Guten Morgen Petra,
es wird kompliziert, das muß ich Dir gleich sagen.
Du und sehr viele, die Dir hier geantwortet - oder auch nur ihre (wirklich) unmaßgebliche Meinung unter sich gelassen - haben, verwechseln zwei Ebenen. Die werden gern verwechselt, manchmal mit Absicht, manchmal aus Unkenntnis.
Nennen wir sie mal die Ebene des Vorfindlichen und die Ebene des Glaubens - einfach nur, um zwei möglichst handliche Begriffe zu haben; in Wirklichkeit ist es noch ein wenig schwieriger.
Gott befindet sich nun unbezweifelbar auf der Ebene des Glaubens, und nur wenn wir auf dieser Ebene von ihm reden und argumentieren, tun wir das angemessen, einfach deswegen, weil Gott nicht beweisbar ist und darum nicht auf die Ebene des Vorfindlichen gezogen werden kann. Die Frage nach seiner Wirklichkeit ist eine andere.
Nun ist also die Aussage, Gott habe den Menschen nach seinem Bild geschaffen - ob Bild oder Ebenbild, ist hier mal gleichgültig -, eine Aussage, die sich notwendig auf der Ebene des Glaubens bewegt. Denn ist Gott nicht zu beweisen, ist natürlich sein Handeln und sind die Beweggründe für dieses Handeln ebensowenig zu beweisen.
Das bedeutet: Diese Aussage ist eine Deutung, und zwar eine Deutung der Stellung des Menschen im Verhältnis zu Gott. Dieses Satz heißt ja nicht, daß Gott aussähe wie wir Menschen, einen Kopf und vier Extremitäten hätte. Dies wäre ein unzulässiger Schluß von der Ebene des Vorfindlichen auf die Ebene des Glaubens.
Daß Gott den Menschen nach Seinem Bild geschaffen hat, besagt: der Mensch ist das Gegenüber, ist der Gesprächspartner Gottes. Beide haben die Qualität der „Person“, können also Subjekte eines Gesprächs oder einer anderen Interaktion sein.
Du siehst: wenn wir von Gott sprechen, bewegen wir uns immer auf der Ebene des Glaubens, und nur wenn wir auf dieser Ebene bleiben, reden wir angemessen von ihm. Das heißt nicht, daß die Rede von ihm irrational wäre, weil er nicht beweisbar ist. Auch jede ernsthafte philosophische Rede ist rational, ebenso jede ernsthafte theologische Rede. Rationalität ist nicht dem Vorfindlichen vorbehalten.
Wenn Du nun nach den Perversitäten fragst, zu denen der Mensch fähig ist, dann mußt Du Dir von Anfang an darüber klarwerden, auf welcher Ebene Du reden willst: Auf der Ebene des Vorfindlichen kannst Du mit Gott nicht argumentieren. Auf der Ebene des Glaubens mußt Du entscheiden, ob Du an Gott glaubst oder ob Du ihn bezweifelst oder negierst. Von der Antwort auf diese Frage hängt die Möglichkeit einer Antwort ab. Oder anders gesagt: Gottes Handeln läßt sich, wenn überhaupt, nur auf der Ebene des Glaubens erfassen.
Oder wieder anders gewendet: Einen theologischen Satz - also von der Ebene des Glaubens - zu nehmen, ihn dem Vorfindlichen gegenüberzustellen und dann zu kostatieren, daß das Vorfindliche mit dem Satzdes Glaubens nicht übereinstimme und daraus dann noch - ich weiß, das hast Du nicht getan - den Schluß zu ziehen, daß Gott nicht existieren könne (andere tun das), offenbart einen beklagenswerten Mangel an Rationalität.
Ich hab ja gesagt, daß es kompliziert wird!
Gruß - Rolf