Kant, Aristoteles, Moore und Geach
Hallo Hartmut,
danke für den Einwand, aber es wird dich nicht wundern, dass ich widerspreche, denke ich.
Zunächst: Das absolut XXXe (möge es gut, möge es böse sein)
müßte in der tat aus sich selbst verstehbar sein, das heißt:
Frage: warum denn?
Weil das - wir können gerne darüber reden - meine
Verwendungsweise von ´absoluter bedeutung eines Terms´ ist.
Verhältnisbegriffe zu verabsolutieren, ist ein methodischer Fehler.
da „gut“ immer heißt „gut für jemanden“ oder „gut für etwas“
Nein. Es gibt - ob plausibel, ist eine andere Frage - durchaus
andere Verqwendunsgweisen von ´Gut´. Eben die kantische. Ich
vermute mal, dass Du nur auf dieses Stichwort gewartet hast
(meine das jetzt aber nicht böse

doppeltunddreifachkalauer:wink:), dennoch: Nimm doch nur
die ersten Passagen der GzMdS: Ob Kants Konzeption des
intrinsisch guten Willens verteidigt werden kann…darüber
können wir lange streiten (ich sage:Ja!) Aber das Konzept als
solches steht und steht zur Diskussion.
Es würde zu weit führen, jetzt meine Kritik an der praktischen Philosophie Kants darzulegen, aber ich bin in der Tat der Überzeugung (es geschehen noch Zeichen und Wunder *g*), dass Kant hier im Irrtum ist und dass man das auch nachweisen kann, indem man ausgehend von seiner Konzeption der theoretischen Philosophie Inkonsistenzen mit der praktischen Philosophie aufzeigt, die dann wiederum dazu führen, klugheitsethische Momente im kantischen System zuzulassen, womit der in der Philosophiegeschichte schon seit der Erstveröffentlichung gerügte Rigorismus Kants gemildert würde.
Allemal: ich ändere die bedeutung von X ja
nicht (im gegenteil: Ich mutlipliziere sie aus!), wenn ich
feststelle: sich für X entscheiden (sich für den beruf des
Briefträgers entscheidemn) bedeutet, was immer es sonst noch
bedeuten mag, allemal: Sich gegen den beruf des…Fischers,
Phil-Dozenten, Marketingstrategen, undsoweiter zu entscheiden.
´Tschuldige, aber: Where´s the problem?
Vielleicht wird es an einem anderen Beispiel deutlich, nämlich an den Verhältnisbegriff „groß“ und „klein“. Woran bemisst du die Größe eines Gegenstandes? Doch daran, dass er groß ist im Verhältnis zu anderen Gegenständen. Wenn du hier fragst, worin nun etwa die Größe besteht, bekommst du einige Probleme, denke ich.
Selbst die Abschaffung des Menschen könnte, etwa für andere
Spezies, gut sein. Selbst den Menschen nicht mehr Mensch sein
zu lassen - wie du so in der Tat interessant formulierst -,
kann allenfalls für den Betroffenen als „böse“ bezeichnet
werden.
Ohne - ich weiß es ja, wie Du es NICHT meinst - Dich der
moralischen Fertigmache anheimzustellen, möchte ich
klarstellen: Diesen tristen Rest an Verobjektivierbarkeit
möchte ich mir dann schon ganz gerne bewahren.
Das kann ich als Argument jedenfalls nicht anerkennen, denn es ist ein methodischer Abbruch, der zwar berechtigt ist, wenn man auf eigene Befindlichkeiten Rücksicht nimmt, aber nichts dazu beiträgt, das Problem zu lösen, sondern sogar dem Problem ausweicht. Ich selbst - du fragst danach - habe auch keine Lösung, aber ich sehe das Problem. Wenn du das Problem nicht siehst, ist das aus perspektivischer Sicht in Ordnung, finde ich, aber es ist eine Einschränkung, die du meiner Ansicht nach übersteigerst, indem du Gedankenspiele verbietest. Um aber eine Problemlösung zu versuchen, muss man dem Problem auf den Grund gehen, nicht ihm aus dem Weg gehen. Das ist die Konsequenz, die man aus solchen Theorien wie denen von Adorno und Nietzsche entnehmen sollte, meine ich. Alles andere ist Selbstbetrug, zwar verständlich, aber nicht gerechtfertigt. Ich weiß, dass das oft gemacht wird (übrigens nicht nur von Vertretern der Analytischen Philosophie, sondern auch von Transzendentaltheoretikern), aber ich halte das für eine psychologischen Rückfall in theologische Moralbegründungen.
Es geht doch wohl um das Gute, also allemal um das moralisch Gute. :Was wäre das aussermoralisch Gute? Präziser (siehe oben): gerade das
scheidet, wie Tugendhat m.E.sehr richtig dargetan hat, das
moralisch Gute vom bloß pragmatisch guten (es wäre jetzt gut,
´n scharfes Messer dabei zu haben, da ich dann diese Wurst
besser schneiden könnte…)
Diese Reduzierung des Begriffes des Guten auf das moralisch Gute halte ich für einen fatalen Irrtum, der im mittelalterlichen Missverständnis der Antike wurzelt und eigentlich schon bei Augustinus angelegt ist. Die Abwertung von Klugheitsregeln ist unberechtigt, denn sie führt zu Situationen, die moralisch nicht mehr gerechtfertigt werden können bzw. für deren Rechtfertigung man große Umwege in Kauf nehmen muss. Das Lügenverbot Kants mit den entsprechenden Beispielen ist das bekanntste Exemplar solcher Situationen.
Allenfalls könnte man anthropozentrisch argumentieren, indem man sagen würde, dass die Regeln für den Menschen da seien und deshalb eine Begriffsbestimmung ohne den Menschen widersprüchlich sei. Aber auch das löst nicht das Problem, sondern würde sogar zusätzlich zu ethischen Problemen führen.
Die Frage ist, wie eine Ethik aussehen müsste, die Kants theoretische Philosophie (die ich weitgehend für richtig halte) mit der Aristotelischen Ethik (die ich ebenfalls weitgehend für richtig halte) verbindet. Das aber ist zwar eine metaethische Frage, aber keine Frage mehr nach der Wortbedeutung von „gut“, und das ist der Irrtum von Moore gewesen. Den zusätzlichen Hinweis, dass der sog. naturalische Fehlschluss nicht zwangsweise falsch sein muss, sondern unter gewissen Umständen ein gültiger Schluss sein kann, hat Peter Geach gebracht. Freilich ist das noch kein Beweis, vielmehr sogar ziemlich umstritten, aber hier ist eben noch nicht alles gesagt, und die Dinge sind im Fluss.
Jedenfalls ist Kant Ethik trotz aller Beteuerungen immer noch theologisch infiltriert - und das ist ein Grund, sie als fraglich zu behandeln.
Herzliche Grüße
Thomas Miller