Das Fünfte Gebot

Liebe www-ExpertInnen
In der heutigen Fassung der Bibel steht .„Du sollst nicht morden.“
In früheren Fassungen steht: „Du sollst nicht töten.“
Fragen hierzu:
a) Von welcher Kirche ging die Initiative zur Textveränderung aus?
b) Wie lautet die theologische Begründung für diesen Schritt?
c) Welche Folgen hat dies für die grundsätzliche Haltung eines Christen?

Vielen Dank und viele Grüße
Voltaire

Abend Voltaire!

Ich für meinen Teil nehme einfach mal an, dass es von Verlag zu Verlag verschieden sein dürfte. Der eine wird halt das Wort „töten“, der andere „morden“ verwenden…

mfg PN

HAllo,

ui - das wäre aber ein riesiger Unterschied.
Du sollst nicht töten war ja ein sehr umfassendes Gebot - und klar und verständlich. Die Beschränkung auf Mord allerdings läßt alle anderen Dinge zu - zum Beispiel Totschlag und Notwehr. Damit wäre auch eine Wehrdienstverweigerung nicht mehr gedeckt - Soldaten, die sich verteidigen oder auf Befehl angreifen, sind juristisch keine Mörder. Und auch die Vollstreckung der Todesstrafe (die ja juristisch legitimiert ist) wäre kein Mord.
Also für meine Begriffe würde hier der zulässige Boden der Auslegung verlassen, das wäre eine regelrechte Verfälschung der Bibel - und damit eins ehr sehr böser Beweis, daß die heilige Schrift durch die Kirche mächtig verbogen und gefälscht wurde und wird.

Gernot Geyer

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Hallo Voltaire

die alten Übersetzungen schreiben „du sollst nicht töten“
(Septuaginta, der Überlieferung nach von Juden in Alexandria gemacht: Mè foneueis; Vulgata, vom Hl. Hieronymus gemacht: Ne occides; altdeutsche Übersetzungen inkl. Luther: du sollst nicht töten).

Nun ist aber der Urtext hebräisch. Die entsprechenden Stellen lauten: Lo ti-rzach; lo=nicht, ti-Vorsilbe für die 2. Person Singular, razach töten oder eben morden. Zu diesem Wort schreibt Gesemius (Hebräisch-Deutsches Wörterbuch), Berlin 1962, totschlagen, zerschlagen und besonders bezüglich Ex 20 (wo die erste der beiden Fassungen der zehn Gebote steht) töten, morden - also beides.

Die Meinungen in der Sache gehen allerdings auseinander. Während die meisten mir bekannten Alttestamentler heute „morden“ sagen, gibt es auch (ideologisch möglicherweise gefärbte) Gegentöne. Namentlich begegnet mir auf dem Netz:

http://www.das-weisse-pferd.com/99_08/holocaust-mahn…
(scheint mir in der Tat etwas sonderbar die Seite, evtl. mit überzogenen Sympathien nach „rechts“, könnte aber auch auf eine falsch verstandene „political correctness“ einer anderen Seite hinweisen),

wo behauptet wird, der mittlere der Konsonanten von „razach“ müsste verändert werden, wenn es um „morden“ gehe - ich sehe allerdings bei meinen (ganz bescheidenen) Hebräischkenntnissen keinen Grund dafür.

Somit wird „morden“ zwar zulässig sein, aber dabei gilt es die deutsche (!) Sprache zu beachten:

„Töten“ und „morden“ werden hierzulande erst in neuerer Zeit überhaupt strikte auseinandergehalten. Wenn das Strafgesetzbuch die vorsätzliche Tötung vom Mord unterscheidet, so ist das eine rein sprachliche Übereinkunft. Es könnte auch eine „Tötung im allgemeinen“ von einer „schweren, skrupellos verübten, hinterhältig oder heimtückisch geschehenen Tötung, womöglich unter besonders harter Gewaltanwendung“ unterscheiden, ohne das Wort „Mord“ auszuschreiben, bzw. einen „Mord im allgemeinen“ von einem „Mord in leichteren Fällen“ unterscheiden.

