Hi,
dieser Prozess hatte sozusagen 2 Ebenen: da ist zum einen der konkrete Fall, in dem ein Polizist einem hochgradig Verdächtigen Folter androht um vielleicht das Leben eines Kindes zu retten. Und da ist zum anderen die grundsätzliche, theoretische Diskussion ob eine derartige Zwangslage Folter rechtfertigt.
Sicherlich haben viele, und so geht’s mir auch, in diesem konkreten Fall eine gewisse Sympathie für Daschners Verhalten weil er sehr weitreichend bemüht war das Leben des Kindes vielleicht noch zu retten. Ich halte auch nichts davon jeden hochgradig Verdächtigen mit superweichen Samthandschuhen anzufassen, es liegt schon in der Natur der Sache daß man einen Tatverdächtigen in einem gewissen Maße unter Druck setzen muß um ihn zum reden zu bringen.
Nur, und da kommen wir zu einer Grundsatzdiskussion unabhängig vom konkreten Fall: es hat Jahrhunderte gedauert und ist in vielen Teilen der Welt immer noch nicht erreicht daß wir uns zu einer Gesellschaft entwickelt haben, die die Würde des Menschen, seine körperliche und seelische Unversehrtheit, als höchstes Gut betrachtet. Und das gilt für ausnahmslos jeden Menschen, völlig egal ob es ein Mann, eine Frau, ein Christ, ein Islamgläubiger, ein Jude, ein Amerikaner, Russe, Mörder oder sonstwer ist.
Wenn man anfängt Folter zu diskutieren stellt man unser Grundgesetz, unser Verständnis von der Würde des Menschen, Grundprinzipien unserer Gesellschaft zur Disposition. Und das kann nicht angehen, auch wenn ein kleines Rache-Teufelchen einem immer wieder ins Ohr flüstert daß Gäfgen, der Kindermörder, „es verdient hätte“ windelweich geprügelt zu werden.
Daschner ist kein Polizist, der den hochgradig Verdächtigen „im Eifer des Gefechts“ in einer Kurzschlußreaktion mit Folter bedroht hat, sondern er hat die Möglichkeit zu foltern über einen gewissen Zeitraum hinweg verfolgt, es gab Gespräche und starke Bedenken seitens Daschners Mitarbeitern, und trotzdem konkrete Planungen und Handlungen um Folter anwenden zu können.
Das steht im krassen Gegnsatz zu unseren Gesetzen, insofern war die Verurteilung Daschners sowieso unumgänglich. Und es steht im krassen Gegensatz zu unserem Menschen- und Rechtsverständnis, und auch wegen dieser Symbolkraft und Präzedenzwirkung war es wichtig ein Beispiel zu schaffen, das verdeutlicht: „So geht es nicht.“ Deswegen hätte ich mir, bei allem Verständnis für Daschners moralische Situation durchaus ein härteres Urteil gewünscht, einfach um zu dokumentieren daß unsere Werte geschützt werden und nicht zur Debatte stehen, auch nicht in zugegebenermaßen sehr schwierigen Situationen.
Gruß,
MecFleih