Hi @all!
Meine Frage könnte durchaus auch ins Psychologie-Brett gehören - mir ist aber eine „geistige-intellektuelle-moralische-philosophische oder was auch immer-“ Definition wichtiger:
Wenn es um das Sterben geht, haben die meisten Menschen ja eigentlich Angst vor dem „Sterbeprozess“ - weil sie sich vor Schmerzen, unbekannten Bewusstseinsänderungen, den nicht mehr zu steuernden Weg ins Jenseits o.äh. fürchten.
Da ich selbst ja bereits ein derartiges (Fast-)Sterbeerlebnis positiv erlebte und auch das Sterben meiner beiden Elternteile bis zum Schluss begleiten durfte, ohne jemals das Gefühl zu haben, dass sie in diesem Zustand noch irgendwelche Sorgen oder Ängste oder Wünsche bewegten, weil sie eben schon nicht mehr ganz in dieser Welt waren, beinhaltet dieser Prozess für mich keinerlei Schrecken mehr. Was mich schreckt, ist die Vorstellung des „Nichts“. Nicht mehr sein, nicht mehr teilnehmen, nicht mehr hoffen, nichts mehr wünschen, nichts mehr „erledigen“ können etc. etc. (endlose Liste)
Ich glaube zwar an (m)einen lebendigen Gott - aber eben nur an den der Lebenden. Ich glaube nicht an ein Leben nach dem Tode, woran sich viele klammern, um nicht am Entsetzen vor dem Unvorstellbaren der Nichtexistenz zu verzweifeln…
Welche Aussagen gibt es darüber?
Bitte, bitte für Normalbürger verständlich (*mal eben Daggi zuwinke )
Bin jetzt sehr gespannt… (wobei mich offengestanden persönliche Aussagen mehr interessieren, als irgendwelche Theorien… die aber durchaus auch…)
Schönen 4. vor dem Showdown Allen,
Anja
Hi,
um die Liste mal fortzusetzen,
keine Rechnungen mehr bezahlen müssen, keine Verantwortung, keine Ärger keinen Stress…
Man hört als Mensch auf zu existieren, anderereits existiert man unendlich weiter, und wenn nur in Form von Molekülen und Energie…
Ich meine, mit dem Sterben haben die Angehörigen mehr Probleme als der Sterbende selbst. Vor allem weil unsere Kultur für den Tod eigentlich keinen Platz hat, weil er als negativ, nicht zum Leben gehörig, als letztendlicher Misserfolg gesehen wird.
A.
Lieber Andreas,
leider hast Du überhaupt nichts von dem verstanden, was ich da beschrieben habe…
Gruß,
Anja
Hi,
oder aber man kann diese Frage verschieden lesen und beantworten.
Es ist ein Hauptproblem bei Kommunikation, dass ein Empfänger unter einer Botschaft möglicherweise etwas ganz anderes versteht, als der Absender beabichtigt hat…
A.
Hallo Anja,
ich versuche einmal, eine meiner Ansicht nach bedeutende Theorie hierzu allgemeinverständlich und kurz darzustellen.
Martin Heidegger versucht dem von dir als problematisch empfundenen Gefühl etwas Positives abzugewinnen, indem er darauf hinweist, dass wir ohne diese Angst vor dem Nichts unzufrieden wären, weil wir dann keine wirkliche Herausforderung spüren würden. Diese Herausforderung motiviert uns sozusagen, das, was wir während unseres Lebens leisten können, auch tatsächlich zu leisten.
In der Kürze lass ich das jetzt erst einmal so stehen. Wenn dich diese Art der Behandlung des Themas interessiert, können wir uns gerne weiter darüber austauschen.
Hier: http://www.wer-weiss-was.de/cgi-bin/forum/showarchiv…
findest du einen Thread von vor 2 Jahren, wo ich etwa in der Mitte (wo „Heidegger“ im Titel steht) diese Theorie ein wenig fachlicher, aber wie ich meine immer noch verständlich dargestellt habe.
Herzliche Grüße
Thomas Miller
Hi Thomas,
ich versuche einmal, eine meiner Ansicht nach bedeutende
Theorie hierzu allgemeinverständlich und kurz darzustellen.
s.u.
