Depressionen “Krankheit“ oder “Umstände“?

Hallo!

Wenn du die Erklärungen der Deutschen Depressionshilfe oder den Wikipedia-Artikel durchlesen würdest, würden sich deine Fragen eigentlich beantworten.

Aber hier mal eines nach dem anderen, der Verständlichkeit halber stark (sträflich stark) vereinfacht.

Ja, nicht jede Niedergeschlagenheit ist krankhaft.
Aber nicht jede (noch so tiefe) Niedergeschlagenheit ist eine Depression.
Eine Depression ist (schon per Definition) immer eine Krankheit.
Und ja, es gibt Depressionen, die durch ein oder mehrere Ereignisse ausgelöst werden.
Es gibt aber auch Depressionen, die ohne Beteiligung äußerer Umstände auftreten. Daran glaubst du offenbar nicht, es ist aber die Wahrheit.

Es gibt auch Depressionen, die z. B. als Nebenwirkungen bestimmter Medikamente auftreten.
Das (und der Umstand, dass vielen Depressiven durch die Einnahme von Antidepressiva sehr erfolgreich geholfen wird) sollte deutlich machen, dass bei der Depression nicht nur in der „Psyche“, sondern auch im Körper etwas vor sich geht. Und das was da physiologisch passiert, hat der Arzt der Einfachheit halber eine Stoffwechselerkrankung genannt.

Es gibt Fälle, an denen diese „Stoffwechselerkrankung“ die Verdüsterung der Seele herbeiführt. Und es gibt Fälle, an denen eine durch ein Unglück verdüsterte Seele diese „Stoffwechselerkrankung“ auslöst. Wenn sie aber beide mal da sind, die dunkle Seele und der gestörte Prozess im Körper, stützen und befeuern sich die beiden gegenseitig - und man erlebt eine Depression.
Deswegen werden Depressionen meist zweigleisig behandelt, etwa durch Gespräche mit dem Arzt oder einem Psychiater (für die Seele) und der Verabreichung von Medikamenten (für den Körper).

In der Depression geht es also am Ende gar nicht mehr so sehr um ihren Anlass. Auch nicht darum, dass man besonders traurig ist. Sondern darum, dass sich die Niedergeschlagenheit verselbstständigt und sich gegen jeden Anflug von Glückserleben immunisiert. Darin liegt im Wesentlichen die Krankheit. Und deswegen braucht der Depressive die Unterstützung eines Arztes.

Schönen Abend
Trambo

klingt genau so, als wäre das der Bericht der Patientin. Oder warst Du dabei?

Jemand ohne Depressionen sieht aber einen Ausweg - z.B. den Mann zu verlassen.

Auch nicht jeder Rollstuhlfahrer wird automatisch depressiv - es gibt viele Menschen, die auch trotz einer Körperbehinderung oder einer schweren Erkrankung fröhlich und optimistisch durchs Leben gehen.

Umgekehrt können bei manchen auch dann Depressionen auftreten, wenn die Lebensumstände weit von „Hölle“ entfernt sind.

Übrigens: Die Veränderungen des Gehirnstoffwechsels bei Depressionen lassen sich per Bluttest nachweisen.

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Und bei wie vielen an Depressionen Erkrankten handelt es sich um taubstumme Krebskranke mit Sozialphobie?

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Ergänzung: Nicht jede Depression äußert sich in Niedergeschlagenheit. Es gibt durchaus auch an Depressionen Erkrankte, die fröhlich und optimistisch sind und auch auf Außenstehende alles andere als „deprimiert“ wirken - aber starke Antriebs- und/oder Konzentrationsstörungen haben.

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Das kann man so leider nicht verallgemeinern. Ich will versuchen, Deine Sicht ein wenig zu schärfen:

Der eine Mensch lebt in einer Ehe, die einfach nur als Hölle bezeichnet werden kann. Lange Zeit wird er das normale Leben außerhalb der Ehe noch unauffällig führen können. Nach und nach kann aber der Frust so groß, dass es zu einer immer stärker werdenden depressiven Verstimmung kommt. Diese Verstimmung kann das Leben genau so beeinflussen, wie eine „echte“ Depression. Solche Menschen können in der Regel aber wieder ein normales Leben führen lernen, wenn sie die Situation beenden - sei es nun, dass man sich, vielleicht mit einer Eheberatung, wieder zusammen rauft oder dass man getrennte Wege geht. Natürlich hat die Situation den Menschen geprägt, natürlich wird diese Ehe ihre Spuren an und in dem Menschen hinterlassen. Aber dieser Mensch hat gute Chancen, wieder ein normales Leben zu führen.

