediskussion).
Eine empirische Begründung der Vernunft würde ich jetzt persönlich für unchristlich halten, aber selbstverständlich kann man sich darauf einigen. Aber manches Chaos in unserer politischen Debatte über das Thema hat damit zu tun, dass sich auch manch ein Sterbehilfegegner sich z.B. den Wurzeln seiner Gegnerschaft nicht bewußt ist und umgekehrt.

Da Du mir da vermutlich widersprechen wirst, gleich hinterher
die Frage: Welche Werte sind es denn, die christlich sind und
auf denen unsere Kultur basiert? Vielleicht kommen wir mit
Beispielen weiter als mit abstrakten Begriffen, die für Dich
täglich Brot, für andere aber etwas schwer verdaulich sind.

Unsere Werte basieren auf einstmals christlich definierten und begründeten Werten. Nimm die Kardinaltugenden (die wir selbstverständlich ursprünglich den Griechen zu verdanken haben) und die nun wahrhaftig einzige ursprünglich christliche Tugend, die Demut (von Christen vergessen und den meisten Menschen mißverstanden).
Die Menschenrechte (man lese z.B. die Amerikanische Unabhängigkeitserklärung)haben sämtlich ursprünglich eine christliche Begründung erfahren, daher werden sie ja auch heute als europäisch-philosophisch kritisiert. Das allgemein Landrecht Preußens mit dem Schutz der Unversehrtheit des Lebens, auch des Ungeborenen, stammt mit dieser Idee ebenfalls aus der christlichen Diskursebene.
Unsere Schwierigkeiten, uns in der heutigen Zeit darauf zu einigen, was denn nun das Leben ist und das Recht auf SChutz hat, hat nun auch etwas damit zu tun, dass der absolut geltende Satz „Schutz des Lebens“ seinem zutiefst christlichen BEgründungszusammenhang enthoben ist. Ganz simpel (und bitte wertfrei aufzufassen): Wären alle noch gute Christen, hätten christliche Begründungszusammenhänge noch die Macht des 18. oder 19.Jh, hätten wir keine Frage, was schützenswertes Leben ist.
Da aber auch der SChutz des Lebens erst einmal hart erkämpft werden musste und wir ihn sicherlich nicht bedingungslos aufgeben wollen, ist hier vielleicht die Erkenntnis, dass er (für Europa) ein zutiefst christlicher Wert ist, vielleicht ein erster SChritt für neue, andere, bessere, plausiblere Plausibilisierungszusammenhänge.

Grüße,
Taju

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Hallo,
Deine Kritik teile ich. Mich ärgert zudem, dass sich (meine) Kirch ein der verzweifelten Suche nach gesellschaftlicher Relevanz bei diesem fragwürdigen Unternehmen vor die Karre spannen lässt (und habe auch dort schon meinen Protest hinterlegt).
Mein erstes Posting in diesem Thread macht doch hoffetnlich klar, dass ich Deine untenstehende Kritik teile, oder?
Grüße,
Taju

ich bezweifle ja nicht den Wert ethischer Normen oder so.
Und mir ist auch bewußt, daß die Kirche in einer
orientierungslosen Zeit durchaus eine große bedeutung haben
kann.
Mir wäre es dabei zwar lieber, wenn die dabei nicht ganz so
konservativ daherkäme - aber das ist nun einmal eine interne
Angelegenheiet der Kirchen und da was zu ändern, steht nicht
in meiner Macht. Und ich habe einige Bauchschmerzen dabei,
wenn ich an das erste Gebot denke. Weil da immer die Gefahr
besteht, sich selbst als allein im recht zu sehen und
Andersdenkende abzuqualifizieren. Monodeistische Relegionen
haben leider dieses Problem fast immer. „Wenn meine Ansicht
richtig ist, ist Deine falsch. Und ich komme in den Himmel und
bin was besseres als Du.“ DA steckt eine große Gefahr drin was
den Umgang mit Andersgläubigen betrifft - und ich kann nur
hoffen, daß es da keine Entgleisungen geben wird.

