Meine Privat-Meinung
Hallo Tychi,
es ist offensichtlich, dass Du auf gewisse Marker in meinen Aussagen nicht reagierst. Dass dies wohl eher auf meine Kappe geht, scheint offensichtlich. Daher ein paar ehrliche Worte voraus.
Was meine persönliche Meinung zum Ausgangsthema angeht, habe ich noch keinerlei Position bezogen. Ich habs vielleicht für feine Ohren angedeutet. Fact ist allerdings, dass Philosophie - wie Metapher schön ausführt - viel mit Argumenten, mit Abwägen und Glaubwürdigkeit zu tun hat. Das ist mein Job, auch wenn es den meisten Leuten nicht gefällt. Ich kann als Privatmensch viele Meinungen haben. Als philosophisch Arbeitende allerdings, stört die persönliche Position nur. Sie erfolgt chronologisch erst ganz zum Schluss. Erst wenn ich alle Winkel und Ecken ausgeleuchtet habe, alle Gegenargumentationen und Schwachstellen eingesehen und gegenebenfalls neutralisiert habe… erst dann, stellt sich die Frage: und? wie passt das jetzt in Deine eigene Sicht auf die Welt?
Dass heute in 99% Prozent von allen Fällen die Aussage mit dem Aussagenden gleich gesetzt wird, ist meiner Meinung nach ein Übel und entzieht jeglicher Diskussion den Boden.
Da es aber offensichtlich nicht anders geht, werfe ich jetzt meinen Sarkasmus über Bord, und sprech jetzt mal persönlich:
Ich bin ueberhaupt kein bisschen veraergert und sehe deinen
Beitrag
nicht als Angriff, sondern ich habe einen Einfall gehabt
(naemlich
aus der Frage nach dem ersten Philosophen abzuleiten, dass man
auch
dann vollwertiger Philosoph sein koenne, wenn man sich auf
niemanden
bezieht) und diesen Einfall wollte ich diskutieren.
Gut, wenn Du nicht verärgert bist. Es tut mir allerdings leid, Deinen Einfall als rein hypothetisch abweisen zu müssen. Selbst wenn so etwas denkbar wäre. Was wäre dann gewonnen? Das reine menschliche Denken, ohne Umwelteinflüsse, ohne soziale Prägung und ohne Sprache? Denn darauf läuft Dein Experiment heraus. Die Frage, ob sich dabei überhaupt so etwas wie ein ‚denkendes Ich‘ entwickeln würde, ist höchst fragwürdig, wie Branden und Metapher aus ihren Fächern bestätigen können. Wir werden von Anfang an, als Subjekte von ausserhalb geprägt. Von der Umwelt, die uns als ‚Objekt oder Persona‘ betrachtet. Und alles was daraus entsteht, ist Zitat. [Ich weiss, dass ich mich hier gefährlich auf die postmodere Schiene stelle, aber bitte, es geht wohl nicht anders. Als Strukturalist… oh weh…]
Ausserdem empfinde ich die Anwendung von normativem Vokabular (‚vollwertig‘, ‚richtig‘ etc.) als vollkommen deplaziert und es könnte sogar beleidigend wirken, wenn die Aussage nicht von Dir käme. [Hinweis: Das meine ich mit, 'die Aussage ist nur so gut wie ihr Sprecher…]
Ich habe mich bemueht, so gut ich konnte, mich mit deinen Argumenten
auseinanderzusetzen und fand, dass sie mich nicht widerlegen
konnten, was ich in der von dir als unbegruendeten Gegenangriff
aufgefassten Antwort formulierte.
Nein, es war kein Angriff. Aber seis drum. Mein Fehler. Ich werde versuchen beim nächsten Mal klarer zu sein. So wie hier:
1 Ich glaube kaum, da die Philosophie als Disziplin so scharf
umrandet erst spät (ca. 14./15. Jh. je nach Uni) überhaupt
gesetzt wurde. Davor war es reine Methodenkunde. Und weiter
davor waren Philosophen reine Träumer, die nicht arbeiten
mussten. 
2 Du machst es dir ja leicht: Definierst einfach, dass der erste
Philosoph im 14. Jhd. die Weltbuehne betrat
3 Hab ich das denn? Hast Du nicht ein kleines Detail überlesen?
Im Bezug auf das Hauptthema hier? Agora-Philosophie vs.
Akademie Philosophie? Na?
In 1 [da ich in den allerwenigsten Fällen meine persönliche Meinung darstelle] habe ich - zugegeben etwas salopp - lediglich die seit Jahrhunderten gewachsene Erkenntnis der Philosophiegeschichte zusammengefasst.
In 2 stellst Du das als persönliche Positionierung hin.
In 3 wehre ich mich dagegen.
Ich gebe zu, es hätte klarer sein müssen.
Das habe ich eben so erstanden, dass du nur die Akademie-Philosophie
gelten lassen und die Agora-Philosophie als Geschwaetz von
Traeumern abtun wollest. Aus diesem Verstaendnis entsprang mein Einwand.
Uebrigens fallen mir als Agora-Philosophen nur Sokrates und
einige Sophisten ein. Aristoteles, der wie besessen alles aufschrieb,
kann doch gar nicht dazu zaehlen, oder?
