Der mutmaßlich Mutmaßliche?

Hallo,

das Wort „mutmaßlich“ im Zusammenhang mit Straftätern nervt mich immer wieder.

Falls mir jemand antworten will, eine Person darf erst als Täter bezeichnet werden, wenn ein Gericht das festgestellt hat: Das weiß ich, aber das finde ich nicht richtig. Wenn jemand nur aufgrund eines Verdachts oder geringer Indizien festgenommen wird, ist das sicher richtig. Aber ich finde es nicht richtig, wenn völlig klar ist, dass jemand eine Straftat begangen hat.

Zum Beispiel als kürzlich jemand mehrere Personen mit einem Messer verletzte. Mehrere Männer verfolgten ihn und hielten sich ihn durch das Werfen von Stühlen vom Leibe. Und dann kam die Polizei und nahm den „mutmaßlichen Messerstecher“ fest.

Noch krasser: Da stand ein Mann wegen der Tötung zweier Personen vor Gericht. Das Gerät stellte fest, dass er aus psychischen Gründen nicht verantwortlich sie und wies den „mutmaßlichen Täter“ in die Psychiatrie. Dass er nicht bestraft werden kann, ändert ja nichts daran, dass er der Täter ist. Hier sogar gerichtlich festgestellt.

In Spanien ist man übrigens nicht so vorsichtig: Während die deutschen Medien berichten, dass die spanische Polizei den „mutmaßlichen Attentäter Abouyaaqoub“ erschosen hätte, sagten die spanischen Medien „… el autor del atentado de Barcelona Abouyaaqoub“.

Grüße
Carsten

Hallo,

„völlig klar“ ist genauso eine Phrase wie „gesunder Menschenverstand“.
Scheinbar objektiv aber am Ende völlig subjektiv.

Am anderen Ende der Skala stehen die USA, die schon mal Namen und Bilder von Beschuldigten in den Abendnachrichten zeigen, da bin ich doch sehr froh, das wir da übervorsichtig sind.

Gruß,
Steve

Hallo,

ob Du es „nicht richtig“ findest, ist völlig uninteressant.

Die Unschuldsvermutung ist Grundlage eines rechtsstaatlichen Systems und wird in den allermeisten halbwegs rechtsstaatlich verfassten Staaten anerkannt. Sie ist Bestandteil der allgemeinen Erklärung der Menschenrechte der UN von 1948 (Art. 11 Abs. 1), der Grundrechtecharta der EU (Art 48 Abs. 1) und hat in Deutschland Grundrechtscharakter.

Und so mancher auf den ersten Blick „völlig klare“ kriminalistische Sachverhalt hat sich bei genauem Ermitteln ganz anders dargestellt.

&Tschüß
Wolfgang

Ganz richtig! Am besten gleich an Ort und Stelle an die Wand stellen oder noch besser totschlagen, da kann man sich das ganze Gelaber vor Gericht sparen, und man muss den Bestien nicht auch noch in U-Haft was zu Fressen geben.

Dass man da nicht früher draufgekommen ist?

Mal kurz nachdenken: wer legt fest, was das genau sein soll? Und wo GENAU die Grenze ist?

Btw., ist der in Spanien festgenommene Deutsche mit türkischen Wurzeln Deiner Meinung nach ein Täter oder nicht?

Ich kann Dich einerseits verstehen, kann aber andererseits nur dringend davor warnen, sich etwas anderes zu wünschen, als es momentan gehandhabt wird. Ja, viele Situationen sind auf den ersten Blick vollkommen eindeutig. und bestätigen sich hinterher auch so. Dann kann man schnell zu der Meinung kommen, man hätte das Kind doch auch gleich entsprechend beim Namen nennen können. Nur dummerweise kommt es gar nicht so selten vor, dass - auf den ersten Blick - vollkommen eindeutige Situationen, sich im Rahmen weiterer Ermittlungen dann ganz anders darstellen.

Gerade im Zusammenhang mit aktuellen Terrorangriffen stehen die Sicherheitsbehörden unter einem ganz massiven Druck, einerseits weitere Taten verhindern, und andererseits Täter für begangene Taten schnellstmöglich dingfest machen zu müssen. Dabei ist es zu einer ganz erheblichen Zahl vorläufiger Festnahmen und zur Anordnung von Untersuchungshaft gegen Menschen gekommen, denen eine Beteiligung dann doch nicht nachzuweisen war. Was es heißt, mit so einem Vorwurf einige Tage/Wochen gesiebte Luft atmen zu müssen, und fortwährend verhört zu werden, kann man sich kaum ausmalen. Und wenn man dann wieder draußen ist, gibt es genug liebe Mitmenschen, die dann trotzdem noch hinter jedem kleinen Dampfwölkchen einen ganzen Waldbrand sehen werden. Das ist alles andere als lustig für die Betroffenen.