Aber im Moment stört mich viel mehr die Einseitigkeit, mit der
unsere Bildungsministerin da agiert, wenn sie nur mit
kirchlichen Vertretern diskutieren will. Abgesehen davon
davon, daß sie damit einen kernbereich des derzeitigen
Problemes gar nicht berührt - die überwiegend muslimischen
Kinder der schlecht deutschsprechenden Ausländer, um die es ja
u.a.a geht, werden damit eher noch mehr ausgegrenzt als
integriert und ihr Widerwillen gegen die Schule wird nur noch
größer, wenn man dort noch versucht, ihnen chrsitliche Werte
zu vwermitteln, viel schlimmer ist, daß damit viele Ressourcen
und Mögliuchkeiten gar nicht genutzt werden, wenn andere leute
gar nicht erst einbezigen werden. Und ich glaube nicht, daß
das problem durch einfache einführung des Morgengebetes oder
so zu lösen ist - hier ist bestimmt keine einfache Antwort
möglich und es müssen alle möglichen Ansätze geprüft werden
und alle Vorschläge zumindest durchdacht werden.

Und deshalb geht es eigentlich auch weniger um die Rolle der
religion, als mehr darum, daß insere Bildungsministerin
offenbar mit Scheuklappen durchs Gelände rennt und ihren
Aufgaben einfach nicht gewachsen ist.

Gernot Geyer

Hallo,

Ich selbst würde von einer christlichen Ideengeschichte
sprechen ab dem Punkt sprechen, ab dem ein Bezugssystem und
die Selbstdefinition christlich sind.

okay, soweit verstanden.

Die Begründung unserer heutigen Werte haben einmal auf der
christlichen Diskursebene stattgefunden, sicherlich nicht
immer reflektiert. Ein simples Beispiel, denke ich, ist der
Gottesbezug unseres GG, der ja auch durchaus in der
Gesetzgebung Folgen hatte. Die Väter des GG haben ja auch
deswegen den Kirchen eine derart große Bildungsverantwortung
(und MAcht) zugeschrieben, weil sie hier - nämlich im
christlichen Wertekanon - einen notwendigen Bestandteil der
Gesellschaft sehen. Diese Ansicht teilen wir heute nicht mehr,
geschweige denn trauen wir den Kirchen die Wertevermittlung
noch zu oder wollen sie in dieser Rolle sehen. Das würde ich
persönlich durchaus aus einem ideengeschichtlichen Bruch
ansehen, den ich deutlich auch erst im 20.Jh. für gegeben
sehe.

Gut, das merke ich mir für weiter unten.

Es hängt doch hier alles an der Aussage „Unsere Kultur basiert
auf christlichen Werten“, um mal auf den Ausgangspunkt
zurückzukommen. Wenn wir dazu mal betrachten, dass es alles
nur Geschichte, Geschichte, Geschichte ist, dann, ja gerade
dann, hat unsere Kultur mit christlichen Werten genau wenig
bis gar nichts mehr zu tun.

Den Eindruck habe ich auch des öfteren:wink:
Dennoch sind die Begründungszusammenhänge und die
Entstehungsgeschichte von Werten in einer Kultur durchaus der
Kenntnis wert.

Eine empirische Begründung der Vernunft würde ich jetzt
persönlich für unchristlich halten, aber selbstverständlich
kann man sich darauf einigen. Aber manches Chaos in unserer
politischen Debatte über das Thema hat damit zu tun, dass sich
auch manch ein Sterbehilfegegner sich z.B. den Wurzeln seiner
Gegnerschaft nicht bewußt ist und umgekehrt.

Da aber auch der SChutz des Lebens erst einmal hart erkämpft
werden musste und wir ihn sicherlich nicht bedingungslos
aufgeben wollen, ist hier vielleicht die Erkenntnis, dass er
(für Europa) ein zutiefst christlicher Wert ist, vielleicht
ein erster SChritt für neue, andere, bessere, plausiblere
Plausibilisierungszusammenhänge.

(nb: „plausiblere Plausibilisierungszusammenhänge“ ist ein ganz, ganz fürchterliches Konstrukt :wink:)

Gut, ich habe Dich soweit verstanden, denke ich. Mein Fazit daraus ist bis hierhin, dass „unsere Kultur“ zweifellos „auf christlichen Werten basiert“, die Bedeutung dieser Aussage aber massiv davon abhängt, was man nun konkret als „unsere Kultur“ betrachtet, bzw. auf welchen Zeitraum man sich bezieht. Und diese Grenzen sind beliebig, willkürlich! Haben Goethe und Schiller etwas mit unserer Kultur zu tun? Irgendwie sicher, irgendwie auch gar nicht mehr.