Die im deutschsprachigen Raum gebräuchliche Unterscheidung morden/töten hat sich erst im 19. Jahrhundert durchzusetzen begonnen und war bis vor etwa 100 Jahren noch überhaupt nicht öffentlich fixiert; in der Umgangssprache ist sie sogar bis heute nur selten als so scharfe Trennung gebräuchlich, wie sie etwa das Strafgesetz kennt.

So gesehen ist schon der Ansatz problematisch, dass man meint, die alten Übersetzungen seien überhaupt ungenau - und erst recht ist es unmöglich, ihnen dabei eine fälschende Absicht nachzuweisen.

Gruss
Mike

Hallo Gernot,

ui - das wäre aber ein riesiger Unterschied.
Du sollst nicht töten war ja ein sehr umfassendes Gebot - und
klar und verständlich.

das ist richtig. Aber geht es nicht darum, das Original zu erfassen?

Die Beschränkung auf Mord allerdings
läßt alle anderen Dinge zu - zum Beispiel Totschlag und
Notwehr. Damit wäre auch eine Wehrdienstverweigerung nicht
mehr gedeckt - Soldaten, die sich verteidigen oder auf Befehl
angreifen, sind juristisch keine Mörder. Und auch die
Vollstreckung der Todesstrafe (die ja juristisch legitimiert
ist) wäre kein Mord.

Bedenke: der Dekalog wurde von Mose dem Volk Israel am Sinai verkündet.
Wie Dir sicher bewußt ist, führte das Volk Israel danach eine Menge Kriege. Könnte sich da ein Wehrdienstverweigerer auf ein Gebot der Thora berufen?
Es war mit Sicherheit so formuliert, dass Notwehr und Landesverteidigung gestattet waren. (Für Totschlag und Unfälle mit tödlichem Ausgang gibt es gesonderte Gesetze.)

Also für meine Begriffe würde hier der zulässige Boden der
Auslegung verlassen, das wäre eine regelrechte Verfälschung
der Bibel - und damit eins ehr sehr böser Beweis, daß die
heilige Schrift durch die Kirche mächtig verbogen und
gefälscht wurde und wird.

Da anerkannte Hebräischkenner (z.B. Martin Buber) sich für den Ausdruck „morden“ entschieden, würde ich hier der „Kirche“ keine Schuld anlasten. Eine absichtliche Verfälschung von „morden“ auf „töten“ wäre gerade zur Zeit der Kreuzzüge eher kontraproduktiv gewesen.

Gruss Harald

Die Bibel nicht zum Gesetzbuch degradieren

Liebe Theologinnen und Theologen

In der heutigen Fassung der Bibel steht .„Du sollst nicht
morden.“

In der neuen Zürcher Bibel (2007) steht in Exodus 20, 13 als 6.
Gebot: „Du sollst nicht töten.“

Die Redaktoren vertreten die Meinung, dass Texte aus der Antike
ohnehin ausgelegt werden müssen und dass sich überdies ein
(reformierter) Christ selbst Gedanken über die heutige Bedeutung
solcher Texte machen sollte.

Eine iuristische Auslegung (Mord) bietet sich mit Bestimmtheit nicht
an. Damit würde die Bibel zu einem Gesetzbuch degradiert.

Freundlich grüsst

Rolfus

Nach Aussage der Bibel ist sie genau das auch
BS"D

Damit würde die Bibel zu einem Gesetzbuch degradiert.

Die Bibel enthält das „Gesetz“ welches G’tt allen Menschen gab, ebenso wie das Gesetz welches Er am Sinai dem jüdischen Volk gab. Dass das Christentum sich später davon löst, sollte nun aber nicht zu einer Umdefinition von schon Gewesenem führen. Oder stört es Christen das G’tt sein Gesetz verkündete?

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umgangssprachlicher ‚Mord‘
Hallo Sanctus Rolfus (der hoffentlich diesem Beinamen gerecht wird)

Auch wenn wir von juristischen Spitzfindigkeiten absehen, besteht für einige Leute (nicht für alle) ein Zusammenhang zwischen „töten“ und „nicht so schlimm“. Dem „Morden“ geht dieser Zusammenhang ab.

