Lieber Tom!
Ich glaube, zwischen uns besteht eigentlich kein großer Dissens in dieser Frage, insofern nur noch ein paar Klarstellungen.
Auch aus meiner Sicht steht die politische Dimension der RAF
ausser Frage, insofern kann ich Dir voll zustimmen. Ich glaube
sogar, dass hier ein Konsens innerhalb der Gesellschaft
besteht. Selbst das bürgeliche Lager, das in der
Öffentlichkeit stets die Taten als „normale Morde“ bezeichnet
und sich peinlichst bemüht den ideologischen Hintergrund
auszublenden bzw. zu ignorieren hat doch durch eine Reihe von
Sondergesetzen dafür gesorgt, dass ein RAF Terrorist eben
nicht als normaler Mörder einsitzt.
Das ist richtig, ich wollte auch nicht behaupten, dass das ‚bürgerliche Lager‘ völlig einheitlich wäre, und ohne jede Gegentendenz die politisch-ideologischen Hintergründe völlig ausblendet, aber als Leitlinie tat und tut es dies m.E. schon:
Kay Nehms sinngemäßes Diktum „Keine Amnestie für Mord“ bringt dies perfekt auf den Punkt:
http://www.focus.de/politik/deutschland/deutschland-…
Der Begriff „Amnestie“ ist ein genuin politischer, der Begriff „Mord“ (als juristischer Begriff) ein genuin unpolitischer.
Und in dieser ‚bürgerlichen‘ Interpretation der RAF sticht eben das Unpolitische dann letzlich doch das Politische.
Selbst wenn die Tat an sich politisch war, so hat sie auch
eine menschliche Dimension.
Klar, jede politische Tat hat eine menschliche Dimension.
Darüber hinaus darf bezweifelt dass alle Taten der RAF auf dem
Fundament revolutionärer Ideologie begangen wurden. Baader
z.B. bedrohte in Stammheim beinahe täglich Vollzugsbeamte mit
dem Tod wenn er genervt war oder sich ungerecht behandelt
fühlte.
Ja, schon, auch richtig, Baader war auch zuvor ein Kleinkrimineller in den 60er Jahren, hatte vielleicht schwule Neigungen, war hypomanisch strukturiert, klaute wie ein Rabe, was weiß ich noch alles …
Aber was hat es mit der politischen Dimension zu tun, dass die Taten nicht nur auf reiner Ideologie beruhten, sondern darüber hinaus auch auf psychischen Dispositionen?
Dieses Argumentationsmuster ist so in etwas das, was ich als den ‚bürgerlichen‘ Umgang mit der RAF bezeichne.
Der Perspektivenwechsel vom Politischen zum Psychologischen wird nicht als auch eingesetzt, sondern als aber, als Schmälerung.
Um es aktuell mit Herrn Haider zu vergleichen. Sein Tun beruhte im Vergleich sogar zu Baader auf fast gar keiner Ideologie, er litt vermutlich unter bipolaren Störungen, litt unter seiner unterdrückten homosexuellen Neigung, konnte sich nie richtig von den Eltern distanzieren usw.
Trotz alledem gilt all sein öffentliches Tun völlig zu Recht als ohne Zweifel politisch und nicht als, was weiß ich, ausagierter Mutterkomplex, was es aus psychologischer Perspektive selbstverständlich auch ist.
Dennoch müssen
auch die Opfer zu Wort kommen und klar machen, dass an einem
Generalbundesanwalt eben auch liebende Menschen hängen, die
den Rest des Lebens mit dem Schicksal zu kämpfen haben den
geliebten Ehemann oder Vater durch Gewalt verloren zu haben.
Sicher richtig, ich wollte auch nicht grundsätzlich sagen, dass diese nicht zu Wort kommen sollten. Es geht mir um das Wann, in welchem Zusammenhang, mit welcher diskursiven Funktion sie in Berichten und Interviews auftauchen.
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