Coronavirus: Wie groß ist die Dunkelziffer

Liebe Community,

Gedanken zur Dunkelziffer : Wie viele Menschen sind/waren in Deutschland bereits an COVID-19 erkrankt?

Dieser Teil-Thread war Teil eines anderen Threads. Um die Übersicht zu bewahren bekommt der Teilstrang hier einen eigenen Thread.

Anknüpfungs- bzw. Startpunkt für den folgenden Thread ist dieses Zitat:

Woher hast du diese Einschätzung?

Kann man rechnen und ableiten.

Die Leute, die heute krank sind, sterben zu x% in ca. zwei Wochen. Je niedriger x% ist, desto höher ist die Zahl der Infizierten vor zwei Wochen. Je niedriger die Sterberate, desto höher die Zahl derjenigen, die krank sein müssen, damit zwei Wochen später eine definierte Zahl von Toten herauskommt.

Ich habe, wenn ich mich recht entsinne, mit einer Mortalität von 0,5% gerechnet, was eine Zahl war, die mal als relativ belastbar für eine Industrienation genannt wurde, die viel testet. Aber selbst, wenn man eine Mortalität von 1% zugrunde legt, heißt das, daß vor ungefähr zwei Wochen 56.000 Menschen infiziert waren. Da lag die offiziellen Zahl der Infizierten bei knapp 2.400.

Wer hatte denn diese Zahl als relativ belastbar genannt?
Und wieso genau ist die abhängig davon, ob viel getestet wird? Das ist doch deshalb, weil dann die Dunkelziffer nicht so hoch ist.

Ich weiß nicht, wie es vor einer oder mehr Wochen war, aber gerade jetzt liegt die Mortalitätsrate gegenüber der offiziellen Infiziertenzahl bei ca 0,9 %.
560 : 640 = 0,875

Oder?

Ach so, weil die erst zwei Wochen später sterben? War das denn so gemeint von demjenigen, der die o.g. Zahl als relativ belastbar genannt hat?

Wenn ja, wie kommt er darauf? Woher hat er seine Zahlen?

Ich glaube, es war Wieler, aber die genaue Zahl ist auch nicht relevant.

Wenn man über eine Zeitreihe der Verstorbenen verfügt, über eine realistische Annahme der Mortalitätsrate und die Dauer zwischen Infektion und Tod, dann kann man zurückrechnen, wie viele Personen zu einem bestimmten Zeitpunkt schon erkrankt waren und angesichts aller Unwägbarkeiten ist das Ergebnis immer noch mehr eine Schätzung als ein tatsächlicher Wert.

Hinzu kommt, daß wir in Deutschland noch relativ privilegiert sind, was die erkrankten Alters- bzw. Bevölkerungsgruppen betrifft. Bei uns waren es vor allem junge Menschen, die das Virus aus den Skigebieten mitgebracht und verteilt haben. Ganz im Gegensatz zu Italien, wo schnell auch eine große Zahl von alten Menschen infiziert wurde - u.a. auch deshalb, weil Italien sehr spät mit dem Testen begann.

Aus dem Grund ist ein Wert von derzeit 0,5% auch realistisch, wenngleich der natürlich ansteigen wird. Aber auch wenn man mit 1% rechnet, führt das zwangsläufig zu dem Ergebnis, daß in Deutschland vor zwei Wochen die Zahl der Infizierten zigfach so hoch war wie es die offiziellen Zahlen hergeben. Was im übrigen auch keine Kritik an den Zahlen oder den Behörden sein soll. Angeben kann man nun einmal nur die Zahl der positiv getesteten Personen.

Interessant ist die Höhe der Dunkelziffer trotzdem, weil man ja auch daran interessiert ist, daß große Teile der Bevölkerung infiziert und damit zumindest für eine Zeitlang immun sind. Deswegen werden wir ja auch nicht komplett weggesperrt, sondern es werden geringe Kontaktzahlen zugelassen, damit das Virus sich weiter verbreiten kann.

Ziel der Maßnahmen ist insofern nicht, das Virus auszurotten oder die Infektionsrate auf null zu bekommen, sondern die Bevölkerung ganz allmählich zu durchseuchen - allmählich in dem Sinne, daß das Gesundheitssystem nicht überlastet wird. Die hohen Todesraten in Spanien und Italien gehen ja auch (!) genau darauf zurück: wenn ich 20 Kranke habe, von denen ich 15 nicht beatmen kann, weil die Geräte fehlen, dann sterben 3/4 der in dem Moment zur Debatte stehenden Kranken. Das treibt die Sterblichkeit natürlich massiv nach oben.

