Das Ansichsein bei Prauss
Logischer Raum für den freien Willen des Menschen
Band II/I, ab Seite 139, 23. Febr. 2005
Fast beiläufig stößt uns Prauss auf Seite 140 gänzlich aus dem krampfhaft bis heute noch gehaltenen Paradies von Wirklichkeit.
„Und in der Tat kann doch die Wirklichkeit des Artefakts als des Objekts der Theorie eines Subjekts auch nur auf Grund der Wirklichkeit desselben als des Materials verständlich werden, aus dem oder durch das dieses Artefakt dabei entspringt. Denn daran ändert sich auch dadurch nichts, daß als ein weiterer Grund für es als den Erfolg im Unterschied zum Mißerfolg von solcher Intention auch innerhalb von diesem Artefakt noch etwas liegen muß, das dazu zwingt, es nicht allein als Phänomen oder Erscheinung zu betrachten, sondern auch noch an sich selbst, kurz: als Ansichsein. So gewiß von diesem nämlich sich empirisch nichts erkennen lassen kann, so läßt doch nichtempirisch, mittels unserer Reflexion auf es, von ihm sehr wohl sich noch erkennen: Jene Intention, die dabei mit im Spiel sein muß, kann dabei keinesfalls von ihm ausgehen, sondern nur von etwas Anderem als ihm. Muß sie doch immer schon ergangen sein, damit so etwas wie Ansichsein innerhalb ihres Erfolges aufzutreten überhaupt vermag.
Denn etwa auch noch von Ansichsein innerhalb des Mißerfolges einer Intention zu sprechen, wäre ohne jeden Sinn“ . . :
Denn indem er nun auch das Ansichsein in die Innenwelt des Subjekts verlagert, kappt er die letzte Verbindung zur „Realität“; er zieht praktisch die Leine ins Boot, an der wir uns vorher mit dem Ufer der Wirklichkeit noch verbunden glaubten.
Das andere Ende der Leine auf der Seite der Innenwelt, von wo aus sie als Artefakt uns als Phänomen oder Erscheinung mit jener zwar unerreichbaren, unerkennbaren aber doch als einzig real gedachten Außenwelt und Wirklichkeit zu verbinden schien, trieb ohnehin als Denkfehler und Illusion nur lose und nur scheinbar einer Außenwelt außerhalb der Wahrnehmung und Erkenntnis.
Denn Innenwelt und Außenwelt als Ich und Nicht-ich können ohnehin nicht anders als Erkenntnis und damit als Innenwelt verständlich werden, macht Prauss bereits im 1. Band I/I Seite 61 klar,
"Sie sehen also: Zwischen dem Subjekt als Denken und Gedanke und auch Satz herrscht danach ein Verhältnis des Sich-Äußerns eines Inneren, so daß auch dieses Äußere, worein sich dieses Innere selbst äußert, als ein solches Äußeres selbst ein solches Inneres ist. Dieses bis heute unbewältigte Verhältnis aber stellt seit jeher derart schwierige Probleme, daß der Weg zu ihrer Lösung für uns weit und mühsam sein wird. Handelt es sich dabei doch um nichts geringeres als ein Verhältnis von der Art, daß ein Subjekt darin bei allen Differenzen, die in ihm als Denken und Gedanke und auch Satz zu unterscheiden sind, seine Identität grundsätzlich wahrt, indem es Denken und Gedanken und auch Satz als Unterscheidbares erzeugend überhaupt nichts anderes als sich selbst erzeugt. Und dies auch dann, ja gerade wenn es sich des Äußeren als Äußersten an Differenz zu sich als Innerem bedienen muß, um in Gestalt von Satz als dieses Innere sich selbst zu äußern, weil es eben nur in Äußerem als dieses Innere zu Anderem als dem in jedem Falle Äußeren in ein Verhältnis treten kann: ob nun zu Anderem als bloßem anderen Objekt oder auch anderem Subjekt als gleichfalls Innerem in Äußerem… . "
Werden wir nun zu Pythagoräern, wenn wir in solchen Strukturen unserer Erkenntnis ebenfalls wie jene die Schöpfung Gottes und die Handschrift Gottes sehen, wie jene z.B. in der Winkelsumme eines Dreieckt bereits Gottes Gedanken zu erkennen glaubten? Oder aber bedeutet dies letztendlich gesellschaftlicher Solipsismus, dass so wie auch das andere Subjekt auch Gott nur als Artefakt in uns ist und nicht in der Außenwelt. Treten nicht hier das Ich wie auch Gott als Schöpfer des Artefakt in die vielfach geschmähte Rivalität, oder geraten wir dabei in den unendlichen Regress der Ungewissheit? Oder aber das Artefakt als Schöpfer des Artefaktes, - als eigener Schöpfer und Uroboros?