Martin Heidegger versucht dem von dir als problematisch
empfundenen Gefühl etwas Positives abzugewinnen, indem er
darauf hinweist, dass wir ohne diese Angst vor dem Nichts
unzufrieden wären, weil wir dann keine wirkliche
Herausforderung spüren würden. Diese Herausforderung motiviert
uns sozusagen, das, was wir während unseres Lebens leisten
können, auch tatsächlich zu leisten.
Das entspricht ja tatsächlich dem, was ich in meinem Beitrag „Sinn des Lebens“ im Reli-Brett geschrieben habe…
Hier:
http://www.wer-weiss-was.de/cgi-bin/forum/showarchiv…
findest du einen Thread von vor 2 Jahren, wo ich etwa in der
Mitte (wo „Heidegger“ im Titel steht) diese Theorie ein wenig
fachlicher, aber wie ich meine immer noch verständlich
dargestellt habe.
Ich habe das sehr gut verstanden, es berührt genau meine Frage - und vor allem bin ich froh, mich doch nicht so missverständlich ausgedrückt zu haben…
Und doch noch eine ergänzende Frage:
wie unterscheidet der Philosoph die Begriffe Angst und Furcht?
(Oder macht das der Psychologe???)
Ein gutes Finish für den Showdown bis zum 24.
wünscht Dir
Anja )
Hallo Anja,
Das entspricht ja tatsächlich dem, was ich in meinem Beitrag
„Sinn des Lebens“ im Reli-Brett geschrieben habe…
nicht ganz, denn Heidegger versteht die Angst als ein sog. Existential, als ein Wesensmoment des Menschen, das auch auf dem Sterbebett nicht zufrieden macht.
wie unterscheidet der Philosoph die Begriffe Angst und Furcht?
(Oder macht das der Psychologe???)
Furcht ist immer „Furcht vor etwas Bestimmtem“. Das, wovor man Angst hat, ist unbestimmt - und ängstigt gerade aus diesem Grund, also weil man nicht weiß, was es ist.
Ein gutes Finish für den Showdown bis zum 24.
Danke schön. Dir auch.
Herzliche Grüße
Thomas Miller
Hi Anja!
Und doch noch eine ergänzende Frage:
wie unterscheidet der Philosoph die Begriffe Angst und Furcht?
(Oder macht das der Psychologe???)
Kierkegaard z.B. unterscheidet folgendermaßen:
Furcht ist stets auf eine bestimmte Drohung bzw. drohendes Objekt bezogen; die Angst ist auf etwas Unbestimmtes, letztlich auf das Nichts bezogen. Für K. übrigens ist Angst der Ausdruck der Freiheit, in ihr drückt sich die Gesamtheit der menschlichen Natur aus. (Schwindel der Freiheit)
Es mag sein, dass es so eine Art Grundangst gibt, die kurz nach oder während der Geburt gebildet wird und aus der sich dann alle Ängste/Befürchtungen speisen, je nach individuellen Erfahrungen. Furcht vor einem drohenden Objekt hat allerdings lebensbeschützenden Charakter. Sie fordert Kampf oder Flucht. Es ist also wichtig diese Differenzierung.
Auch ich hatte schon Heidegger in den Tasten, unterließ es aber, weil er doch eine oft schwere Sprache benützt, umso erfreuter bin ich, dass Thomas es doch so meisterlich geschafft hat, H. allgemeinverständlich transparent zu machen. Seine grundsätzliche metaphysische Frage lautet: Warum ist überhaupt Seiendes und nicht vielmehr Nichts? (Er unterscheidet zwischen Sein und Seiendem - die ontologische Differenz)
Hegel identifiziert das Nichts mit dem Sein, beide Begriffe sind unbestimmbare Abstraktionen; das Sein geht in das Nichts und das Nichts in das Sein über. Die (dialektische) Synthese ist das Werden.
Soweit so gut, bleibt also noch der Tod!
Eine Hypothese:
Niemand weiss was Tod ist, niemand hat ihn je „erlebt“ und niemand wird das je tun. Die Erzählungen davon stammen von Lebenden. Sollte es wirklich so sein, dass nichts bleibt, dann erübrigen sich auch auch unsere Befürchtungen, denn auch sie wären schlussendlich „Nichts“!
Eine einfache Weisheit besagt: Wo die Angst ist, ist die Tür.
Zum einen treibt sie uns an, (wie schon erwähnt - Heidegger) und zum anderen zeigt sie den Weg auf. Der schlichte Volksmund spricht ja auch schon von der flügelverleihenden Angst. Hat man diese Aufgabe der A. einmal erkannt, wird sie "sinn"los und löst sich auf. Gebundene Energie wird freigesetzt und steht uns zur Verfügung.
