Hallo,
bei uns wird gerade über den DigitalPakt gejubelt und das geschenkte Geld verplant. Immerhin hat man bei aller Freude daran gedacht, den Stadtrat darauf hinzuweisen, daß es mit der Anschaffung der Geräte nicht getan ist und die viel höheren Folgekosten für neue Geräte nach Ablauf des Lebenszyklus’ auch berücksichtigt werden sollten, die dann natürlich nicht vom Land bzw. Bund übernommen werden.
Das, was Du über die Praxis schreibst, kann ich nur bestätigen. Ein neues Medium macht nicht zwangsläufig besseren Unterricht. Natürlich ist ein Whiteboard flexibler als eine kopierte und verteilte Vorlage, aber diese Flexibilität muß man auch nutzen und nicht dadurch, daß man die früher kopierte Vorlage einfach einscannt und an die Wand wirft. Klar, das mag mal irgendwann besser werden, wenn die ein oder andere Generation an Lehrern ins Land gegangen ist, aber dennoch ist mir nicht klar, wieso man Chemie oder Geographie besser oder schneller lernen sollte, nur weil man nicht mehr aus Büchern oder von Folien lernt, sondern mit an die Wand projizierten Grafiken aus dem Computer, oder nun an jedem Platz ein Wasser- und Gashahn verfügbar ist anstatt an jeder Viererbank. Ein Lehrer kann sich weder fünfteilen noch zwanzigteilen, aber wenn er nach und nach bei jeder Vierergruppe etwas erklärt, die gerade experimentiert, bleibt sicherlich mehr hängen, als wenn er sich zu jedem einzelnen Schüler stellen muß, weil ja nun nicht mehr in Gruppen, sondern allein experimentiert werden kann (hat jetzt nichts mit „digital“ zu tun, sondern fällt mir nur gerade ein, weil man hier neulich den Umbau der Chemieräume gefeiert hat. Nun wird man wahrscheinlich bald merken, daß man gar nicht genug Brenner, Schälchen und Spatel hat, um die Schüler alle allein experimentieren zu lassen…).
Auf Seiten der Schüler ändert sich durch Digitalisierung zunächst auch nur marginal etwas. Schüler müssen überhaupt erst einmal lernen, wie man recherchiert und die recherchierten Informationen bewertet und verwendet. Das kann man sowohl mit Büchern als auch mit Suchmaschinen lernen, nur daß letztere den Nachteil haben, daß die Suchergebnisse nicht zwangsläufig redigiert und für richtig befunden wurden, bevor sie online gestellt wurden. Insofern ist bei der ganzen Internet-/Digitaleuphorie zu berücksichtigen, daß die Sache zunächst einmal aufwendiger wird und nicht einfacher, weil man den Kindern überhaupt erst einmal beibringen muß, woran man eine seriöse Quelle erkennt (was m.E. sowieso nur funktioniert, wenn man ein großes Grundwissen hat und einem deswegen auffällt, wenn mal etwas komisch klingt, was auch der Grund dafür ist, daß wir hier seit drei Jahren praktisch jeden Abend ein Kalenderblatt aus „Warum wackelt Wackelpudding“ lesen, was ich dann noch zusätzlich mit Erläuterungen untermale.).
Unser Landkreis hat hierzu ein Projekt gestartet - ein Bus, der die jeweilige Schule wöchentlich für ein paar Stunden besucht und für die Projektteilnehmer davon eine gute Stunde in Sachen Medien, Computer und Medienkompetenz „schult“. Die Möglichkeit zur Teilnahme haben pro Halbjahr zehn Schüler der Stufe (wenn ich mich recht entsinne - es können auch acht oder zwölf sein). Und das in einer Grundschule, die um die 350 Schüler hat.
Wie auch immer: was ich eigentlich sagen wollte, ist, daß es „wir machen digital“ und viel Geld nicht getan ist. Damit das ganze mehr bringt, als die Kinder auch noch in der Schule tippen und wischen zu lassen, muß man den Kindern erst einmal grundsätzliches beibringen und es bedarf dringend der Überlegung, was man mit „digital“ überhaupt anfangen will. Digitale Ausrüstung ist sicherlich gut, wenn man sich als Gruppe mit einem Projekt mit ungewissem Ausgang befaßt, aber ob Whiteboard und Beamer wirklich so viel bringen, wenn man sich mit lateinischen Vokabeln oder den Flüssen in Europa befaßt, wage ich zu bezweifeln.
Gruß
C.