Wenn jemand ohnehin in jeder Tötung eine Art Mord erblickt, kann er zwar beim Wort „Tötung“ bleiben und dabei mit meinen, dass das eigentlich etwas Schlimmes sei, ohne das Wort „Mord“ auch noch in den Mund nehmen zu müssen; wenn er aber darauf hinweisen will, was das Töten eigentlich ist, wird auch er in vielen Fällen „Mord“ sagen.

Die Buber-Rosenzweig-Übersetzung (die schreibt „du sollst nicht morden“) wollte wohl kaum die Fälle des 5. Gebotes einschränken, sondern zum Ausdruck bringen, dass „töten“, wie es die deutsche Sprache gewöhnlich verwendet, meist eine bedenkenswerte und schwerwiegende Tat ist, und das wenigstens immer dann, wenn es um Menschen geht.

Gerade in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, geprägt von den Schrecknissen der Weltkriege, lief man Gefahr, unter „töten“ etwas oftmals Gebotenes oder Erlaubtes zu verstehen. Das war keine verheissungsvolle Entwicklung. Für die Abfassungszeit der Übersetzung ist also das Wort „morden“ auf jeden Fall adäquat.

Gruss
Mike

Tötungen ahndet das Strafgesetz
Guten Tag

Aus meiner Antwort geht hervor, dass ich dagegen bin, dass man die
Bibel zum Gesetzbuch im rechtswissenschaftlichen Sinn degradiert.
Tötungsdelikte werden nicht auf Grund der Bibel sondern des
Strafgesetzes geahndet.

Die Bibel enthält jedoch antike ethische Verhaltensnormen, die uns
durchaus noch heute etwas angehen bzw. bedeuten können. Aus meiner
Antwort geht deshalb auch hervor, dass ein Christ zu solchen Normen
im Alltag selbst Stellung nehmen muss:

Soll ich die Mücke zerquetschen, die mich sticht?
Soll ich Fleisch essen?
Soll ich den Militärdienst verweigern?
Soll ich die Vergewaltigung meiner Frau verhindern, indem ich dem
Vergewaltiger den Schädel einschlage?

Die (ethischen) Antworten nimmt ihm niemand ab, auch die Bibel nicht.

Freundlich grüsst

Rolfus

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Hi,

mich etwas weiter unten anschließend, kommt das aus dem Hebräischen und das bedeutet, keinen Menschen töten und sinnlos abschlachten etc.

Bei Ritualen und zur Nahrungsbeschaffung wurde ja auch getötet.
Aber Mord ist eben kaltblütig - und auf Menschen bezogen.

Chris
(in aller Kürze)

Hallo Mitbruder in der Heiligkeit des Herrn

Aus meiner Antwort geht hervor, dass ich dagegen bin, dass man
die
Bibel zum Gesetzbuch im rechtswissenschaftlichen Sinn
degradiert.

Und dass Du dagegen sein solltest, dass das weltliche Recht mit Begriffen, die tief ins Menschenherz gehen, umspringt wie mit blossen Zahlen.

Tötungsdelikte werden nicht auf Grund der Bibel sondern des
Strafgesetzes geahndet.

Tötungen sind bedeutsam sowohl für das Gewissen und die Sitten als auch für das weltliche und geistliche Recht. Geahndet werden sie durch das Gewissen, das Umfeld, den Strafrichter und Gott.

Soll ich die Vergewaltigung meiner Frau verhindern, indem ich
dem
Vergewaltiger den Schädel einschlage?

Das ist Dir nicht zwingend geboten und auch nicht zwingend verboten.

Die (ethischen) Antworten nimmt ihm niemand ab, auch die Bibel
nicht.

Die Bibel stellt eine Empfehlung aus, aber sie ist nicht rigoros.

Freundlich grüsst

Rolfus

Brüderlich grüsst
„Bruder Esel“ Mike

BS"D

Aus meiner Antwort geht hervor, dass ich dagegen bin, dass man
die Bibel zum Gesetzbuch im rechtswissenschaftlichen Sinn
degradiert.

Warum wäre das für dich eine Degradierung?

Tötungsdelikte werden nicht auf Grund der Bibel sondern des
Strafgesetzes geahndet.