Es geht also nicht darum Angst zu bekämpfen, sondern deren Sinn zu erkennen. Denn hat man sie irgendwo „besiegt“, kann sie an anderer Stelle wieder auftreten. Jetzt werden womöglich einige Psychologen auf die Barrikaden gehen, aber seis drum. Diskussionen willkommen!
Gruss
Junktor
Hi Thomas,
Das entspricht ja tatsächlich dem, was ich in meinem Beitrag
„Sinn des Lebens“ im Reli-Brett geschrieben habe…nicht ganz, denn Heidegger versteht die Angst als ein sog.
Existential, als ein Wesensmoment des Menschen, das auch auf
dem Sterbebett nicht zufrieden macht.
Zufriedenheit ausgeschlossen? Existential heißt ja nicht per se Unzufriedenheit, oder?
wie unterscheidet der Philosoph die Begriffe Angst und Furcht?
(Oder macht das der Psychologe???)Furcht ist immer „Furcht vor etwas Bestimmtem“. Das, wovor man
Angst hat, ist unbestimmt - und ängstigt gerade aus diesem
Grund, also weil man nicht weiß, was es ist.
Das finde ich jetzt seltsam. Für mich waren diese Begriffe bisher genau umgekehrt „besetzt“:, d.h. Furcht als etwas Unbestimmtes, Angst vor etwas Konkretem… (Flugangst, Höhenangst etc.) - das ist doch etwas Konkretes, oder?
Auch herzliche Grüße zurück,
Anja
Hallo Thomas,
wie unterscheidet der Philosoph die Begriffe Angst und Furcht?
(Oder macht das der Psychologe???)Furcht ist immer „Furcht vor etwas Bestimmtem“. Das, wovor man
Angst hat, ist unbestimmt - und ängstigt gerade aus diesem
Grund, also weil man nicht weiß, was es ist.
Ist Furcht nicht ein (pseudo-)Prozeß (sich fürchten) und Angst (Angst haben) ein Zustand?
fragt:
Frank
Hallo Anja,
Zufriedenheit ausgeschlossen? Existential heißt ja nicht per
se Unzufriedenheit, oder?
das ist die Frage … Ich würde sagen, dass vom existentialistischen Konzept (das mit Kierkegaard einsetzt, Junktor hatte schon darauf hingewiesen) her gesehen die Zufriedenheit als Mensch ausgeschlossen ist. Denn als Mensch zu leben, bedeutet hiernach, „sich um sich selbst zu sorgen“ im Sinne eines „Vorlaufens in den Tod“ (so drückt Heidegger das aus). Wer sich also nicht mehr sorgt, lebt nicht mehr, und also muss der, der noch lebt, sich immer noch „sorgen“.
Für mich waren diese Begriffe
bisher genau umgekehrt „besetzt“:, d.h. Furcht als etwas
Unbestimmtes, Angst vor etwas Konkretem… (Flugangst,
Höhenangst etc.) - das ist doch etwas Konkretes, oder?
Naja, die von mir verwendete Terminologie ist die der Existentialisten . Andere Konzepte, die das in deinem Sinn betonen würden, fallen mir im Moment nicht ein. Umgangssprachlich ist mir diese gegenläufige Definition aber schon begegnet. Letztlich ist ja egal, wie man es nennt, Hauptsache ist, man weiß, was gemeint ist.
Herzliche Grüße
Thomas Miller
Hallo Frank,
Ist Furcht nicht ein (pseudo-)Prozeß (sich fürchten) und Angst
(Angst haben) ein Zustand?
welche Gründe gäbe es, so zu differenzieren? Mir ist diese Unterscheidung nicht geläufig. Im Moment kann ich mir nicht denken, in welchem Sinne es gut sein sollte, so zu unterscheiden, aber vielleicht gibt es ja Voraussetzungen, an die ich nicht gedacht habe.
Herzliche Grüße
Thomas Miller
Hallo Junktor,
Kierkegaard z.B. unterscheidet folgendermaßen: …
genau die Unterscheidung meinte ich, danke für die Erklärung.
dass Thomas es doch so meisterlich geschafft hat, H.
allgemeinverständlich transparent zu machen.
Oh, danke.