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Die Frage ist aber doch, 0,5 % von was?
Die Wissenschaftler haben doch auch keine anderen Zahlen als wir, detaillierter vielleicht, aber doch keine grundsätzlich anderen.
Und eben, weil die Zahl von ca. 0,5 % immer genannt wird, nehme ich an, dass sie einfach die aktuelle Zahl von sämtlichen Infizierten der aktuellen Zahl von sämtlichen Todesfällen gegenüberstellen, weil das in etwa hinkommt.

Vielleicht beziehen die Virologen noch viel mehr Daten ein, wer genau wann gestorben ist und wer genau wann getestet wurde und kommen damit zu einem ähnlichen Ergebnis. Das ändert aber doch nichts daran, dass da etwas nicht stimmen kann, wenn man zurückrechnet und zu einem völlig anderen Ergebnis als den offiziellen Zahlen kommt.

Ich habe jedenfalls noch nichts davon gehört, dass die Wissenschaftler in Deutschland eine Dunkelziffer vermuten, die 60 mal so hoch sein soll wie die offiziellen Zahlen.

Mal ganz losgelöst von den 0,5%: ich denke, wir sind uns einig darüber, daß es in Deutschland bisher mindestens 645 Tote gegeben hat. Groß darüber streiten, daß zwischen Infektion und Tod so um die zwei Wochen ins Land gehen (mir bekannter Wert: 17,1 Tage), brauchen wir wohl auch nicht. D.h. die Leute, die dieser Tage starben, infizierten sich vor zwei Wochen - also um den 15.3. herum - und die, die vorher verstarben, infizierten sich entsprechend früher. So, und nun nehmen wir die 645 Toten und überlegen uns, wie hoch die Sterberate gewesen sein könnte - insbesondere vor dem Hintergrund, daß sich bei uns anfänglich vor allem junge Menschen infizierten.

Ich gebe mal ein paar Sterberaten vor und Du kannst Dir dann überlegen, welche realistisch ist. In der zweiten Spalte dahinter findest Du die Zahl der Infizierten, die sich rechnerisch aus der Sterberate und der Zahl der bis heute verstorbenen Menschen ergibt.
10% 6.450
5% 12.900
1% 64.500
0,5% 129.000

Positiv getestet waren am 15. März 5.426 Personen, am 13 März (30.3 - 17 Tage) 3.062.

Wie, ich kann mir überlegen, welche Zahl realistisch ist?
Das kann ich mir nicht überlegen. Ich bin da angewiesen auf die veröffentlichten Zahlen.

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Du kannst Dir nicht überlegen, ob wir im internationalen Vergleich eine eher niedrige oder hohe Sterberate haben? Im Vergleich zu Ländern, die deutlich weniger und deutlich später getestet haben als wir, die ein schlechteres Gesundheitssystem haben mit z.B. einem Drittel der bei uns je Einwohner verfügbaren Intensivbetten mit Beatmungsgerät, eine ältere Bevölkerung haben als wir und mehr alte Menschen in gemeinsamen Haushalten mit anderen Generationen?

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Das schon, aber darum ging es doch gar nicht.

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Ich plädiere dafür oder drunter.
Was bedeuten würde, dass es eine erheblich größere Dunkelziffer gibt, als angenommen, und was auch bedeuten würde, dass wir uns gerade in einer Panikepidemie befinden.

Zitat daraus ( der ganze Artikel lohnt sich gelesen und verstanden zu werden):

"Nach den Real-Time-Angaben des Center for Systems Science and Engineering der Johns Hopkins Universität gab es zum 19.3.2020 218.824 durch den PCR-Schnelltest gesicherte Infektionen und 8.810 Todesfälle [3,4]. Dies entspräche einer CFR bzw. Letalität von 4,0%. Diese Zahl ist jedoch durch mehrere Fehler behaftet:

  • Da COVID-19 in der Mehrzahl der Fälle mit milden Erkältungssymptomen oder gar symptomfrei verläuft, werden mit großer Wahrscheinlichkeit nicht alle tatsächlich aufgetretenen Infektions­fälle erfasst, Todesfälle jedoch nahezu vollständig. Dies führt zu einer Überschätzung der CFR. Nach einer Studie mit 565 Japanern, die aus Wuhan evakuiert worden waren und alle getestet wurden (unabhängig vom Vorliegen von Symptomen) werden durch die derzeit praktizierte symptomorientierte COVID-19-Überwachung nur 9,2% der Infizierten entdeckt [5]. Das würde bedeuten, dass die Zahl der Infizierten voraussichtlich etwa 10-mal größer ist als die Zahl der erfassten Erkrankungen. Die CFR wäre dann nur etwa ein 10tel der aktuell gemessenen. Andere gehen von einer noch höheren Dunkelziffer aus, wodurch sich die CFR weiter senken würde.

