Hallo Gernot!
Zunächst einmal eine Begriffsdefnition: Was Du mit dem Beispiel von Mendels Erbsen beschreibst, nennt der Duden „Einschließung“. Der Begriff kommt später in den Zitaten vor, deshalb wollte ich ihn hier einführen.
Einschließung bedeutet: Das erste Adjektiv bestimmt die gesamte Fügung aus Adjektiv II und Sibstantiv näher, wie im folgenden Beispiel 3)
Zum Beispiel:
- mit dunklem, bayrischem bier = mit Bier, das dunkel und bayrisch ist
- mit dunklem und bayroschem Bier = mit Bier, das dunkel und bayrisch ist
- mit dunklem bayrschem Bier = mit bayrischem Bier, das dunkel ist
Kannst du bitte mal die Regel zitieren, aus der du entnimmst,
nicht-parallele Beugung im Dativ Maskulinum und Neutrum bei
zwei aufeinander folgenden Adjektiven sei veraltet?
Wörtlich steht das nirgends, aber ich kann dir die Regeln zeigen, die bei mir den Eindruck „veralteltet“ hervorgerufen haben.
Rchtschreibduden, 12. Auflage, 1941, Seite 42:
„Mehrere vor einem Hauptwort stehende Eigenschafts- oder Mittelwörter sind zu behandeln wie ein einzelneß, z.B. auf bestem holfreiem (nicht: holzfreien) Papier …“
In einer Fußnote heißt es dann:
„Ganz willkürlich ist die Regel, daß von mehreren Eigenschafts- oder Mittelwörtern, die vor einem Hauptwort folgen, das letzte schwach gebeugt werden müsse, wenn es mit dem Hauptwort einen einheitlichen Begriff bilde; denn einmal kann diese Regel überhaupt nur bei geschlechts- und fürwortlosen Eigenschaftswörtern wirksam werden, zum anderen wird sie weder beim weiblichen Gschlecht noch in der Mehrzahl angewendet.“
Der Grammatikduden von 1959 schreibt (Seite 214, Regel 353)
„Selbst wenn das zweite Adjektiv im Verhältnis der Einschließung steht und deshalb kein Komma gesetzt wird, werden beide übereinstimmend gebeugt. Die frühere Regel, daß in diesem Falle beim Dativ Singular und Genitiv Plural das zweite Adjeltiv schwach gebeugt werden müsse, gilt also nicht mehr grundsätzlich. […] Im Dativ Sing. Mask. und Neutr. wird allerdings das zweite Adjektiv aus lautlichen Gründen noch ziemlich häufig schwach gebeugt.“
Der Duden Bd 9 (2. Auflage, 1972, Seite 22) schreibt annäherend das gleiche: „Auch wenn das unmittelbar vor dem Substantiv stehende Adjektiv mit dem Substantiv einen Gesamtbegriff (eine sogenannte Einschließung) bildet und deshalb kein Komma zwischen dieser Fügung und dem zusätzlichem Adjektiv steht, wird parallel gebaugt (…) Die frühere Regel, daß in diesen Fällen beim Dativ Singular und Genitiv Plural das zweite Adjeltiv schwach gebeugt werden müsse, gilt also nicht mehr. […] Im Dativ Singular Maskulinum und Neutrum wird allerdings das zweite Adjektiv aus lautlichen Gründen noch öfter schwach gebeugt.“
Gleichlautend 3. Auflage (1985, Seite 24)
In der 4. Auflage (1997, Seite 27) ist aus dem „noch öfter“ ein gelegentlich geworden; darüberhinaus fehlt der Hinweis „aus lautlichen Gründen“
Die 6. Auflage des Grammtikdudens (1998, Seite 292) verwendet an dieser Stelle ein „auch noch“.
Die 7. Auflage des Grammatikdudens von 2005 schreibt, daß hier schwach gebeugt werden „kann“, fügt aber hinzu: „Parallelflexion wird in der Standardsparache vorgezogen.“
Grundsätzlich ist hier meiner Meinung nach eine Tendenz festzustellen: Die schwache Beugung war früher Regel, dann nicht mehr und wird im Sprachgebrauch immer seltener. Eben „noch gebräuchlich“, aber nicht mehr Regel. Das habe ich mit mit eigenen Worten als „veraltet“ bezeichnet - man kann natürlich darüber streiten, ob das der richtige Ausdruck dafür ist.
lg,
Max