Das könnte man annehmen, wird aber damit konfrontiert, dass z. B. fromme Juden sehr wohl hier nach wie vor nach der Bibel gehen als erste Instanz und zum anderen es neben der menschlichen aus religiöser Sicht auch andere „Ahnungen“ gibt.

Die Bibel enthält jedoch antike ethische Verhaltensnormen, die
uns durchaus noch heute etwas angehen bzw. bedeuten können.

Ich bezog mich darauf - ohne das weiter auszuführen - das die Bibel nicht nur für Christen eine Norm darstellt, sondern für auch Gesetz. Deine Einschränkung auf Christen muss ich wohl überlesen haben.

Die (ethischen) Antworten nimmt ihm niemand ab, auch die Bibel
nicht.

Das kann man so sehen, muss aber eben nicht so sein. Wie schon gesagt, aus orthodox jüdischer Sicht verhält es sich anders und auf diese Fragen findet man dann hier die Antworten.

Bibel & Thora stellen uns vor den selben Entscheid
Guten Tag

Ich bezog mich darauf - ohne das weiter auszuführen - das die
Bibel nicht nur für Christen eine Norm darstellt, sondern für
auch Gesetz. Deine Einschränkung auf Christen muss ich wohl
überlesen haben.

Diese Einschränkung hat der Fragesteller gemacht, nicht ich. Er sprach
ausschliesslich die BIBEL an und wie sich CHRISTEN dazu verhalten, nicht die
THORA (das Alte Testament) und wie JUDEN sich zu dieser verhalten.

Aber: Falls du ein Israeli jüdischen Glaubens bist und militärdienstpflichtig,
stehst du auch vor dem selben Entscheid: Soll ich Menschen im Nachbarland
Palästina töten? Und, wenn du dies aus Glaubensgründen nicht tun willst,
gehörst du dort zu einer winzigen Minderheit …

Freundlich grüsst

Rolfus

illegales Töten
Hallo Mike,
danke dass du die sprachlichen Grundlagen so detailliert herausgearbeitet hast.

Wir können also nun erkennen, das der Urtext ein nicht mit den deutschen Wortbedeutungen deckungsgleiches Wort verwendet, das u. a. sowohl morden als auch töten heißen konnte.

Das Gebot ist - wie eigentlich alle - sehr knapp und absolut gefasst.
Es dürfte also keine Ausnahmen geben.

Wenn wir das nun mit dem gesellschaftlichen Kontext korrelieren, können wir erkennen, welche Bedeutung der Formulierung zur Entstehungszeit des Wortes zukam.

Dazu stelle ich nur zweierlei fest:
#Die Juden haben zu allen Zeiten Tiere getötet, bis zur Zerstörung des Tempels sogar zu kultischen Zwecken. Daraus folgt, dass ein Tötungsverbot jedweden Lebewesens nicht bestanden haben kann.
#Zur Entstehungszeit des AT gab es die Todesstrafe und (göttlich) legitimierte Kriege, damit kann es auch kein absolutes Tötungsverbot bezüglich Menschen gegeben haben.

Da das AT legales Töten von Menschen kennt, kann mit dem Gebot nur illegales Töten gemeint sein.
Diese juristische Dimension wird aber im deutschen treffender mit dem Wort „morden“ ausgedrückt, als mit „töten“, welches sich auch auf Amöben oder sogar Spinat beziehen würde.

Gruß
Werner

Hallo Gernot

Wie ist nun das mit dem Risiko. Einige Branchen (Verkehr und Bau zB)
leisten sich ein Risko, das Menschenleben kleiner einzustufen, als
der anzustrebende Gewinn. Dazu ist ein großer Zeitdruck und die verschleissende Technik ein Argument, das die Richter milder stimmen.
Mit Geld lässt es sich ja machen. Das Leben ist ein Spiel.
Sind halt eine Kette unglicklicher Umstände die zum Tode führte.
Wenn jeder die Verantwortung, die er schließlich tragen muß, wahre, würden viele Menschen noch heute leben. Ironisch gesagt: Sicherheit gegen Arbeitsplatz.

Servus

Peter S

[Bei dieser Antwort wurde das Vollzitat nachträglich automatisiert entfernt]

morden zeigt auch nur einen Aspekt

Hallo Mike,

Hallo Werner

danke dass du die sprachlichen Grundlagen so detailliert
herausgearbeitet hast.