Seine grundsätzliche metaphysische Frage lautet: Warum ist
überhaupt Seiendes und nicht vielmehr Nichts? (Er
unterscheidet zwischen Sein und Seiendem - die ontologische
Differenz)
Aber diese Differenz ist für die Angst nicht einschlägig. „Sein und Zeit“ ist ja bekanntlich Torso geblieben und behandelt diese Frage nur aus der Sicht des Da -seins, also des Menschen.
Hegel identifiziert das Nichts mit dem Sein, beide Begriffe
sind unbestimmbare Abstraktionen; das Sein geht in das Nichts
und das Nichts in das Sein über. Die (dialektische) Synthese
ist das Werden.
Auch das scheint mir für die Frage nach Angst und Tod nicht einschlägig.
Soweit so gut, bleibt also noch der Tod!
Eine Hypothese:
Niemand weiss was Tod ist, niemand hat ihn je „erlebt“ und
niemand wird das je tun. Die Erzählungen davon stammen von
Lebenden. Sollte es wirklich so sein, dass nichts bleibt, dann
erübrigen sich auch auch unsere Befürchtungen, denn auch sie
wären schlussendlich „Nichts“!
Als Hypothese gefällt mir das gut.
Eine einfache Weisheit besagt: Wo die Angst ist, ist die Tür.
Zum einen treibt sie uns an, (wie schon erwähnt - Heidegger)
und zum anderen zeigt sie den Weg auf. Der schlichte Volksmund
spricht ja auch schon von der flügelverleihenden Angst. Hat
man diese Aufgabe der A. einmal erkannt, wird sie "sinn"los
und löst sich auf. Gebundene Energie wird freigesetzt und
steht uns zur Verfügung.
Das ist die Theorie von Jaspers, denke ich.
Es geht also nicht darum Angst zu bekämpfen, sondern deren
Sinn zu erkennen. Denn hat man sie irgendwo „besiegt“, kann
sie an anderer Stelle wieder auftreten. Jetzt werden womöglich
einige Psychologen auf die Barrikaden gehen, aber seis drum.
Diskussionen willkommen!
Psychologische Angst anders zu bewerten als philosophische, weil hier der Faktor Gesundheit/Krankheit eine Rolle spielt. Ich habe im Moment keine Zeit, das genauer zu erläutern, aber vielleicht kommen wir ja noch dazu.
Herzliche Grüße
Thomas Miller
Hallo Thomas!
Aber diese Differenz ist für die Angst nicht einschlägig.
„Sein und Zeit“ ist ja bekanntlich Torso geblieben und
behandelt diese Frage nur aus der Sicht des Da -seins,
also des Menschen.
Ich reflektierte: „Was ist Metaphysik.“
Nach Heidegger ist das Nichts die schlechthinnige Verneinung des Seienden. Das Nichts kann in der Angst erfahren werden. Erst in der Erfahrung des Nichts in der Angst kann die „ursprüngliche Offenheit des Seienden“ als solche erfahren werden.
Die ontologische Differenz bezog sich auf die Ausgangsfrage nach dem Nichts.
Auch das scheint mir für die Frage nach Angst und Tod nicht
einschlägig.
Nein, nur dem Nichts. In unserem Ausgangsposting wird das aber subjektiv zwischengeschaltet. Und da steht die Fragerin ja nun nicht alleine da. Ich kann und darf ihre Gefühle ja nicht einfach ignorieren. Wenn man aber ein emotionales Problem rational geklärt hat, besitzt man ein solides Fundament um es so weit als möglich objektiv zu bewerten.
Das ist die Theorie von Jaspers, denke ich.
Das weiss ich nicht, stammt von mir. Wenn Jaspers das auch so sieht, dann würde mich das freuen. Weisst du oder jemand anderes näheres?
Psychologische Angst anders zu bewerten als philosophische,
weil hier der Faktor Gesundheit/Krankheit eine Rolle spielt.
Ich habe im Moment keine Zeit, das genauer zu erläutern, aber
vielleicht kommen wir ja noch dazu.
Ja genau! Gespannt auf deine Erläuterung!
Herzliche Grüße
Junktor
Das Sein
Hi Anja
selbstverständlich ist das vor-gestellte vollständige Verlöschen von allem, was das sinnlich-materielle Leben ausmacht (du zähltest ja auf, was du als dazugehörig ansiehst), der Inbegriff des Schreckens.