Jedenfalls verzichten wir auf die zweite ansichseienden Welt einer ohnehin unhaltbaren Zweiweltentheorie.
Aber wir erlangen dadurch die Denkbarkeit einer bislang undenkbaren Freiheit des menschlichen Willens wie seiner möglichen Verantwortlichkeit.
Denn gegen die Möglichkeit der freien Entscheidung stand bislang die nahtlose Gesetzmäßigkeit und Kausalität des Weltgeschehens, in das hinein die Handlung aus freier menschlichen Entscheidung jeweils eine neue Kausalkette auslöst bis zum Ende aller Zeiten: praktisch nur als Wunder, als göttlich-menschliches Wunder zu verstehen. Und auch die Frage, was denn eigentlich passiert, wenn ein Mensch bestehende physikalische Gesetze anwendet als menschliche Handlung und dabei praktisch das Weltgeschehen insgesamt für sich instrumentalisiert.
Dies alles eben nicht nur als Ausnahmefall einer Neuschöpfung menschlichen Tuns oder Lassens, sondern von allen Menschen aller Zeit in jedem Augenblick.
Um dieser Undenkbarkeit zu entgehen neigen Empiristen denn auch dazu, den menschlichen Willen ganz zu leugnen oder als Epiphänomen oder Einbildung zu deuten, mit der Inkonsequenz allerdings, den Menschen einerseits nur als reagierendes Urwerk zu sehen, ihn andererseits dennoch verantwortlich zu machen für sein Tun und Lassen.
" Denn auch als Erkennen oder Theorie hat ein Subjekt ein solches Etwas zum empirischen Objekt und so zum Phänomen bzw. zur Erscheinung nicht in dem Sinn, daß ein solches Etwas von sich selbst her fertig wäre und als dieses Fertige dann von sich selbst her diesem Subjekt nur noch zusätzlicherweise in Erscheinung träte und so Phänomen auch nur noch zusätzlicherweise würde. Phänomen oder Erscheinung ist es dabei umgekehrt gerade in dem Sinn, daß vielmehr dieses Subjekt, nämlich durch sich ebenso wie aus sich, solch ein Etwas dabei allererst verfertigt und mithin zum Phänomen auch überhaupt erst macht bzw. zur Erscheinung überhaupt erst bringt und so als Artefakt hervorbringt. Denn das tut es eben, wie ein Tischler einen vorgestellten Tisch als Artefakt aus Holz heraus hervorbringt, nämlich ursprünglich zum Phänomen macht oder zur Erscheinung bringt, indem er ihn daraus verfertigt, eben buchstäblich daraus entspringen läßt.
Und wie in diesem Fall von Praxis solch ein Artefakt, wenn es als der Erfolg von einer solchen Intention gelingt, nur faktisch, kontingent, tatsächlich, und nicht etwa unfehlbar gelingt, so auch in jenem Fall von Theorie. Und handelt es sich somit auch in jedem Fall — in dem von Theorie genauso wie in dem von Praxis — um ein Schöpfertum, so doch in keinem Fall um die Verstiegenheit von absolutem, unfehlbarem Schöpfertum, sondern in jedem Fall um die Gediegenheit von relativem, fehlbarem, weil materialbezogenem. Verstiegen hat sich vielmehr immer schon der Empirist in uns, indem er sich für eine Art von Gott hält, der aus seiner Transzendenz heraus in Theorie als ,Theoria“ eintritt und von dort her kommend dann auch prompt dem Ding verfällt6".