  • Die Verfügbarkeit der SARS-CoV-2-Tests war und ist nicht überall gegeben. So ist beispielsweise in den USA erst seit 11.3.2020 eine ausreichende, staatlich finanzierte Testmöglichkeit für alle Verdachtsfälle vorhanden [6]. Auch in Deutschland bestanden teilweise Engpässe, die zu einer Überschätzung der CFR beitragen.

  • Mit zunehmender Verbreitung der Erkrankung wird es immer schwieriger, eine vermutete Infektionsquelle auszumachen. Dies führt dazu, dass banale Erkältungen nicht unbedingt mit COVID-19 in Verbindung gebracht werden und Betroffene deshalb gar nicht zum Arzt gehen.

  • Zu einer Überschätzung der CFR kommt es auch, wenn bei Verstorbenen eine Infektion mit SARS-CoV-2 zwar nachgewiesen wird, diese jedoch nicht den Tod herbeigeführt hat.

  • Ein Fehler, der andererseits zu einer Unterschätzung der CFR führt, ist, dass jeder Fall bereits ab dem Zeitpunkt der Diagnosestellung bei den Erkrankten mitgezählt wird, dass aber zu diesem Zeitpunkt noch nicht feststeht, ob der Erkrankte überleben wird. Den kumulativen Todesfällen müsste daher die Anzahl der bekannten Erkrankungen zum Zeitpunkt der Erstmanifestation der Erkrankung bei den Verstorbenen gegenübergestellt werden, d.h. die Anzahl der Erkrankungen etwa 14 Tage vor dem Todesdatum, wenn man davon ausgeht, dass Betroffene im Durchschnitt nach zweiwöchiger Erkrankungsdauer versterben. Die CFR betrüge dann je nach Land zwischen 5 und 15% [7].

Zudem variieren die CFRs stark von Land zu Land, was sowohl durch unvollständiges Erfassen der Fälle, z.B. aufgrund unterschiedlicher Vorgehensweise beim und Kapazitäten für das Testen, als auch durch die unterschiedlichen Möglichkeiten einer qualitativ hochwertigen intensivmedizinischen Versorgung bedingt sein kann. So sind beispielsweise von den 35.713 bestätigten Erkrankten in Italien 2978 (Stand 19.3.2020 [3]) verstorben, was einer CFR von 8,4% entspräche, während in Deutschland nur 28 von 12.327 verstorben sind (CFR 0,2%)."

Und dann noch das:
https://www.nejm.org/doi/full/10.1056/NEJMe2002387

Zitat:
" On the basis of a case definition requiring a diagnosis of pneumonia, the currently reported case fatality rate is approximately 2%.4 In another article in the Journal , Guan et al.5 report mortality of 1.4% among 1099 patients with laboratory-confirmed Covid-19; these patients had a wide spectrum of disease severity. If one assumes that the number of asymptomatic or minimally symptomatic cases is several times as high as the number of reported cases, the case fatality rate may be considerably less than 1%. This suggests that the overall clinical consequences of Covid-19 may ultimately be more akin to those of a severe seasonal influenza (which has a case fatality rate of approximately 0.1%) or a pandemic influenza (similar to those in 1957 and 1968) rather than a disease similar to SARS or MERS, which have had case fatality rates of 9 to 10% and 36%, respectively.2"

Hervorhebung von mir

Es ist eine ernsthafe Erkrankung in einigen Fällen, aber es besteht kein Grund zur Panik, zum Wahn und ich betrachte das, was in der Presse gerade aufgeführt, wird mit Entsetzen.

Doch, klar. Aus der Zahl der Toten zu einem bestimmten Zeitpunkt und der Sterberate ergibt sich die Zahl der Erkrankten zu einem bestimmten Zeitpunkt. Niedrige Sterberate = hohe Dunkelziffer, niedrige Sterberate = niedrige Dunkelziffer. da Du meine Zahlen anzweifelst, bist nun Du am Zug. Ich bin daher auch raus, was das angeht.

Und daß wir bei der Durchseuchung schon weiter sind als gedacht bzw. gehofft. Will sagen: wäre ja gut, wenn wir schon weiter wären. Erstens hieße das, daß die Kurve nicht nur durch die Maßnahmen abflacht, sondern auch, weil regional schon ein Großteil der Bevölkerung durchinfiziert ist.

Ich bin da sehr auf die Untersuchung aus München gespannt, die Drosten schon ein paarmal erwähnte und auf das, was sich aus der Studie in Gangelt ergeben wird, wovon wir ja wohl nächste Woche schon was hören werden. Ich vermute angesichts der dörflichen Strukturen und der Karnevalsveranstaltung als Initialzündung sowie der örtlichen Gesamtschule eine Durchseuchung von wenigstens von 50%, was wiederum weitreichende Folgen hätte.