Wir schauen in diesem Thread ja insbesondere auf das Heute und das Morgen, und bei dieser Sicht würde ich spontan zusammenfassen, dass sich „in unserer Kultur“ noch Reste von christlichen Werten finden, nachdem diese in den letzten 30 Jahren insgesamt eher entfernt wurden. Aber können wir heute wirklich noch von einer christlichen Basis sprechen? Mit Blick auf die letzten zehn Jahre Innen- und Außenpolitik und dem, was um mich herum passiert, mein eich: Nicht wirklich.

Die Kirchen scheinen, begründet durch die weltpoltischen Problem, die vermeintlich(!) in einem Konflikt mit dem Islam liegen, ein wenig „ihre Chance“ zu wittern, wieder mitspielen zu dürfen – ob’s gelingt, darf bezweifelt werden. Außerhalb dieses speziellen Konfliktes klappt es offensichtlich nicht, wie Homo-Ehe und §218 bezeugen.

So gesehen ist unsere christlich basierte Kultur nichts als - Geschichte, Geschichte, Geschichte. Aber nicht aktuell.

Gruß,

Malte

Liebe Taju

Das mag stören, ist aber eine schlichte Tatsache. Langsam bin
ich es müde, z.B. auf den grundlegenden Unterschied zwischen
Ideengeschichte und Institutionengeschichte hinzuweisen.

Die dumme Behauptung, die (deutsche) Aufklärung sei ein
antichristliches UNternehmen gewesen, habe ich mir hier schon
einmal die Mühe gemacht zu wiederlegen:
http://www.wer-weiss-was.de/cgi-bin/forum/showarchiv…?

Ich werde mich entschieden dafür einsetzen, den Betrieb des Forums einzustellen. Warum? Nunja, Taju hat doch schon alles erklärt, sie hat aufgrund ihrer neutralen, vom Steuerzahler finanzierten Ausbildung den absoluten Überblick über die gesamte Religionsgeschichte, es gibt nichts mehr zu diskutieren. (Nein, ich möchte hier nicht provozieren, aber was du irgendwal mal gesagt hast, kannst du nicht als bekannt voraussetzen, und du kannst trotz mehrfacher Wiederholungen deiner Meinung nicht erwarten, dass alle deiner Meinung folgen)

Aber mal im Ernst: Wer weiß, vielleicht hast du ansatzweise sogar Recht mit deinen Aussagen. Zur aktuellen Diskussion tragen sie aber kaum bei. Es geht darum, dass auf die aktuelle Erziehungsmisere (wenn es denn eine gibt) mit dem Argument geantwortet wird, man müsse wieder christliche Werte vermitteln.

Eines ist doch klar, die christliche Religion steckt voller Widersprüche, wie andere Religionen auch. Nimm mal die schon angesprochenen Themen wie Gleichberechtigung von Mann und Frau oder Homosexualität. Wo sind hier die klaren Vorgaben der christlichen Lehre? In der Bibel wird Homosexualität eindeutig als Sünde klassifiziert. Welche Werte sollen denn den Schülern vermittelt werden?

Deine Behauptung, unser Wertesystem sei christlich geprägt wird doch von der eigenen Geschichte völlig widerlegt. Du machst da einen Unterschied zwischen verschiedenen Geschichtsarten (?). Für mich ist Geschichte das, was tatsächlich geschehen ist. An der Kriminalgeschichte des Christentums arbeitet Karlheinz Deschner seit Jahrzehnten, es sind bislang 8 dicke Bände erschienen! Und das meiste oder fast alles darin sind schlicht Tatsachen. Wie kann eine Religion mit dieser Geschichte Basis für den Schulunterricht sein? Durch deine schwer zu lesenden, langen Beiträge versuchst du dieser einfachen Frage auszuweichen, behaupte ich einfach mal.