Dieser Schrecken mag aber darin seine Quelle haben, daß genau diese Vorstellung niemals vollständig möglich ist. Ganz einfach deshalb, weil sie an die Fähigkeit gebunden ist, sich etwas vorzustellen, und diese Fähigkeit gehört ja mit zu dem, dessen Aufhören man sich vorstellen möchte.
Das Denken aber vermag über das Vorstellungsvermögen hinauszugehen. Und der Gedanke, der hier anzuschließen ist, ist eben der, daß mit dem „Nichtmehr“ alles Sinnlichen auch die Trauer um dieses Verlöschen verlöscht - und damit auch der Schrecken vor dem Nichtmehr aufgehoben wird.
Der Schrecken vor dem „Nichts“ (sofern du darunter das „zukünftige Nichtmehr“ verstehst) gehört also dem „Sein“ an und bestätigt den Antrieb der Selbsterhaltung gegen die Ver"nichtung", der ja das sinnliche Leben gerade ausmacht.
Der Genuß des Lebens muß sich also den Luxus dieses Schreckens leisten.
Zugleich sagst du, daß der Prozess des Sterbens für dich - durch deine Erlebnisse gefördert - keinerlei Schrecken mehr hat. Soweit ich dich verstanden habe, bindest du diese Freiheit von Schrecken aber an ein anderes Aufhören, nämlich das Aufhören von Sorgen, Ängsten und Wünschen. Da diese aber gebunden sind an das, dessen Aufhören dich erschreckt, bedingt sich beides, das du erlebst, wechselseitig. Die Freiheit von Sorge ist auch die Freiheit von dem, was die Sorge verursacht.
Ich glaube zwar an (m)einen lebendigen Gott - aber eben nur an
den der Lebenden. Ich glaube nicht an ein Leben nach dem Tode,
woran sich viele klammern, um nicht am Entsetzen vor dem
Unvorstellbaren der Nichtexistenz zu verzweifeln…
Daß du denen, die an ein „Leben nach dem Tode“ glauben, diesen Glauben als eine Bewältigung des Entsetzens unterstellst, entspricht zwar nicht dem, an das Menschen glauben, wenn sie glauben, daß das Leben mehr ist, als das, was stirbt. Dennoch sagst du damit ja, daß du bereit bist, dich diesem Entsetzen voll auszusetzen - was dich ehrt.
Gerade darin aber liegt das, was im dem Glauben gefaßt wird, der das Leben als mehr als das Sinnliche ansieht, und daher das Leben durch den Tod nicht begrenzt sieht, sondern im materiellen Tod eine Befreiung zum „eigentlichen“ Leben sieht - ein „Mehr“ also, nicht ein „Weniger“.
In seiner Art der Sprache hat das Hegel (der ist zwar tot, aber du wolltest ja Aussagen dazu hören, und ich denke, nicht nur von Lebenden) so ausgedrückt:
„Der Tod der Natur ist das Erwachen des Geistes“.
Daß der mutige Blick ins Entsetzen dazugehört, sagt er an anderer Stelle genauer, allerdings in nicht ganz so einfacher Sprache. Dieses Zitat ist für mich eine der wichtigsten und weitestreichen Sätze von ihm (kürzlich wurde er mir nochmal als Widmung im Plauderbrett geschrieben). Vielleicht erkennst du deinen Gedanken darin ja wieder - und bestätigt:
„Aber nicht das Leben, das sich vor dem Tode scheut und von der Verwüstung rein bewahrt, sondern das ihn erträgt und in ihm sich erhält, ist das Leben des Geistes. Er gewinnt seine Wahrheit nur, indem er in der absoluten Zerrissenheit sich selbst findet.“
Und dann weiter:
"Diese Macht ist er nicht als das Positive, welches von dem Negativen wegsieht, sondern er ist diese Macht nur, indem er dem Negativen ins Angesicht schaut, bei ihm verweilt. Dieses Verweilen ist die Zauberkraft, die es in das Sein umkehrt.
"
Gruß
Metapher
Ursuppe und Glibberkollektiv
Hallo,
Meine Frage könnte durchaus auch ins Psychologie-Brett gehören
…oder aber auch in „Religion und Ethik“.