Fußnote:
"6 Als dieser eigens ausgewiesen hat der Empirist sich erstmals in Gestalt
von Aristoteles, der meint, in Theorie als ,Theoria“ trete man wie etwas
„Göttliches von außerhalb her“ ein. Vgl. z.B. De generatione animalium
736 b 28, 744 b 21 f.; ferner Eudemische Ethik 1248 a 25ff.“
BdII/I Seite 139
„Gediegen kann er darum auch erst immer werden, nämlich erst. indem er mittels Reflexion auf sich zur Einsicht seiner Immanenz als seiner eigentlichen Stellung kommt. Und diese Immanenz bedeutet. daß als Intention ein Subjekt eben aus Natur hervorgeht oder daß Natur es ist, die ein Subjekt als Intention hervorbringt. Kann es doch auch nur auf solche Immanenz zurückgehen, wenn bei Auftreten der Wirklichkeit von Intention in das Formale dieser Wirklichkeit auch Inhaltliches noch als Wirklichkeit des Materials miteingeht, das auch jenem Artefakt von Intention der Theorie zugrunde liegen muß: Zwar muß sich das Mentale des Bewußtseins dieser Intention eines Subjekts als Wirklichkeit von Grund auf unterscheiden von der Wirklichkeit des Körpers als Somatischem dieses Subjekts; gleichwohl muß dies Mentale in genau dem Sinn, in dem es nur aus dem Somatischen als einem Stück Natur hervorgehen kann, als eigene Wirklichkeit diesem Somatischen auch immanent sein, in dem Sinn, den es zu klären gilt.“
Wenn wir gewöhnlich unsere Entscheidungen auch begründen und derart entschuldigen, so ist es dennoch geradezu unproblematisch und im wörtlichen Sinne selbstverständlich, wenn wir uns in das Weltgeschehen, so wie wir es als unsere Erkenntnis und Theorie - eben als Artefakt – behaupten, selbst einfügen können.
Und es sind gerade die verführerischen und zu vermeidenden Missverständnisse bei Prauss, wenn hier von dieser und jener Wirklichkeit, von dieser und jener Natur die Rede ist – und erst recht von beidem als der Wirklichkeit und Natur des Subjekts – , so wie ein langer Faden sich dann scheinbar unentwirrbar überschneidet, verknotet und zu verheddern droht, wodurch sich ahnen lässt, in welchem Umfang wir mit Prauss erst am Anfang eines umfänglichen Verständnis der menschlichen Handlung stehen. Beängstigend bereits deshalb, weil es nach Kant, der diesen Faden eines synthetischen Verständnisses zuerst aufnahm, mehr als 200 Jahre dauerte, bis die Philosophie über den Versuch der Interpretation hinaus zu einer Weiterführung den Mut fand. Denn bereits der Schotterberg an Missverständnissen, die Prauss offen legte, und der den Blick auf unsere Existenz auf Erden versperrte, wäre bereits Thema und Aufgabe genug für viele Generationen.
Dennoch ist die Versuchung zum Missverständnis keine Rechtfertigung für eine solche und kein Argument gegen die Feststellung bei Prauss:
Die Welt und wir, Bd.II, Seite 139/140
"Denn das tut es eben, wie ein Tischler einen vorgestellten Tisch als Artefakt aus Holz heraus hervorbringt, nämlich urspriing!ich zum Phänomen macht oder zur Erscheinung bringt, indem er ihn daraus verfertigt, eben buchstäblich daraus entspringen läßt.