Der andere Mensch hat sein ganzes Leben lang eine latente depressive Störung. Auf alles was außerhalb der Norm passiert, reagiert er (als äußeres Merkmal) vielleicht etwas negativer als man es erwarten sollte. Wenn so ein Mensch ein Trauma wie eine „Ehehölle“ erleidet, kann es passieren, dass die Krankheit Depression voll durchbricht. Für diesen Menschen scheint es völlig unmöglich dort heraus zu kommen. Es ist vorstellbar, dass es für diesen Menschen nichts mehr gibt, was die Stimmung aufhellen könnte. Für diesen Menschen ist unter Umständen eine Trennung vom Ehepartner keine Option, weil dann ein Stück Stabilität aus dem Leben verschwindet - so unlogisch das auch klingt. Mit hoher Wahrscheinlichkeit wird dieser Mensch seine Depression nicht ohne Hilfe überwinden können. Und selbst danach wird er mit einiger Wahrscheinlich für den Rest seines Lebens latent am Abgrund der Depression entlang stolpern.

Ich hoffe, der Unterschied ist Dir klar geworden. Die erste Person sieht keinen Ausweg mehr, obwohl es einen gibt. Wenn sie Hilfe von außen bekommt, diesen Weg geht, kann die Depression wieder völlig verschwinden. Für die zweite Person gibt es keinen Weg. Sie wird ohne fremde Hilfe (und seien es Medikamente) ihr Leben vielleicht nie wieder allein meistern können.

Während die erste Person „einfach nur“ einen Anstoß braucht, ist die zweite erkrankt. (Nein, ich will eine depressive Verstimmung nicht klein reden. Auch die kann die Hölle sein.)

Das Problem mit psychischen Erkrankungen ist für viele Menschen die Nachvollziehbarkeit. Viele Menschen sind nicht in der Lage nachzuempfinden, was der Kranke fühlt, wie sein Gehirn arbeitet, in wie weit seine Wahrnehmung eine andere ist. Viel einfacher ist das bei äußeren Behinderungen: wenn Du wissen willst, wie es sich anfühlt, blind zu sein, setz Dir ne Schlafmaske auf! Willst Du wissen, wie eingeschränkt man ist, wenn man einen Arm verliert? Binde Dir einen Arm auf den Rücken! Willst Du wissen, wie die Gesellschaft Rollstuhlfahrer behindert? Miete Dir im Fachhandel einen Rollstuhl, binde Dich daran fest und rolle mal drei Tage durch die Stadt!

Willst Du wissen, wie das Gehirn eines Menschen mit depressiver Störung funktioniert …

nada

Dafür braucht es viel Verständnis und Vorstellungsvermögen - und selbst dann ist es praktisch kaum möglich.

Jetzt habe ich mehr geschrieben, als ich eigentlich wollte. Ich wünsche Deiner Schwester alles Gute. Ich hoffe, dass Du sie etwas besser verstehen kannst und ihr eine gute Unterstützung sein kannst. Ich hoffe, dass sie verständnisvolle Ärzte findet, die die Geduld besitzen, ihr beizubringen, mit sich selbst zu leben.

Grüße
Pierre

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Sorry, aber das ist ziemlich daneben.

Ich habe zwar keine Depressionen, aber eine andere unheilbare Krankheit. Man sieht mir die Krankheit nicht an. Für Außenstehende ist das alles nicht nachvollziehbar und wird häufig genug marginalisiert, eben weil sie es nicht kennen!! Ich komme mit meiner Krankheit klar, es wird mich wohl nicht umbringen und ich habe mich, obwohl austherapiert, damit arrangiert.

Es bringt mich aber regelmäßig auf die Palme, wenn mir gesagt wird, ich solle mich nicht so anstellen, es wäre doch alles nicht so schlimm. Walk a mile in my shoes…

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Hallo Pierre,

das hast du aber super erklärt. Danke.

Aber warum ist es so, dass eine Person so und die andere kränker, bzw. depressiver ist?

Dann sind es bestimmt die gemachten Erfahrungen im Leben oder?

Also meine Schwester ist extrem krank und ich habe ja auch immer mit Depressionen zu tun. Meine Schwester muss ihr Leben lang mit Medikamenten leben.

Vielleicht stehen jemandem nur keine anderen Handlungsmöglichkeiten zur Verfügung…da eben nicht gelernt und falsch gelernt…

Gut, ich sehe schon ein dass es krank ist, also psychisch krank…

Und an alle: ich wollte niemals das Leid in der Depression klein reden, im Gegenteil es ist schrecklich, irgendwie kam das falsch an, habe ich gemerkt.