Was mich schreckt, ist die
Vorstellung des „Nichts“. Nicht mehr sein, nicht mehr
teilnehmen, nicht mehr hoffen, nichts mehr wünschen, nichts
mehr „erledigen“ können etc. etc. (endlose Liste)
Ich wage es mal, meine Auffassung davon anzureissen, Du hast ja nach persönlichen Ansichten gefragt.
Zunächst mal glaube ich daran, daß jeder Mensch nicht einfach spurlos verschwindet. All Deine Taten, jeder Gedanke von Dir, jedes Wort, bleibt globalgalaktisch gesehen erhalten, als eine Art Fußabdruck im Universum, und nichts bleibt ohne Folge. Jede Liebe, die Du geliebt hast, flitzt vergleichbar mit einem Lichtstrahl durch die Welten, auch wenn sie längst vorüber ist. Deine körperliche Hülle zerfällt, ohne Frage. Sie wird wieder eins mit dem, woraus sie entstanden ist… Weisst ja, Asche zu Asche und so. Deine Hülle existiert weiter, im Wind, in der Erde, im Wasser, vielleicht sogar in neuem Leben.
Dein Geist und Deine Seele sind von ihrer alten Hülle dann getrennt und kehren in meinem Glauben genau wie der Körper dorthin zurück, wo sie hergekommen sind. Was das ist? Nun…
Kennst Du Star Trek - Deep Space 9? In dieser Serie gibt es einen „Formwandler“ namens Odo, der besteht aus einer Art Quecksilber-Glibber und kann seine äußere Form beliebig verändern. In einer Folge findet er sein verloren geglaubtes Volk, seine „Familie“ - dargestellt als ein unendliches Quecksilber-Glibber-Meer, ein Kollektiv, alle Individuen verschmolzen.
So ähnlich, bloß eben immateriell kann man sich das vielleicht vorstellen, das „Meer der Seelen“, den Anfang und das Ende. Die spirituelle Energie, die alles durchdringt, in der wir uns stets bewegen. Aus der sich jedesmal, wenn ein Mensch geboren wird, ein Tropfen fast ablöst, erst ist es eine Auswölbung, die sich immer mehr formt, zum Tropfen, der auf dem Hähepunkt nur noch an einem seidenen Glibber-Faden hängt und dann langsam wieder zurückkehrt, bis er letztlich wieder verschmilzt. Passt, denn man sagt ja gerade Kindern und end-alten Leuten eine erhöhte Sensibilität für solche Dinge nach.
In dieser „Ur-Suppe“ spielen Zeit und Raum keine Rolle mehr, ebenso wenig, wie Gut und Böse, Freude und Leid oder sonstige Dimensionen. Es IST einfach nur.
Manchmal kann es vorkommen, dass man so etwas wie „mystische Erlebnisse“ hat, Momente, in denen man losgelöst von Körper, Zeit und Raum einen kurzem Blick über den seidenen Faden in die „Suppe“ werfen darf, in denen Du für einen kurzen, aber endlos scheinenden Augenblick den Kopf in diese Ebene strecken darfst und ein unglaubliches Gefühl erfährst, eine überwältigende Kraft, die Dich durchströmt und mit sich reisst - „pure Liebe“ beschreibt die Intensität ganz gut, wertet aber fälschlicherweise. Das sind wirklich bewegende Erlebnisse. Solche Momente lassen Dich verstehen, Du erkennst die Zusammenhänge, darfst kurz einen Schritt zurücktreten und alles, die Welt, Dein Dasein, Deine Emotionen, Deinen Geist und Deine Seele von „außen“ betrachten. Du erhältst Frieden, Vertrauen. Wunderschön. (Und ganz ohne Drogen!)
Deshalb hab ich weder Angst vor dem Tod noch vor dem „danach“.
Ich weiß nicht, ob diese Ansicht irgendeiner Wissenschaftlichkeit standhält, im Sinne von irgendeinem Glauben oder einer Philosophie, aber sie ist das, was ich weiss, was ich erlebe.
Gruß,
Malte.
Hallo Junktor,
Die ontologische Differenz bezog sich auf die Ausgangsfrage
nach dem Nichts.
nur noch einmal zur Klarstellung: Die ontologische Differenz ist die Differenz zwischen dem „Sein“ und dem „Seienden“, nicht die Differenz zwischen Sein und Nichts. Das Nichts bezieht sich also auf das fehlende Sein des Seienden und nicht auf das fehlende Sein des Seins, denn das Nichts hat ja zwar keinen ontischen, wohl aber einen ontologischen Status. Den freilich hat Heidegger nicht geklärt.