Und wie in diesem Fall von Praxis solch ein Artefakt, wenn es als der Erfolg von einer solchen Intention gelingt, nur faktisch, kontingent, tatsächlich, und nicht etwa unfehlbar gelingt, so auch in jenem Fall von Theorie. Und handelt es sich somit auch in jedem Fall — in dem von Theorie genauso wie in dem von Praxis — um ein Schöpfertum, so doch in keinem Fall um die Verstiegenheit von absolutem, unfehlbarem Schöpfertum, sondern in jedem Fall um die Gediegenheit von relativem, fehlbarem, weil materialbezogenem. Verstiegen hat sich vielmehr immer schon der Empirist in uns, indem er sich für eine Art von Gott hält, der aus seiner Transzendenz heraus in Theorie als ,Theoria“ eintritt und von dort her kommend dann auch prompt dem Ding verfällt6. Gediegen
6 Als dieser eigens ausgewiesen hat der Empirist sich erstmals in Gestalt
von Aristoteles, der meint, in Theorie als ,Theoria“ trete man wie etwas
"Göttliches von außerhalb her“ ein. Vgl. z.B. De generatione animalium
736 b 28, 744 b 21 f.; ferner Eudemische Ethik 1248 a 25ff.
kann er darum auch erst immer werden, nämlich erst. indem er mittels Reflexion auf sich zur Einsicht seiner Immanenz als seiner eigentlichen Stellung kommt. Und diese Immanenz bedeutet. daß als Intention ein Subjekt eben aus Natur hervorgeht oder daß Natur es ist, die ein Subjekt als Intention hervorbringt. Kann es doch auch nur auf solche Immanenz zurückgehen, wenn bei Auftreten der Wirklichkeit von Intention in das Formale dieser Wirklichkeit auch Inhaltliches noch als Wirklichkeit des Materials miteingeht, das auch jenem Artefakt von Intention der Theorie zugrunde liegen muß: Zwar muß sich das Mentale des Bewußtseins dieser Intention eines Subjekts als Wirklichkeit von Grund auf unterscheiden von der Wirklichkeit des Körpers als Somatischem dieses Subjekts; gleichwohl muß dies Mentale in genau dem Sinn, in dem es nur aus dem Somatischen als einem Stück Natur hervorgehen kann, als eigene Wirklichkeit diesem Somatischen auch immanent sein, in dem Sinn, den es zu klären gilt."
Denn scheint es nicht so, als beiße sich hier die Katze in den Schwanz? Als wäre gemeint, - und in einem besonderen Sinne ist dies ja durchaus gemeint (den es zu klären gilt), als brächte der Körper als die somatische Wirklichkeit des Subjekts nicht nur die „Tatsächlichkeit“ der Handlung hervor, sondern als brächte er auch das Mentale der Erkenntnis, der Theorie und Absicht hervor und besäße nicht selbst als Außenwelt die unausweichliche Projektion des eigenen Ansichseins, sondern beinhalte als Immanenz nur das Ansichsein der Erkenntnis der Theorie der Handlung des Subjekts.
Um solchem Missverständnis zu entgehen, kann man sich behelfsmäßig vorstellen, dass es zwei gänzlich unterschiedliche – wenn in der Art auch grundsätzlich gleiche – Aktionen, Handlungen und Intentionen sind, wenn ein Mensch eine Statue entwirft und realisiert
oder wenn er z.B. am eigenen Körper hantiert, indem der Mensch vielleicht eine Schmerztablette schluckt oder sich die Haare kämmt, die Lippen schminkt oder sich zu einem Gebet sammelt.
Das Geländer, an dem Prauss sich hält, der Nachweis oder Erfahrungswert für eine gelungene Erkenntnis oder Hantierung, nämlich als Artefakt, ist ja keineswegs eine Wahrheit oder ein Wahrheitskriterium,
Und wie in diesem Fall von Praxis solch ein Artefakt, wenn es als der Erfolg von einer solchen Intention gelingt, nur faktisch, kontingent, tatsächlich, und nicht etwa unfehlbar gelingt, so auch in jenem Fall von Theorie.
sondern verweist dem Text nach auf ein Jetzt und Hier wie auf ein Wodurch und Weshalb oder Warum.
So eine verführerische Überschneidung bzw. Verflechtung geschähe dann, wenn das Gehirn als Artefakt des Gehirns der Ausgangspunkt zur Natur und zum Subjekt würde, durch was die Intention und Absicht ausginge.
FS
Wird fortgesetzt