Wie gesagt. Das habe ich weder gesagt, noch werde ich das je sagen. Im Gegenteil. Ich hab nur etwas dagegen, wenn ‚Leute‘ mir sagen möchten, was ich bin oder was ich nicht bin, was ich zu sein habe und was nicht, wie ich meine Arbeit tun soll oder nicht oder gar ob meine Arbeit es wert ist getan zu werden.
Das sind normative Urteile, die sich ein Profi nie erlauben dürfte, ohne sich nicht sofort selbst zu disqualifizieren.
Der Gebrauch der Dichotomie ‚Agora vs. Akademie‘ hat sich für den heutigen Gebrauch gewandelt. Agora-Philosophen [typ 1 bei Metapher] sind Menschen, die gerne mal beim Kaffee oder Rotwein mit Freunden über die Welt diskutieren. Sie haben einiges gelesen (oder auch gar nichts) und haben dabei eine tolle Zeit. Vielleicht sind es auch Zeitgenossen, die gerne in generelle Volkshochschulvorlesungen gehen. Ich hab selbst genug dieser VLs gehalten. Also bitte, auch ich arbeite für diese Agoraphilosophen.
Ich bekomme erst dann wirklich grosse Probleme, wenn genau diese ‚Leute‘ bei mir [Typ 2] auf der Türschwelle stehen, mir meine Artikel und Papers unter die Nase halten und meinen: ‚Das ist doch unnütz. Was soll das Ganze? Wen interessiert das? Und warum zitierst Du eigentlich Thomas… das war doch ein Theologe. Komm, geh lieber mit uns Kaffee trinken…‘
Verstehst Du was ich meine?
Beide Bereiche haben ihre Berechtigung, ihren Sinn und ihren Zweck. Nur es besteht ein himmelweiter Unterschied darin, ob ich als Y.- mit krankhaftem Idealismus versuche mein Brot mit Philosophie zu verdienen, weil es meine Leidenschaft ist, oder ob jemand in seiner Musezeit gerne etwas Aristoteles liest und dann mir mir darüber diskutiert.
Jede weitere Kritik wird durch diesen Lesefehler obsolet.
Damit laesst du sie unter den Tisch fallen. Kann ich nicht
nachvollziehen.
Ja, weil Du die Ausage [dass die Philo als Disziplin erst im 14./15. Jh. geschaffen wurde] mit dem Aussagenden [mir] verwechselt hast. Das schafft falsche Voraussetzungen für jede weitere Aussage.
Ein trauriges Missverstaendnis. Ich uebrigens empfinde das
Gleiche, nur mit vertauschten Personen.
Nun, ich hoffe Du verstehst jetzt etwas besser.
Nochmal kurz zum ‚Etikettenschwindel‘.
In den beiden oben angesprochenen Bereichen gibt es zwei entgegengesetzte Merkmale der Rhetorik beider Lager.
In der Agora-Philosophie reicht es oftmals besonders nebulös und geschwollen daher zureden um gut angesehen zu sein. Und witzigerweise mein Gert K., dass gleiches auch für die Akademie Philosophie gelte.
Weit gefehlt. Je klarer und einfacher die Sprache um so besser die Rückmeldungen. Aber da kommen wir in interene Schuldiskussionen rein, die hier so nicht hingehören.
Kläre vielleicht erst einmal, was ‚der Wert der ‚ersten
Philosophie‘‘ bedeuten soll, und dann bin ich bereit
weiterzureden. Denn hier zeigt sich glasklar, warum die von
mir immer wieder verteidigte Begriffsgeschichte so wichtig
ist.
Der Wert der ersten Philosophie liegt darin, dass sie
Ausgangspunkt
aller weiteren Philosophie ist, bis zur heutigen. Das ist doch
was.
Nein. Die ‚erste Philosophie‘ ist die Metaphysik. Sorry. Das ist Begriffsgeschichte und genau das was Metapher weiter oben angedeutet hat. Man kann nicht in einen gewachsenen Bereich einbrechen und mit Wörtern um sich werfen, die man nicht vorher geklärt hat, ohne sich dann Kritik anhören zu wollen. Ausserdem gebrauchst Du schon wieder normatives Vokabular: ‚der Wert der Philosophie‘…
Die ‚chronologisch erste Philosophie‘, die Du so gerne finden möchtest, ist ein Gedankenkonstrukt, das für mich als philosophisch arbeitenden Menschen keinerlei Einfluss auf Späteres hat, bzw. es kann sich daraus keine weitere Theorie spinnen. Man kann dies als ‚Unschuldsmoment‘ der Philosophie setzen. Als Punkt A. Aber dieser Punkt A hat für mich keinerlei theoretischen Einfluss auf das was danach kam. Viel interessanter ist doch: was kam nach Punkt A. Und das ist dann der Job der Philosophiehistorikers.
Nochwas: Was nicht im Text ist, und ich nicht belegen kann, darf ich nicht als gegeben annehmen. DAS ist die grundlegende Annahme jeglicher philosophischen Arbeit.
Wie gesagt, gemeckert habe ich nicht und tue es auch jetzt
noch
nicht.
Entschuldige den Seitenhieb. Ich tue Busse.
)
Alles Liebe
Y.-