Viele Grüße

Axel

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noch ein Artikel:
http://www.faz.net/s/Rub7AD308D52BA44B0997201EF761CA…

Hier wird auf die nicht religiös erzogenen Leute aus der EX-DDR hingewiesen, die hier auch nicht berücksichtigt sind, was ich bisher auch noch nicht klar sah.

By the way: Wie sah denn die Wertevermittlung in der DDR aus?
Da gab es doch auch so „pseudo-religiöse“ Jugendarbeit?
Und die Jugendweihe als säkularisierte Konfirmation, oder?

Ich weiß dazu zu wenig.

Müsste man demnach nicht auch Vertreter der marxistischen …, aber da stocke ich schon wieder.

Gruß Fritz

By the way: Wie sah denn die Wertevermittlung in der DDR aus?
Da gab es doch auch so „pseudo-religiöse“ Jugendarbeit?
Und die Jugendweihe als säkularisierte Konfirmation, oder?

Das Hauptmerkmal der marxistischen Gesellschaft, war wohl das fast völlige Fehlen von Besitzdenken. Alles gehörte Allen. Wenn auch nur auf dem Papier. Aber das genügte. Das ist auch eine etwas abgeänderte religiöse Idee. Das reichte völlig als Ersatzreligion aus.

Die Isha Upanischade erklärt: „Alles dies ist für die Bewohnung des Herrn.“

Das schließt persönlichen Besitz aus und setzt stattdessen eine höhere Idee, als ideellen Besitzer ein, ohne das die Person selbst dabei auf Besitz gänzlich zu verzichten hat.

Ich hoffe ich konnte mich deutlich ausdrücken.:smile:

gruß
rolf

Da waren schon einige gute Werte dabei,

aktive Gleichstellung von Mann und Frau …etc…, Solidarität (ganz gross geschrieben)

und einige schlechte…

fehlende Meinungsfreiheit, Reisefreiheit

Eencockniedo

noch ein Artikel:
http://www.faz.net/s/Rub7AD308D52BA44B0997201EF761CA…

Hier wird auf die nicht religiös erzogenen Leute aus der
EX-DDR hingewiesen, die hier auch nicht berücksichtigt sind,
was ich bisher auch noch nicht klar sah.

By the way: Wie sah denn die Wertevermittlung in der DDR aus?
Da gab es doch auch so „pseudo-religiöse“ Jugendarbeit?
Und die Jugendweihe als säkularisierte Konfirmation, oder?

Ich weiß dazu zu wenig.

Ich glaube, man kann froh sein, wenn man da zu wenig weiß. Ich habe vor kurzem ja nach alten Arbeiterliedern gefragt (im Brett Musikrecherche), und eine Freundin von mir - gerade noch das ganze Spiel mitgemacht habend - konnte sie alle mitsingen. Nicht, dass das jetzt was Schlimmes wäre, aber was sie dazu so erzählt hat… Wertevermittlung an Jugendliche in der DDR ist scheinbar ein ganz, ganz dunkles Kapitel.

Gruß,

Malte

Da waren schon einige gute Werte dabei,

aktive Gleichstellung von Mann und Frau …etc…, Solidarität
(ganz gross geschrieben)

Mit Solidarität meinst Du so Geschichten wie die Internationalen Brigaden im Spanischen Bürgerkrieg, in denen die eigenen Leute(!), also überzeugte Sozialisten oder zumindest Antifaschisten, von Stalinisten einfach so gemeuchelmordet wurden, ja? Das mit der Solidarität kannste haken.

Gruß,

Malte

Also, einen Hauch von Wächterrat hat es schon irgendwie :wink:

