Definition eines Gesetzes: § 37 SGB X

Hallo,

ich habe ein Problem mit der Definition einer Textstelle aus dem Gesetz.
Es geht um das Sozialgesetzbuch Zehntes Buch § 37 Abs. 2.

Da in der Regel generell vorausgesetzt wird, das Post von einer Behörde
IMMER ankommt, maßt sich die Behörde an, den Nachweis nicht erbringen zu müssen.

Im Umkehrschluß: Wie beweise ich, das ich ein Schreiben nicht erhalten habe?

Wenn die Behörde den Nachweis nicht erbringen muß, dass das Schreiben bei mir angekommen ist, ist das in meinen Augen „Rechtsbeugung“.

Sehe ich das richtig? Es geht ums Prinzip.

Vielen Dank im Voraus für Deine Hilfe.

Hallo,

ein berechtigter Einwand…vor allem im Hinblick darauf,das Behörden ja siet einigen Jahren nicht mehr nur die Deutsche Post AG nutzen,sondern auch private Postdienste…also ich würde da sogar einmal eine Petition verfassen…denn die Deutsche Bundespost (mit ihrem Beamten-Kontroll-Apparat) gibt es nicht mehr und die Postzustellung ist keineswegs mehr so wie zu deren Zeit.

Ein kleines Beispiel aus der Praxis…ich wohne hier im Kohlenpott in einer großen Stadt am Rande zum Münsterland.Bei mir endet die geschlossene Bebauung und danach kommen dann zwar noch Mehrfamilienhäuser aber mit größerem Abstand (je nach Grundstück).So zieht sich die Straße über 2 Kilometer bis zur Stadtgrenze hin.
Es findet sich dann schon einmal von den privaten Postdiensten Post in meinem Briefkasten mit einem völlig anderem Namen
(nur das dieser Empfänger eben 2 Kilometer weiter wohnt).

Von daher finde ich die Zugangsvermutung des § 37 als
antiquiert und nicht mehr zeitgemäß.

Hallo ewiger Lehrling,

Da in der Regel generell vorausgesetzt wird, das Post von einer Behörde IMMER ankommt, maßt sich die Behörde an, den Nachweis nicht erbringen zu müssen.

Wenn die Behörde den Nachweis nicht erbringen muß, das das Schreiben bei mir angekommen ist, ist das in meinen Augen „Rechtsbeugung“.

Da interpretiere ich den von dir angesprochenen § 37 Abs. 2 SGB X aber anders. Meiner Meinung nach wird dort ganz klar geschrieben dass die Behörde im Zweifel den Zugang und den Zeitpunkt des Zugangs nachweisen muss.

Siehe hier: http://www.abload.de/img/1tpjqz.jpg

Der erste Teil des Abs.2

Ein schriftlicher Verwaltungsakt gilt bei der Übermittlung durch die Post im Inland am dritten Tage nach der Aufgabe zur Post, ein Verwaltungsakt, der elektronisch übermittelt wird, am dritten Tage nach der Absendung als bekannt gegeben

bedeutet in meinen Verständnis nur dass der Zugang als erfolgt angesehen wird solange keine Zweifel bestehen. Sobald der Empfänger den Zugang aber abstreitet, bestehen meiner Meinung nach Zweifel, so dass dann der zweite Teil vom Abs. 2 eintreten müsste.

Dies gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist; im Zweifel hat die Behörde den Zugang des Verwaltungsaktes und den Zeitpunkt des Zugangs nachzuweisen

Gruß
N.N

So ist es.
Hi!

Meiner Meinung nach wird dort ganz klar geschrieben, dass die Behörde im Zweifel den Zugang und den Zeitpunkt des Zugangs nachweisen muss.

So ist es; sowohl in der Theorie als auch in der behördlichen Praxis.
(Damals in meiner Ausbildung (ich bin langjährige Behörden-MA) hat man mich mit dieser Bedeutung des § 37 SGB X geradezu traktiert. :smile:

Nur ein Beispiel aus der Praxis:
Solange meine AA-Kunden angeben, dass sie ein Schreiben nicht zugestellt bekommen haben, dürfen wir keine Sperrzeit verhängen (sofern das Schreiben denn eine Rechtsfolgenbelehrung (RFB) enthielt und damit auch einen Verwaltungsakt darstellt), weil wir im Zweifel in der Nachweispflicht sind, dass das Schreiben tatsächlich zugegangen ist, was bei «einfachen» Briefen praktisch unmöglich ist.*
(Kommt ein Kunde mehrfach mit dieser «Geschichte» (Schreiben nicht erhalten), werden RFB-Schreiben bzw. Verwaltungsakte für 'ne Weile nur noch per PZU versandt. Erst damit ist die Behörde auf der «sicheren Seite»!)

Fazit: Hier wird kein Recht gebeugt, sondern der Gesetzestext falsch interpretiert!

Übrigens:

  1. Hätte es der Gesetzgeber andersherum festgelegt (der Betroffene also müsste den Nachweis des Erhalts beweisen (wie es der UP ja auch (irrtümlich) dachte)), wäre auch dies keine Rechtsbeugung , sondern erstmal nur eine sog. Beweislastumkehr, zu der der Gesetzgeber prinzipiell berechtigt ist!
    Lediglich das BVerf hätte die Möglichkeit, einen solchen Paragraphen für nichtig zu erklären; aber auch nicht mit der Begründung einer Rechtsbeugung, sondern aufgrund einer Verfassungswidrigkeit (ohne damit auch nur ansatzweise beurteilen zu wollen/können, ob diese Chance bei Beweislastumkehr in diesem Falle überhaupt bestünde oder ob die hier aufgekommene Aversion gegen eine solche lediglich einem subjektiven Rechtsempfinden geschuldet ist)!

  2. Eine Rechtsbeugung liegt in diesem Zusammenhang mW allenfalls dann vor, wenn ein Behördenmitarbeiter – trotz seiner Kenntnis über die korrekte Anwendung des Paragraphen (!) – einfach selbst ggü. dem Betroffenen eine Beweislastumkehr zu dessen Ungunsten kolportierte.
    Aber das erfragst Du im Detail besser im Brett «Allgemeine Rechtsfragen», falls Dich das näher interessiert.

Gruß
Jadzia

*) Seltsamerweise kommen fast immer nur diejenigen Anschreiben mit RFB, also Sperrzeit-bedrohte Aufforderungen, nicht an… :s

2 Like

Hoi.

Kann ich nur bestätigen. Wir versenden in Kürze wieder ca. 900.000 Beitragsbescheide. Wie oft, meinst du, bekommen wir dann nach dem Mahnungslauf zu hören, dass jemand den Bescheid nicht erhalten hat? Zu unserer Klientel gehören auch Rechtsanwälte und Steuerberater…

Natürlich versenden wir die nicht mit PZU oder Übergabe-Einschreiben, wie man es bei einem Bescheid eigentlich sollte, dass wäre einfach viel zu teuer. Da nimmt man die paar Widerspüche lieber in kauf…

Ciao
Garrett