Hallo Borbah,
ich möchte meine Sicht der Dinge mitteilen, weil sie in der Frage der Erlösung einen ganz anderen Aspekt enthält. Ob dies der Sicht meiner Kirche vollkommen entspricht, weiß ich nicht, aber das ist für mich auch egal, weil ich daran glaube, gemeinsam mit allen Menschen erlöst zu sein.
Die erste Sünde (die sogenannte Erbsünde) ist ja laut biblischer Überlieferung geschehen, weil ein ganz einfaches Gebot, welches nur als Zeichen des Vertrauens gedacht war („Vertraust Du mir? Dann iss es einfach nicht und frag nicht weiter.“), übertreten wurde. Bis dahin lebten Adam und Eva in Eintracht mit der Schöpfung, Gott selbst spazierte durch den Garten Eden und alle waren glücklich, und jetzt ist plötzlich dieses Misstrauen da.
Und das, befreit von aller Mythologie, äußert sich außer in der symbolischen Handlung auch ganz alltäglich: Als Gott fragt: Habt ihr etwa vom Baum gegessen?, da sagt Adam nicht einfach, ja, tut mir leid, sondern er sagt: Meine Frau ist schuld. Die sagt: Die Schlange ist schuld. In diesen gegenseitigen Schuldzuweisungen ist alle ursprüngliche Harmonie untergegangen, und das ärgert Gott natürlich. Denn wer fühlt sich nicht davon gestört, wenn Menschen, die ihm nahe stehen, in Streit geraten?!
Und diese Erbsünde wurde unter den Menschen immer weitergegeben, sie entfernten sich immer weiter von Gott. Bereits Adams und Evas erster Sohn Kain verübt einen Brudermord, später begehen Lots Töchter Inzest mit ihrem Vater, noch später begeht das ganze Volk Israel in der Wüste Sinai Gotteslästerung, was ja ein erneuter Vertrauensbruch mit Gott ist: Nur weil der grad ein paar Tage mit Mose auf dem Berg verweilt, fühlt sich das Volk gleich verlassen und will einen sichtbaren Gott selbst herstellen, obwohl es sieht, dass bislang alles gut gegangen ist und Pharao besiegt ist. Am Ende opfern die Menschen immerzu (ohne sich zuvor ihrer Vergehen schuldig zu bekennen!), weil sie denken, dass sie dadurch von Gott mehr geliebt werden; aber stell dir vor, dein Vater lässt dich im Stich und will das wiedergutmachen, indem er dir Geschenke macht, aber kommt trotzdem nicht zurück - das stellt dich doch auch nicht zufrieden.
Genauso war das bei Gott, und wieviele Propheten er auch schickte, wenn sich der eine Teil seines Volkes besann und Gottes Nähe wieder suchte, war der andere schon abgefallen. So konnte das nicht weitergehen!
Also sandte er ein Zeichen, und das war Jesus. Der hat dem Volk gleichzeitig gezeigt: So sollt ihr leben, und so ist Gott zu euch. Durch diese Gleichzeitigkeit wirken seine Taten manchmal ein wenig inkonsequent: Die Einen heilt er einfach, weil sie gerade da sind, damit er ein Zeichen tun kann, und ein andermal will er erst hören, dass die zu Heilende verstanden hat, dass die Liebe Gottes für alle reicht (vgl. Mt 15,21-28). So wirkt er im Leben als Zeichen.
Dann muss er leiden und zeigt damit den Menschen: Es ist nicht immer einfach, mit Gott im Einklang zu sein. Das ist kein So-in-den-Tag-hinein-Leben-und-dann-einfach-ein-Opfer-Bringen, sondern das geht bis zur Selbstaufgabe. (Nun ist es ja so, dass nicht jeder sich selbst aufgeben kann, und das verlangt Gott auch gar nicht, wie Jesus uns in seinem Leben gezeigt hat. Aber dass es einiger Mühe und eines festen Glaubens bedarf, um Gott nahe zu sein, dass zeigt er uns.)
Und am Ende ist die Auferstehung. Zum allererstenmal ist ein Mensch auferstanden, und dies vermittelt die Aussicht auf die Auferstehung aller gläubigen Menschen am jüngsten Tage, so wie die Erbsünde gezeigt hat, dass der Mensch zur Missetat fähig ist. Diese erste Auferstehung ist für Christen das wichtigste Ereignis im neuen Testament, und um unser Leben (symbolisch) unter das Zeichen der Auferstehung zu stellen, lassen wir uns taufen. In dieser Auferstehung finden wir die eigentliche Erlösung, da Gott uns verspricht, er werde die Erde neu erschaffen als das Paradies, welches sie ursprünglich war. Da können aber nur die Menschen rein, die sich wirklich um Vertrauen bemühen, da sonst ein erneuter Sündenfall möglich wäre.
Hin und wieder ist in dieser Diskussion die Frage aufgetaucht, warum Gott die Menschen nicht einfach perfekt geschaffen hat. Die Antwort ist eigentlich ganz einfach: Gott wollte keine Roboter, die sich an seine Gebote halten, weil sie so programmiert sind. Er wollte Wesen, die ihm ihre Liebe zeigen, indem sie sich bewusst für seinen Weg entscheiden. Wenn du dir die perfekte Frau schaffen könntest, die immer macht, was du von ihr verlangst, würdest du das wirklich wollen, auch wenn du dich jeden Tag fragen müsstest, ob sie dich auch lieben würde, wenn sie nicht darauf programmiert wäre? Und da Gott uns ja nach seinem Bilde geschaffen hat, lassen sich viele Entscheidungen Gottes nachvollziehen, wenn wir in unserem Leben suchen.
Und um das jetzt auch noch vorwegzunehmen: Natürlich wird niemand seinen Sohn opfern, um einen lieben Menschen zu retten. Aber der Ausdruck „Gottes Sohn“ ist ja erstens nichts weiter als ein Sinnbild (zumindest nach der Dreieinigkeitslehre ist Christus ja ein Teil Gottes), und zweitens lebt Jesus auch nach seinem Tod weiter. Um hier die Analogie zu ziehen, würde ich mir vorstellen, dass mein Bruder eine Knochenmarkspende benötigt. Es ist nur ein Teil von mir, ich (und auch mein Knochenmark) leben danach weiter, aber ich kann noch meinem Bruder das Weiterleben ermöglichen.
Liebe Grüße,
Immo