Gruß,

Malte

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Hallo,

die DDFR orientierte dsich in der Erziehung stark an der humanistischen Aufklärung. Wir haben z.B. Lessings „Nathan der Weise“ behandelt mit der Ringparabel als Beispiel für religöse Toleranz. Ich habe nach der Wende festgestellt, daß unser Allgemeinwissen, was die Klassiker der deutschen Literatur betrifft, z.T., wesentlich besser war als bei den Westdeutschen. Faust I z.B. war in der 10. Klasse pflicshtstoff - und zu Untermauerung (es gab ja einheitliche Lehrpläne) hat das fernsehen der DDR dann immer die Aufzeichnung der Theatervorführung ausgestrahlt, das war dann Pflicht für die Schüler, die anzusehen.
Da wurde schon himanistisches Gedankengut vermittelt und auch die entsprechenden Wertvorstellungen.
Zu Ulbrichts zeiten gab es übrigens auch mal die 10 Gesetze der sozialistischen Moral - später kam das als zu dogmatisch aus der Mode.
Aber das war die zeit, ind er fürs fremdgehen alles Ernstes Parteistrafen verhängt wurden bei genossen - diese hatten auch moralisch untadelig zu sein.
Die allseitig entwickelte sozialistische Persönlichkeit sollrte ja nicht nur den Marismus studiert haben. Den zwar auch (und zwar sehr gründlich) aber das allseitig bezig sich durchaus auch auf andere Wissensgebiete. Und so wurden im Abiturstoff in Literatur halt nicht nur „Neuland unterm Pflug“ von Scholochow behandelt (wobei ich den sehr interesaant finde, auch in bezug auf die Handlungsweisen und Überzeugungen der dargestellten Charaktere) sondern auch „Antigone“ von Sophokles (da drüber habe ich meine schriftliche Abiprüfung in Deutsch gemacht), „Iphigenie auf Tauris“ von Goehte und „Macbeth“ von Shakespeare (davon ist am wenigsten hängengeblieben). Und die glorreichen zeiten, in denen man unliebsame Fächer abkehnen konnte, die waren damals noch nicht - die brachte erst die vereiigung. Wir mußten also - ob wir wollten oder nicht.
Übrigensd waren meine Deutschkleher keine Kommunisten - die waren immer in anderen Parteien. Und der in der 10. hatte sogar den Mut, mit uns das Deutschlandlied komplett zu behandeln - einschließlich seiner Entstehung und der ursprünglich progressiven Rolle des Liedes, weil wir gefragt hatten, wieso ein an sich revolutionärer Dichter wie Fallersleben so was geschrieben hat.

Gernot Geyer

Also, einen Hauch von Wächterrat hat es schon irgendwie :wink:

Wenn die im Iran auch nur ein bißchen wie UvdL wären, hätte ich schon lange die Koffer gepackt. Die Lady gefällt mir nämlich im Gesamtauftritt.

Hallo,

Du verwechselst da zwei Dinge.
Die Frage ist doch nicht, was damals zu Stalins Zeiten passiert ist, sondern was wir darüber erfuhren. Und da kam beim Kapitel Spanien erst einmal nur die Frage der Hilfe dür die spanische Republik durch die internationalen Brigaden vor - und tapfer gekämpft haben die ja wohl wirklich.
Und natürlich waren die Bürger der DDr auch in gewisser Weise stolz auf das, was sie seid 45 aufgebaut hatten. Das war ihrer Hände Arbeit. Und dazu gehörten dann auch die sogenannten Großbauten des Sozialismus und die FDJ-Initiativen. Daß man deswegen noch lange nicht mit der politischen Führung einverstanden sein mußte, ist ne ganz andere Geschichte.
Im Übrigen: Die ollen Lieder habe ich auch gelkernt und kann sie auch noch. Wieso denn nicht? Die geschichte Deutschlands ist schließlich auch die Geschichte ihrer Arbeiterbewegung. Was also soll daran verwerflich sein?

Gernot Geyer

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Klassiker evtl off topic
Hallo,

Ich habe nach der Wende festgestellt, daß unser Allgemeinwissen, was die Klassiker der deutschen Literatur betrifft, z.T., wesentlich besser war als bei den Westdeutschen.

Das glaube ich sofort; das muss schon an den einfach viel besseren Klassikerausgaben des Aufbau Verlags gelegen haben.
Ich habe alle meine Klassiker von dort.
Man musste nur in den Anmerkungen das allzu Marxistisch-Leninistische weglassen. :wink:

Aber hattet ihr auch Zugang zu - sagen wir mal - Nietzsche oder Stifter oder Musil und die anderen „bürgerlichen Formalisten“ in die Finger?

Faust I z. B. war in der 10. Klasse Pflichtstoff

Na, das war hier auch so. Beliebtes Abitursthema: „Goethes Konzeption des Theater an Hand des ‚Vorspiels auf dem Theater‘“!

