Langeweile…
Hi,
Philosophen ohne Lehrer gibt es genug in der Geschichte und Gegenwart.
Tja, das ist in einem gewissen Sinne richtig. Nicht umsonst habe ich in dem Text, auf den Thomas oben auch nochmal verwiesen hat, auf die drei zu unterscheidenden Wortgebräuche „Philosophie“ verwiesen.
Wenn du in deiner fundamentalen Aussage oben den Typ 2 von Philosphen meinst, dann ist sie sogar per definitionem richtig: Das sind „Philosophen“ ohne Lehrer in dem Sinne, daß sie nämlich nichts gelernt haben, was Philosophie im eigentlichen Sinne (= Typ 1) anbetrifft.
Diese mögen sich zwar inkohärent - nämlich weil sie das wichtigste methodische"Handwerkzeug" der Philosphie nicht gelernt haben: die radikale Überprüfung der Kohärenz des eigenen Gedankenganges - über diese oder jene interessante Fragestellung Gedanken machen, kommen aber nie zu einem mehr als bloß behaupteten Resultat. Das schon deswegen, weil sie glauben, sie seien die ersten, denen diese Frage als bedenkenswert erschienen ist - eben, da sie keine Kenntnisse erworben haben über das, was zahllose andere bereits in Jahrhunderten erarbeitet haben.
Die heftigen Polemiken hier in diesem Brett, aber auch zB im Religionsbrett, haben fast immer den Hintergrund, daß manche glauben, sie seien die ersten, denen etwas aufgefallen ist. Solche Peinlichkeiten (daß sie das nämlich meinen, nicht die Fragen selbst natürlich) entstehen, wenn man meint, Philosophie sei etwas, das man nicht lernen müsse. Ok, wenn mit „Philosophie“ eben gemeint ist, daß man sich ein paar Fragen stellt und ein bißchen darum herum nach-denkt (auch das haben sie gelernt - folglich hatten sie Lehrer, auch wenn die in dem einen oder anderen Buch bestanden), dann mögen sie sich „Philosophen“ nennen, das tut keinem weh.
Aber das wichtigste methodische Mittel des Philosophen ist die Kunst der Differenzierung, vor allem der Begriffe, die er verwendet. Und allein die Reflexion der von einem selbst verwendeten Begriffe ist etwas, das man lernen muß, weil sonst eine heillose Verwirrung des eigenen Gedankenganges entsteht (wir haben in der letzten Zeit zahlreiche Beispiele hier erlebt), die vom Produzenten noch nicht einmal selbst bemerkt werden kann.
Verwirrung beruht aber vor allem darauf, daß man Widersprüche im Gedankengang und der Begriffsanwendung übersieht. Und daß Widersprüche Vermeiden etwas zu Lernendes ist, das siehst du schon daran, daß es einige Jahrhunderte gedauert hat, bis einer der Philosophen sich die Arbeit gemacht hat, ein genial einfaches Kriterium zu entwickeln, an dem man einen Widerspruch erkennen kann.
Allerdings - es tut mir leid: Sogar Aristoteles hatte Lehrer!
Und wenn du nun diese Kriterien der Begriffsunterscheidung gelernt hättest, dann wüßtest du, daß die Behauptung, es gäbe Philosophen ohne Lehrer, für den Begriff des Philosophen des Typs 1 keineswegs gültig sein kann, denn es gibt keinen solchen, der sich in seiner Arbeit nicht auf andere Philosophen bezöge - und das hat mit „akademischem Grad“ wenig zu tun, auch Wittgenstein hat mit seinem Tractatus seinen „Grad“ erst erworben, aber ohne den Bezug auf schon vorliegende Philosophien hätte er es gar nicht geschrieben und außerdem wäre kein einziger Satz nachvollziehbar. Der Bezug auf vorhandene Philosophien, Philosophen und Philosopheme setzt aber voraus, daß man diese studiert = gelernt hat.
Philosophielehrer, die selber keine Philosophen sind, auch.
Philosophen sind aber nicht nur die, über die ein Artikel in der Encyclopaedia Britannica steht. Nicht nur Sauerbruch ist Arzt gewesen und nicht nur Schrödinger ein Physiker. Und Philosophielehrer kann niemand werden, der nicht eine Prüfung (welcher Art auch immer) gemacht hat, in der er an irgendeinem Beispielproblem bewiesen hat, daß er philosophisch-methodisch arbeiten kann (und es gibt viele, sehr viele Kriterien für diese Art der Arbeit). Das gibt ihm das Recht, sich im Sinne des von mir erwähnten Typs 1 „Philosoph“ zu nennen.
Würdest du aber jemanden, der ein IKEA-Regal erfolgreich zusammenschrauben kann, einen Ingenieur nennen? Jemanden, der erfolgreich eine Farbtube ausdrücken kann, oder sagen kann, dieses Auto ist rot, einen Künstler nennen?
Was soweit keine Abwertung bedeuten soll, solange sie sich
nicht als Philosophen bezeichnen.
Welche Kriterien hast DU gelernt, um zu unterscheiden, welche Fähigkeiten ein Philosoph haben muß, um Philosoph zu sein? Wo du selbst doch sagst, daß man es nicht gelernt haben muß?
Die Denkleistung eines Philosophen ist eine andere, als die
Denkleistung, wie ich z.B. am besten zur nächstem Frittenbude
komme
Du sagtest aber, ohne eigentlich die spezifische Denkleistung angeben zu können (denn dann müßtest du Philosoph sein, was du nicht bist, denn du denkst nicht methodisch korrekt, wie du in deinem eigenen Artikel beweist: Du unterschiedest z.B. nicht die verschiedenen Wortgebräuche „Philosoph“), daß man es nicht gelernt haben müsse. Wo kommt dann diese Fähigkeit her? Aus der Muttermilch?
D.h. wenn ich jemand das philosoph-sein abspreche, spreche ich ihm damit nicht grundsätzlich Denkvermögen und Intelligenz ab.
Mit welchen Kriterien kannst du als Ingenieur jemandem das Philosoph-Sein absprechen? Was würdest du zu meiner Behauptung sagen, daß jemand, der nicht eine mechanische Nähmaschine oder eine mechanische Rechenmaschine bauen kann, daß der kein Ingenieur sein könne? Und sicher würdest du mich fragen, ob ich denn überhaupt solche Dinge in jedem Detail nachzuvollziehen imstande wäre? Hast du die Physikvorlesung des Aristoteles durchgearbeitet? Die Prinzipien der Philosophie des Descartes? Die Wissenschaft der Logik des Hegel? Und weißt daher, was ein Philosoph können muß (nämlich wenigstens ein paar Verständnisrückfragen dazu beantworten? Wenigstens ein ungelöstes Interpretationsproblem benennen?)
Ein Obdachloser kann in dieser Hinsicht durchaus eher ein
Philosoph sein
Richtig, ein „Philosoph“ im Sinne des Typs 2. So wie die meisten, die hier je gepostet haben. Aber nicht im Sinne des Philosophen, der zumindest gründliche Kenntnisse der Geschichte der Philosophie hat, und seine individuelle Problemstellung darin irgendwo einordnen kann (was die Voraussetzung wäre, daß er zurecht sagen kann, er habe eine neue, bisher unbedachte Frage gefunden).
Gruß
Metapher