Du weisest demgegenüber auf den juristischen Gehalt des Gebotes hin, was auch ein neues Gesprächsfeld eröffnet. Vergiss aber nicht den ethischen.

Wir können also nun erkennen, das der Urtext ein nicht mit den
deutschen Wortbedeutungen deckungsgleiches Wort verwendet, das
u. a. sowohl morden als auch töten heißen konnte.

Achtung, nicht vergessen: Morden, töten, zerschlagen, totschlagen - all das. Insbesondere das Wort „zerschlagen“ spricht etwas Eigenes an, denn es meint zerstörerisch sein, destruktiv sein, Leben zerstörend ganz allgemein, Leben verhindernd, Leben anderem unterordnend, Leben geringachtend in jeder Hinsicht.

Vielleicht haben die „Tierschützer“ mit dem Argument des „Tiermordens“ also gar nicht so unrecht, obwohl wir wissen, dass jeder Bauer seine eigene Kuh rein juristisch gesehen abschlachten darf und durfte, wenn er wollte. Man redete ihm nicht drein, hiess aber damit nicht automatisch jede Tötung gut. Interessant ist die Folgerung, wer nun wann wen verurteilte oder begnadigte und sich dabei auf das 5. Gebot berief, bzw. ob der Richtende dann jeweils gut gehandelt hat mit solchen Verurteilungen.

Das Gebot ist - wie eigentlich alle - sehr knapp und absolut
gefasst.
Es dürfte also keine Ausnahmen geben.

In gewissem Sinn nicht, die noch zu klärende Frage ist, was genau gemeint ist. Wenn jemand diametral, also ganz eindeutig, dagegen verstiess, handelte er damit gegen das gottgegebene Gesetz des Landes und wurde bestraft. Dennoch war es religiösen oder richterlichen Instanzen offen, ihn zu begnadigen. Wie man das richtig verstehen sollte, war eine täglich betrachtete Frage vieler jüdischer und später auch christlicher Generationen.

Wenn wir das nun mit dem gesellschaftlichen Kontext
korrelieren, können wir erkennen, welche Bedeutung der
Formulierung zur Entstehungszeit des Wortes zukam.

Das ist schon ein ganz wesentliches Element, aber zusätzlich zum gesellschaftlichen Kontext spielen Vorgeschichte, allgemeines damaliges Sprachverständnis, Glaube des damaligen Volkes, damalige Sprache und heutige Sprache alle auch eine Rolle.

Dazu stelle ich nur zweierlei fest:
#Die Juden haben zu allen Zeiten Tiere getötet, bis zur
Zerstörung des Tempels sogar zu kultischen Zwecken. Daraus
folgt, dass ein Tötungsverbot jedweden Lebewesens nicht
bestanden haben kann.

Einspruch, es handelt sich um einen ganz bestimmten Zweck, wenn Töten erlaubt war. Gläubige Juden aller Zeiten standen wohl dem zwecklosen Töten auch von Tieren ablehnend gegenüber, bis hin zu öffentlichen Konsequenzen.

#Zur Entstehungszeit des AT gab es die Todesstrafe und
(göttlich) legitimierte Kriege, damit kann es auch kein
absolutes Tötungsverbot bezüglich Menschen gegeben haben.

Deren Zweck war wiederum die Verhinderung von noch vermehrtem Töten, also gewissermassen eine Art Gegenfeuer zum Zweck der Selbsterhaltung. -

Aber es gibt darüberhinaus auch zu bedenken, dass das Gebot als überzeitlich angeschaut wird. Dass die damalige Gesellschaft das Gebot unter Umständen falsch verstand, muss auch noch einkaluliert werden, wenn man ernst nehmen will, dass das Gebot gottgegeben ist.

Da das AT legales Töten von Menschen kennt, kann mit dem Gebot
nur illegales Töten gemeint sein.

Nein, das legale Töten existierte zwar, wurde aber nie und nimmer empfohlen! Im Gegenteil, ein milder Richter wurde als gütig gepriesen und ein Friedensfürst im Gegensatz zum Krieger hoch gelobt.