Ich muß gestehen, daß ich kaum Muße habe, mir die Sekundärberichterstattung zu Gemüte zu führen. Ich beschränke mich i.W. auf das RKI. Dort habe ich übrigens das hier gefunden:

Das verdeutlicht den Ernst der Lage m.E. ganz gut.

Ich möchte aber darauf aufmerksam machen, dass die, wenn sie aus seriöser Quelle kommt, unbedingt lesenswert und spannend ist, auch, weil das RKI eine Institution mit gewissen Strukturen einfach ist und weil es eine staatliche Institution ist mit den entsprechenden Vorgaben.
Forschung geschieht an vielen Fronten und ganz häufig kommen von kleineren freieren Netzwerken hoch interessante Informationen früher!

Darüber hinaus gebe ich zu bedenken, dass die großen Institute jetzt maßgeblich daran beteiligt gewesen sind, dass wir prekäre lockdowns haben ohne ende in Sicht, mit immer unverantwortbareren Sekundärschäden.
Was ja auch Deine Gedanken schon waren.

Drosten fand ich am Anfang unverzichtbar, aber er kommt mir zunehmend getrieben und negativ vor, ich mag den nicht mehr hören.
Virologisch ist er unschlagbar, aber er hat ja nun erreicht, dass wir alle achtsam sind.Leider auch überwiegend ängstlich, das wäre nicht notwendig gewesen.

Ich muss jetzt noch etwas sagen, was ich noch vor wenigen Monaten nie gedacht hätte, dass ich es Dir mal sagen würde:

Für einen Wirtschafter und Nichtfachmann in den Naturwissenschaften finde ich Deine Überlegungen zur Statistik und deren Seriosität höchst beeindruckend und gut.
(Liegt wahrscheinlich daran, dass Statistik eben Statistik ist und für sich selber steht, und sie in den Wirtschaftswissenschaften ebenso gelehrt wird, wie in den Naturwissenschaften.)
Ich denke, dass Du da freier, besser und früher unterwegs bist, als einige der schwerfälligen Institutionen.
Vor freiem Denken habe ich großen Respekt.
In diesem Sinne,
farout

Bestimmt; ich meinte allerdings mehr, daß ich die Medien, die Du derzeit als tendenziell schwierig bewertest, nicht verfolge. Mehr als ein bißchen Tagesschau ist da im Moment nicht drin.

Vielen Dank; so viel Statistik steckt aber nicht dahinter. Es sind nur ein paar einfache Formeln, die hier auf jemanden treffen, der schon von Berufs wegen ein Gefühl für Zahlen, Trends und Zusammenhänge hat (bzw. haben sollte). Gerade, weil es keine Hexerei ist, bin ich davon überzeugt, daß an berufenerer Stelle solche oder ähnliche Überlegungen - insbesondere zur Dunkelziffer - angestellt werden. Wieler sagte auch schon mal etwas in der Richtung, wobei er auch betonte, daß er keine Zahlen nennen würde, bevor die Modelle nicht hinreichend gut erscheinen, weil man ja immer auf jede Zahl sofort festgelegt werden würde. Was mir hier im übrigen auch schon aufgefallen ist; dabei geht’s im Moment ja sowieso nur um Größenordnungen und nicht um Abweichungen von vielleicht 5 oder 10%.

Hallo,
Dunkelziffer heißt deshalb so, weil es sich um eine unbekannte Zahl handelt und deshalb kann sich „Otto Normalverbraucher“ daran nicht orientieren.
Dunkelziffern sind meist negativ besetzt in der öffentlichen Wahrnehmung.
Gruss
Czauderna

Da man eben noch nichts genaues weiss, kann man eben verschiedene Zahlen annehmen, was die Anzahl der bereits infizierten und die Sterberate betrifft, daraus dann ganz aber exakt etwas berechnen. Mehr eben nicht.
Welche der exakten Rechnungen dir besser gefällt, kannst du dann entscheiden. Lieber Island oder doch eher Italien …

Hallo,
soeben kam die Dunkelziffer aus NewYork
„14 Prozent im Bundesstaat New York“ …„rund 20 Prozent der Getesteten in der gleichnamigen Millionenmetropole seien Antikörper gefunden worden“ Quelle
Gleichzeitig werden 13.700 Faelle pro Million Einwohner gemeldet (worldometers)
.
Das waeren gerechnet 1,3 Prozent bekannte Infizierte und 9x mehr zusaetzlich an Dunkelziffer.
Mit kleiner Stichproben-Anzahl und nicht repraesentative Auswahl der Antikoerper-Tests
.

Hallo,
dann ist es doch keine Dunkelziffer mehr, oder liege ich da falsch. Ich war immer der Meinung, dass man Dunkelziffern nicht beziffern kann, weil sie eben unbekannt (dunkel) sind.
Gruss
Czauderna

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