Ich frage mich selbst oft, wie lange ich diese Krankheit noch aushalten mag / kann / will…

Bei mir gibt es klare Auslöser, Ursachen und bis das alles “bearbeitet“ ist vergehen bestimmt Jahre… -_-

Es mag sein, dass du das glaubst. Depression ist aber keine Glaubensfrage. Es gibt dazu viele seriöse Studien, und du hast auch links zu seriösen Seiten bekommen.
Wolltest du denn eine Frage stellen oder eine Grundsatzdebatte auslösen?
Es zeichnet sich bisher als Tatsache ab, dass Depressionen von äußeren Faktoren (Lebensumstände), aber auch von inneren Faktoren (noch nicht vollständige geklärte Stoffwechselbesonderheiten) und von vielfältigen Wechselwirkungen dieser beiden ausgelöst werden KÖNNEN.

Zu deinem Argument: Im Leben der meisten Menschen ist nicht alles in Ordnung, dennoch erkranken die meisten nicht an einer Depression. Wie erklärst du DAS?

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Vielleicht liegt es auch daran, dass du dich am Begriff der Störung reibst, weil du meinst, die Lebensumstände werden da nicht richtig anerkannt. Das ist tatsächlich ein Problem, das sich bei psychiatrischen / psychosomatischen Diagnosen ergibt. Es wirkt so, als ob diese Anerkennung fehlt, teilweise tut sie das sogar tatsächlich. Dann gibt es die Formulierung: die A packt es gut, mit so etwas klarzukommen und die B packt es nicht. Dabei steckt dann mehr oder weniger versteckt der Vorwurf im Raum, dass B das nicht auf die Reihe kriegt -> Looser.

Möglicherweise hilft dir, dass du dir das mal mit körperlichen Erkrankungen vorstellst. Da gibt es welche, für die kann man gar nichts und die lassen sich auch gar nicht beeinflussen. Bei anderen hat man eine gewisse Möglichkeit, einen Einfluss zu nehmen, aber es ist nicht sicher, ob das klappt. Bei anderen gibt es einen ziemlich direkten Zusammenhang. Egal was: hinten raus kommt eine Krankheit, die Beschwerden macht und die behandelt werden muss. Manchmal geht das nur mit Medikamenten oder einer OP oder Physiotherapie etc., manchmal muss man selbst ran, damit das einen Erfolg hat.
Es gibt auch bei körperlichen Erkrankungen welche, die stigmatisiert sind: Raucher und COPD (obwohl die, wenn auch selten, über die Umwelt kommen kann), Übergewicht und Herz-Kreislauferkrankungen. Da besteht ein Zusammenhang. Aber nicht alle, die dick sind, können das realistisch beeinflussen. Trotzdem ist die Stigmatisierung bei psych. Erkrankungen immer noch größer, leider.

Die Umwelt kann man da nur schlecht beeinflussen. Wichtig ist aber, dass man als Betroffener selbst diese Haltung nicht annimmt, das zieht einen noch mehr runter. Besser ist, die Einflussmöglichkeiten, die man hat, zu suchen (ggf. mit Hilfe) und zu nutzen und seien es auch noch so kleine und wenige. Das hilft gleich doppelt, weil es auch ein gutes Gefühl gibt, wenn man merkt, dass man doch ein bisschen Einfluss hat.

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Auch da merkt man wieder, dass du einen starken aber völlig unnötigen Unterschied zwischen körperlichen und psyhchischen Erkrankungen machst.

Mit einem Beinbruch holt man sich Hilfe und geht zum Fachmann. Das ist der Orthopäde oder Unfallchirurg. Der stellt das Bein ruhig für eine Weile. Danach muss aber der Patient ran, auch mit Hilfe eines Physiotherapeuten, aber trainieren muss der Patient selbst, sonst wird das nix mit dem Tanzen in der Sommernacht.

Bei einer Depression holt man sich Hilfe und geht zum Fachmann. Das ist zunächst der Psychiater, der schaut, ob Medikamente benötigt werden. Der Psychotherapeut macht die eigentliche Psychotherapie. Hier muss der Patient auch mit ran, weil man eine Depression wirksam nicht alleine mit Medikamenten behandeln kann. Sonst wird das auch nix mit dem Tanzen in der Sommernacht.

Auch beim Beinbruch reicht es nicht, ihn einfach behandeln zu lassen, man muss auch selbst was tun.

Schlimme Umstände sind keine Erkrankung. Schlimme Umstände müssen nicht, aber können Erkrankungen auslösen. Das können aber viele verschiedene sein. Das kann eine Depression, Suchterkrankung oder eine Posttraumatische Belastungsstörung sein oder sogar eine physische Erkrankung. Diese Erkrankungen müssen ganz verschieden behandelt (sic!) werden. Du willst doch eine angemessene Hilfe, die dein Problem löst.