Das weiss ich nicht, stammt von mir. Wenn Jaspers das auch so
sieht, dann würde mich das freuen. Weisst du oder jemand
anderes näheres?
Ich kann bei Jaspers im Moment keinen Beleg finden. Aber diese Vorstellung dürfte sich auch etwa bei Binswanger finden. Ich müsste dich allerdings aus Zeitgründen nochmal vertrösten.
Herzliche Grüße
Thomas Miller
nur mal angemerkt:
in 100 jahren sind wir alle unter der erde und die komplette mannschaft is ausgewechselt. und was also die gesamtheit betrifft, ist noch (oder wieder) die volle substanz da, vielleicht ein klein wenich mutiert…
Hallo Thomas!
nur noch einmal zur Klarstellung: Die ontologische Differenz
ist die Differenz zwischen dem „Sein“ und dem „Seienden“,
nicht die Differenz zwischen Sein und Nichts.
Soweit OK!
Das Nichts
bezieht sich also auf das fehlende Sein des Seienden und
nicht auf das fehlende Sein des Seins, denn das Nichts hat ja
zwar keinen ontischen, wohl aber einen ontologischen Status.
Ich versuche es nochmal jede Kritik ist willkommen:
Heidegger versuchte die abendländische Metaphysik zu kritisieren, wo die Frage nach dem höchsten Seienden, nicht aber dem Sein gestellt wird. Folglich bleibt die Metaphysik ontisch, d.h. sie geht an der Differenz vorbei.
Soweit dürften wir einig sein? Heidegger geht es mit der Rede von der ontologischen Differenz aber auch um das Sichzeigen des Seins im Seienden.
(Laien weggucken: Die ontisch-existenzielle Ebene liegt der existenzial-ontologischen (fundamentalontologischen) Ebene voraus, auf der existenzial-ontologischen Ebene wird jedoch die ontisch-existenzielle Ebene in ihrer Struktur thematisiert.)
Ich zitiere: Dieses Sichzeigen hat einen „geschickhaften“ Charakter, der nur im eigentlichen Denken (im „Andenken an das Sein“ als Ereignis) erfahren wird.
Aus diesem Sichzeigen des Seins heraus kann man nun das Nichts identifizieren, das da relativ zum Sein, nicht absolut sein kann. Es wäre ein Nichts nach(!) Sein. Wenn die Zeit denn nun relativ wäre? Aber damit fang ich jetzt aber nicht an. Daraus die Frage: Warum ist das Seiende und nicht das Nichts?
Den freilich hat Heidegger nicht geklärt.
Dann machen wir da weiter!
Ich kann bei Jaspers im Moment keinen Beleg finden. Aber diese
Vorstellung dürfte sich auch etwa bei Binswanger finden. Ich
müsste dich allerdings aus Zeitgründen nochmal vertrösten.
Das wäre nett!
Meinst du der Google gibt was her? Wenn man nicht recht weiss wo man suchen muß, gestaltet sich das etwas schwierig. Welche Stichwörter würdest du eingeben? Das interessiert mich aus naheliegenden Gründen schon!
Sorry Anja, leider kann ichs nicht einfacher!
Herzliche Grüße
Junktor
Hallo Frank,
Ist Furcht nicht ein (pseudo-)Prozeß (sich fürchten) und Angst
(Angst haben) ein Zustand?welche Gründe gäbe es, so zu differenzieren? Mir ist diese
Unterscheidung nicht geläufig. Im Moment kann ich mir nicht
denken, in welchem Sinne es gut sein sollte, so zu
unterscheiden, aber vielleicht gibt es ja Voraussetzungen, an
die ich nicht gedacht habe.
Naja, da du bei dir vermutlich Begriffe nur in irgendwelche Schubladen (Kategorien) stopfst, wird das vermutlich egal sein. Bei den filigranen Denkstrukturen eines Dialektikers („gg“) fällt allerdings sofort auf, dass der Antagonismus zu Angst angstfrei ist, zu Furcht aber furchtlos, gleichsetzbar ähnlich übermütig und angriffslustig. Angst also nur Zustand, Furcht Prozeß des fürchtens (zittern, schweißtreibend…). Hier ist die Unterscheidung zwischen Zustand und Prozeß maßgeblich, denke ich.
Gruß
Frank