Ansonsten hoffe
ich, dass es in Deutschland noch möglich ist, so auf die
Straße zu gehen, dass man eine bestimmte
Religionszugehörigkeit erkenne kann, ohne deshalb mit
Repressalien rechnen zu müssen. Falls dies nicht der Fall ist,
ist etwas faul, aber nicht an den Religionenen, sondern an
Deutschland.
Es kann sein, daß eine islamische Frau OHNE Kopftuch auf die Straße geht und dafür mit Repressalien zu rechnen hat. Und das liegt dann nicht an Deutschland.
Die ganz explizit Religionsfreiheit vertritt und auch die
Freiheit, mit einem Kopftuch auf die Straße zu gehen.
Mir ist klar, daß die Religionsfreiheit anders als die Redefreiheit ein nicht weiter eingeschränktes Recht ist. Das stammt aus einer Zeit, in der sich niemand ausmalen konnte, daß es jemals zu einer Situation kommen könnte, in der eine Religion andere Grundrechte bedroht. Denn die Kirchen waren in ihrer Macht ja bereits gebannt. Jetzt wäre es ander Zeit, die Religionsfreiheit dort einzuschränken, wo andere Rechte bedroht werden, in diesem Fall die Gleichbehandlung von Mann und Frau.
Weil ich in einer Gesellschaft, in der der Zwang zur
Gleichheit besteht, nicht leben möchte, und diese Menschen mir
trotz aller Widrigkeiten beweisen, dass es zumindest bei uns
noch nicht soweit ist.
Das bedeutet dann (ich interpretiere frei), daß du es bewunderst, wenn sich jemand von der Mehrheitsgesellschaft bewußt abgrenzt? Ich unterstelle nichts, ich will nur verstehen, warum jemand so denkt.
Wie sieht denn für dich jemand aus, der „etwas mit der
Gesellschaft zutun haben will“? Zahlt er Steuern? Geht er
wählen? Engagiert er sich ehrenamtlich? Was davon meinst du in
irgend einer Weise mit einem Kopftuch oder anderen
Kleidungsstück verknüpfen zu können?
Es gibt in jeder Gesellschaft Gruppen, die sich bewußt ausgrenzen. Am besten bekannt sind jugendliche Subkulturen wie Punks. Punks sehen bewußt auch anders aus als die Mehrheit. Man kann sich bewußt den Punks anschließen, weil es einem gefällt oder man die Mode mag. Oder aber auch, weil man die Gesellschaft als ganzes ablehnt. Das sind interessante Fragen. Wer sich bewußt einer auffälligen Minderheitengruppe anschließt, OBWOHL es für ihn Nachteile hat, der hat meistens einen Grund. Du bewunderst das. Und ich frage mich, warum.
Ich finde es gut, dass du dir um die sexuelle Selbstbestimmung
von Frauen gedanken machst, aber mit Kopftuch ja oder nein
dürfte das nun gar nichts zutun haben.
Doch, das hängt sogar sehr stark zusammen. Die Frauenverhüllung ist sichtbares Symbol für die Negierung der weiblichen selbstbestimmten Sexualität. Ich brauche nicht zu erwähnen, daß Vergewaltigungen in jenen Kulturen sehr häufig sind, in denen die weibliche Sexualität unterdrückt wird. Dazu gehört auch die Vergewaltigung in der Ehe und die Zwangsheirat.
Ich erspare mir einschlägige Statistiken. Du kennst sie ja.
Jetzt muss ich echt lachen. Ich hab in meiner Jugend zwar kein
Kopftuch getragen, aber bin in Bundeswehrparker, Jeans und
Springerstiefeln rumgerannt und war in der Frauenbewegung
aktiv. Wenn du uns damals erzählt hättest, als Frau müsse man
irgendwie auf seine „Weiblichkeit“ aufmerksam machen, hätten
wir uns lachend am Boden gerollt.
Ja, die alte Schule des Feminismus der BH-VerbrennerInnen ist in ihrer Ideologie sexnegativ und weiblichkeitsfeindlich. Aus diesem Grund sympathisieren immer noch viele, die sich feministisch nennen, mit einer bestimmten Ausrichtung der Religion.
Wenn ich mir stattdessen die
feschen jungen Mädels, perfekt geschmickt, hochhackige Schuhe,
enge Jeans und Kopftuch ansehe…
Du machst den Fehler, das Kopftuch als Entsexualisierung zu betrachten. Das Kopftuch dient nicht dazu, eine Frau zu entweiblichen und zu entsexen (das machen die Kampfemanzen in Springerstiefeln, die lieber Männer wären). Das Kopftuch macht die Frau zu einer gefährlichen Sexbombe, zu einer sexuellen Handgranate, deren Auslöser immer gedrückt gehalten werden muß, sonst geht sie los. Die orientalische Welt kennt nicht umsonst eine sehr sexuelle Mode mit schrillen Farben und starker Schminke. Das ist kein Widerspruch mit der Verhüllung, ganz im Gegenteil.
Ansonsten versteh mich nicht falsch, ich
finde es auch völlig ok, wenn Mädels nur in Unterwäsche und
Badelatschen auf die Straße gehen (zumindest sieht das für
mich so aus), aber ich halte das nicht unbedingt für
„selbstbestimmter“.
Doch. Du verwechselst wieder Selbstbestimmung mit Entsexualisierung.
Ja, ich hab auch schon gemerkt, dass die Gesellschaft immer
mehr nach rechts rückt, immer ausländerfeinlicher,
konservativer und rassistischer wird.
Mir ist bewußt, daß die linke Nähe zu gewissen Religionen Tradition ist, denn der Feind meines Feindes ist mein Freund. Leider ist das ein Irrtum.
Gerade als fortschrittliche, feministische Frau bin ich gegen die Umtriebe von radikalen religiösen Führern, weltweit. Lies doch mal Alice Schwarzer, was die zu dem Thema zu sagen hat. Oder Ates, oder Kelek, um system-innere Personen zu nennen. Sind das alles Rassisten und Ausländerfeinde?
Grüße Bellawa.