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Was ist so schlimm an der Wahrnehmung der Patientin? Ist die „falsch“? Zählt nur die Wahrnehmung des Therapeuten? Wer definiert denn, was eine richtige Wahrnehmung ist?

Dass ein Therapeut energisch reagiert, wenn ein Patient sagt, nichts habe geholfen und nichts macht Spaß, ist völlig im Rahmen des Üblichen. Dass ein Patient das als „böse“ wahrnimmt, ebenfalls vorstellbar. Vielleicht war es richtig, so energisch in dem Moment zu reagieren, vielleicht war es aber auch für diesen Patient in dieser Situation zu viel.

Man entmündigt Patienten (mit psychischen Diagnosen), wenn man von vornherein deren Meinung ab- oder sogar entwertet. Besonders schlimm und unangebracht ist es, so zu tun, als ob die andere Seite automatisch die richtig Wahrnehmung hat. Abgesehen davon, überhaupt den Anspruch zu erheben, dass es die eine nur zu geben hat.

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Ja, da kann ich mitgehen. Hilft mir auch sehr weiter. Vielen Dank! Genauso ist es, viele sagen/denken die oder der bekommt das nicht hin oder ist krank, ohne sich zu fragen warum das so ist.

Lg Queen

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Finde ich sehr gut!

Stichwort: Resilienz

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Das ist keine Frage der Meinung. Das versuchen dir hier alle zu erklären.

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Eine Frage der Resilienz, also der Widerstandsfähig. Diese wird durch viele Faktoren beeinflusst.

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Es gibt auf der Seite ein Menü zu vielen anderen Informationen

Hi,

das ist sehr gemein und unfair.

Eine Depression ist und bleibt eine Krankheit, egal wodurch sie ausgelöst wurde. Auf der körperlichen Seite äußert sie sich in Serotoninmangel, auf der seelischen Seite in Niedergeschlagenheit, negativem Denken, Antriebsarmut, … ob nun der Serotoninmangel angeboren ist und man dadurch depressiv ist (Serotonin ist das Glückshormon, es wird ausgeschüttet wenn man einen geliebten Menschen sieht, eine Mutter ihr Kind, Katzenbabys, …). Ich kann depressives Verhalten aber auch erlernen, indem ich von außen ständig abgewertet werde, nie unterstützt und getröstet und aufgefangen. Dann lernt mein Körper, dass das normal ist, und der Serotoninmangel bedeutet, dass der Körper keine Gelegenheiten bekommt, Serotonin auszuschütten. Sarkasmus und ist niedergeschlagen statt erfreut. Man hält Erfolg für Zufall. Und Misserfolg ist nicht ein unangenehmer Zwiwschenfall, sondern die Normalität. Wenn man oft genug gesagt bekommt: „Stell dich nicht so an! Das Leben ist halt so. Das ist die Realität.“, dann braucht man irgendwann keinen anderen mehr, der einem sagt, dass man sich zusammenreißen soll und das Problem bei sich suchen soll. Man kann das irgendewann alleine. Man reißt sich permanent zusammen, denn man ist ja das Problem, nicht die anderen. u#nd dann ist man nicht nur für den verschütteten Kaffee verantwortlich, sondern auch dafür, dass man keine blaueb Augen hat, dass heute schlechtes Wetter ist, dass die Arbeitslosigkeit steigt, … und wenn man um sich herum alles gelöst hat, was man lösen konnte, und es wird nicht besser? Dann hat man gelernt: Stell Dich nicht so an. Und zieht die Reißleine.

die Franzi

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Hi,

für die Person ist das die Realität. Aber sie hat trotzdem eine Krankheit: ihr fehlt die Kraft, sich aus der Situation herauszubegeben. Die gesunde Reaktion wäre, die Scheidung einzureichen, umzuziehen und ein neues Leben anzufangen, und sich gegebenenfalls alle Hilfe zu holen, die sie dafür braucht. Dass sie das nicht kann, zeigt, dass sie im klinischen Sinne eine Krankheit hat.
Wenn du über sie sagst (und vielleicht auch ihr sagst), dass ‚sie in der Hölle lebt und das die Realität ist‘, dann hört sie (so wie wir alle hier), dass ‚das ihr Schicksal ist und sie damit fertig werden muss. Hätte sie jemand anderen geheiratet etc. … sie soll ich nicht so anstellen, wenn sie nichts unternimmt dann kann es ja nicht so schlimm sein‘.
Aber sie kann eben aus verschiedenen gründen da nicht alleine raus, vielleicht weil ihr sogar die Kraft fehlt, sich zuzugestehen, dass sie verdient hat, nicht in der 'Hölle zu leben.

die Franzi

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