  • und zu Untermauerung (es gab ja einheitliche Lehrpläne) hat das Fernsehen der DDR dann immer die Aufzeichnung der Theatervorführung ausgestrahlt, das war dann Pflicht für die Schüler, die anzusehen.

Das muss toll gewesen sein. Ich habe erst Jahre später den Hamburger Faust im Kino gesehen, ehe ich dann Vidorecorder und die Kassette bekam.

Also doch was Guten in und an der DDR

Gruß Fritz

Gleich vor Gott
Hier muss ich, da ichs grad so lese, noch was anhängen.

Ja, freilich musste man zuerst auf die Idee kommen, dass alle Menschen gleich sind. Ob das allerdings eine originäre Erfindung des Judentums ist und ob diese Idee im AT und NT und in den darauf aufbauenden Religionen am besten aufbewahrt war, kommt mir weniger plausibel vor.

Die Gleichheit der Menschen besteht vor allem darin - ich zitiere aus dem Römerbrief:

Denn wir haben vorher die Anklage erhoben, dass alle, Juden, wie Griechen, unter der Herrschaft der Sünde stehen, wie es in der Schrift heißt: ‚Es gibt keinen, der gerecht ist, auch nicht einen; es gibt keinen Verständigen, keinen, der Gott sucht. Alle sind abtrünnig geworden, alle miteinander taugen nichts. Keiner tut etwas Gutes, auch nicht ein einziger. Ihre Kehle ist ein offenes Grab, mit ihrer Zunge betrügen sie; Schlangengift ist auf ihren Lippen, ihr Mind ist voll Fluch und Gehässigkeit‘ … Röm. 3, 9-14

Zwischen ’ und ’ stehen Zitate aus dem AT.

Und Augustinus tutet ins selbe Horn: „Alle Menschen sind eine Sündenmasse, eine Masse der Verdammnis, die unmündigen Kinder nicht ausgenommen“ de diversis quaestionibus … I, 2, 16.

Der katholische Theologe Herbert Haag, den ich einige Jahre das Vergnügen hatte zu hören, der auch ein bemerkenswertes Buch über den Teufel schrieb, deshalb auch der „Teufels-Haag“ genannt wurde, führt weiter aus:

„Der Mensch ist völlig hilflso und ohnmächtig, er erstickt in Schuld und Sünde, wenn Gottes Gnade ihn nicht rettet. Aber Gottes Gnade rettet nur den, den er retten will. Sein Beschluss ist unwiderruftlich. Er berücksichtigt weder ein Verdienst des Menschen noch eine gute Absicht, noch irgendeine Initiative. Unberechenbar und willkürlich greift er in die Menge der sündigen Menschen. Immer wieder betont Augustinus: 'Aus Gerechtigkeit sind alle verdammt, aus Barmherzigkeit einige erwählt …“ Haag, Vor dem Bösen ratlos? S. 139.

DAS ist die Gleichheit der Menschen vor Gott, wie sie die Bibel und das Christentum - hier mit Einschränkungen natürlich; die Katholen sind netter zu den Sündern; man kann da beichten und Ablässe kaufen; schlimmer die Prädestinationslehrer jeglicher Couleur - lehrt.

Fritz

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Hallo,

Was also soll daran verwerflich sein?

verwerflich daran ist, dass es alles nur Betrug war. Das man geflissentlich verschwiegen hat, dass Genosse Stalin die tapferen Arbeiter abgemurkst hat, ganz unsolidarisch. Und die FDJ-Sängertreffen (wie auch immer die benamst wurden) hatten doch wohl auch mehr mit Gehirnwäsche als mit Solidarität zu tun - oder nicht (ernstgemeint, ich war ja nicht dabei)?

Ich kann mir gut vorstellen, dass das damals von der Jugend nicht so wahrgenommen wurde, ähnlich wie ich ja auch grad kürzlich behauptet habe, dass ich die christliche Indoktrination in meiner Jugend nicht als solche wahrgenommen habe. Trotzdem, von den paar wenigen Erzählungen her, die ich von Zeitzeugen höre, war das schon ne andere Liga in der SBZ :wink:

Gruß,

Malte

Gruß

Malte