Diese juristische Dimension wird aber im deutschen treffender
mit dem Wort „morden“ ausgedrückt, als mit „töten“, welches
sich auch auf Amöben oder sogar Spinat beziehen würde.

Das Problem ist, dass das „morden“ sich dann auf zu wenige Fälle einschränkt. Eine Weisung „Du sollst nicht töten, nicht mutwillig zerstören, keine Dinge zerschlagen, keine Tiere unnötig quälen, kein Menschenleben auslöschen und schon gar nicht morden“ wäre in der heutigen deutschen Sprache möglicherweise ebenso angepasst wie damals die Fassung des 5. Gebotes.

Gruß
Werner

Gruss
Mike

Danke für die interessanten Antworten
owT

Hallo,
ehrlich gesagt kann ich dir in vielem nicht mehr ganz folgen.

Ich dachte es geht um die Streitfrage welchen Umfang des Lebensschutzes das Gebot meinte und für die deutsche Übersetzung die Frage welches deutsche Wort dies am geeignetsten wiedergibt.

Das Wort in unterchiedlichen Zusammenhängen etwas jeweils verschiedenes bedeuten ist in jeder Sprache so. Trotzdem haben die Worte im konkreten Zusammenhang meistens eine relativ eindeutige Bedeutung.
Dass das hebräische Wort mit mehreren möglichen Bedeutungen ausgewiesen wird heißt also nicht, dass alle dies Bedeutungen hier auf einmal vorliegen und ins Deutsch übertragen werden müssten.

Ich denke dass ich aufgezeigt habe welche der für uns zur Debatte stehenden Übersetzungsmöglichkeiten die wahrscheinlichste ist.

Gruß
Werner

Hallo,

Hallo Werner

Ich dachte es geht um die Streitfrage welchen Umfang des
Lebensschutzes das Gebot meinte und für die deutsche
Übersetzung die Frage welches deutsche Wort dies am
geeignetsten wiedergibt.

Es geht um die Frage, ob die Bedeutung, die das Wort hat (und haben soll!), korrekt wiedergegeben wird (bzw. welche Kirche da mit welcher Begründung und welchen Folgen etwas anders als erwartet hätte hinstellen können).

Trotzdem haben
die Worte im konkreten Zusammenhang meistens eine relativ
eindeutige Bedeutung.

Du hast seriös nach diesem Zusammenhang gefragt, und ich wollte dafür sorgen, dass Du ihn nicht verabsolutierst, wenn Du ihn findest.

Den Zusammenhang der Stelle im hebräischen Urtext und einer möglichen deutschen Übersetzung können wir nur finden, wenn wir sowohl mit dem, was wir wissen wollen, als auch mit dem, was wir schon wissen, und mit dem, was wir weitergeben wollen, bewusst umgehen.

Nehmen wir das Kernproblem kurz auseinander. Es war ein kleiner Junge (bspw. Du oder ich), der wollte wissen, wie ernst das fünfte Gebot gemeint sei und was es alles fasse. Der reformierte Pastor sagte ihm, er solle erst Hebräisch lernen, dann verstehe er es. Der katholische Pfarrer meinte, er möge die Vulgata nehmen und sich zufriedengeben. Der jüdische Rabbi erklärte ihm, er solle sich vom Töten von Menschen fernhalten, der Rest ergebe sich dann schon, er möge einfach das Gebot still weiter betrachten. Das Schicksal wollte es, dass unser Junge Sprachen, Theologie und Recht studierte. Er lernte, dass die Mächtigen seines Landes den Mord eines Menschen von der Tötung eines Menschen unterscheiden. Er lernte, dass das Gebot der Bibel nicht nur Rechtsnorm, sondern besonders auch Sittennorm und Glaubensnorm sei; jedenfalls sei sie soweit als gültig zu verstehen, als es ihm sein Herz gebiete.

Da fragte der Junge ganz erstaunt: Was, mein Herz soll den toten Buchstaben des fünften Gebotes lieben lernen? Und dann lernte der Junge dieses Gebot lieben.

Gruss.

Gruß
Werner

Hallo,
fast poetisch, aber für mich leider wenig erhellend.
Trotzdem danke.
Werner