Du meinst, dass solche Dinge ohnehin ja nur Menschen passieren können, die weit weg von Dir im sozialen Abseits leben, und nur deshalb in solche Situationen kommen, weil sie sich in einem Umfeld bewegen, in dem sowieso alle mehr oder weniger kriminell sind, und an dem Anschlagsvorwurf vielleicht nichts dran ist, aber es „grundsätzlich schon nicht die Falschen“ treffe? Ich habe alleine zwei Leute im beruflichen Umfeld kennen gelernt, die ganz biedere, brave Familienväter in vollkommen unauffälligem Mittelschichts-Umfeld sind, die sich nie auch nur die kleinste Kleinigkeit hatten zu Schulden kommen lassen. Den einen holte man mit großem Aufgebot aus der Firma ab. Vorwurf: Sexualmord. Dem anderen warf man einen bewaffneten Raubüberfall vor. In beiden Fällen gab es „gute“ und auf den ersten Blick belastbare Hinweise auf die Täterschaft. In beiden Fällen wurde die Unschuld dann aber nach kurzer Zeit eindeutig bewiesen.

Ich weiß nicht mehr für wen die Werbung war, die vor Jahren mal im britischen Fernsehen lief. Da sah man einen kräftig gebauten jungen Kerl mit Glatze, Armeejacke und eindeutiger Bekleidung, wie er eine ältere Dame auf dem Bürgersteig unvermittelt angreift, und sie schubst. Danach dann noch mal die selbe Szene mit einem größeren Bildausschnitt, auf dem man sieht, dass über der älteren Dame sich gerade eine schwebende Last löst, und das Wegschubsen der älteren Dame vermutlich gerade das Leben gerettet hat.

Es ist eben längst nicht alles so eindeutig, wie es auf den ersten Blick scheint. Auch der Mann mit dem Messer im Hamburg hätte/könnte ein von der Tat verwirrtes Opfer sein, dass sich das Messer erst nach der Tat gegriffen, und daraufhin irrtümlicherweise für den Täter gehalten wurde, … Die Wahrscheinlichkeit mag minimal sein, aber sie ist eben doch immer gegeben. Insoweit ist die Unschuldsvermutung eine wichtige und gute Sache, auch wenn sie sich oft - im Nachhinein - dann als „lächerlich“ im Einzelfall darstellen sollte.

Ist mir auch schon öfter aufgefallen. Gerade im Zusammenhang mit ganz offenkundigen Sachverhalten, also Zeugen/Videoaufnahmen, auf frischer Tat ertappt usw. Gerne wird in letzter Zeit auch mal vom scheinbaren Täter geschrieben, was jedoch nur scheinbar das Gleiche ist.
Ich finde, es gibt ein sehr schönes Wort im Deutschen dafür: Tatverdächtiger. Nur aus irgendeiner Selbstzensur will man nichtmal das benutzen. Denn häufig wird davon nur bei einem bestimmten Tatverdächtigenkreis Gebrauch gemacht, während man es bei anderen nicht so genau nimmt und auch ganz eilfertig erwähnt, dass es ein Deutscher sei.

Dann hat der Mann zwar eine strafbare Handlung begangen, wegen der fehlenden Schuldfähigkeit jedoch keine Straftat. (Straftat: Tatbestand eines Gesetzes erfüllen, dabei rechtswidrig und schuldhaft handeln). Somit es der Mann kein Straftäter.

Auch hier steht noch nicht fest, ob der Mann evtl. schuldunfähig ist.

gibt es hier ein Urteil, dass der wirklich der Attentäter war? oder liegen lediglich Indizien vor? hat er gestanden? …

Abgesehen davon, dass dieses Wort durchaus benutzt wird, gibt es hierzulande viel zu viele besorgte Bürger, die nicht verstehen, dass ein Tatverdächtiger nicht zwingendermaßen auch der Täter ist.

Ich habe vielmehr den Eindruck, dass bestimmte Kreise gerne den - für die jeweilige Tat nicht relevanten und deshalb laut Pressekodex nicht zu erwähnenden - ethnischen Hntergrund ganz genau und bis in die Großeltern - und Urgroßelterngeeration ausleuchten wollen, umirgendeinen bösen Migrationshintergrund finden zu können, der dann ihr Weltbild bestätigt.

:paw_prints:

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Hallo,

in Fällen, wo eine Täterschaft unklar ist, muss man mit Anschudigungen vorsichtig sein, insofern verstehe ich Bedenken durchaus. Aber das Stichwort „auf frischer Tat ertappt“ hat ElBuffo schon genannt. Gerade soeben habe ich wieder ein typisches Beispiel dafür gelesen:

„Der Mann war am Samstagabend den bisherigen Erkenntnissen zufolge bei einem Streit vor einem Bistro von einem 42-Jährigen niedergestochen worden. Passanten hatten den mutmaßlichen Täter bis zum Eintreffen der Polizei festgehalten.“ (Stern.de)

Hawethie kann ich allerdings in keiner Weise zustimmen. In dem einen der von mir genannten Beispiele hat sogar ein Gericht die Täterschaft einwandfrei festgestellt, trotzdem schreibt die Presse von einem „mutmaßlichen Täter“. Und falls der im anderen Beispiel genannte Messerstecher auch psychisch gestört ist, dann sind beides eben „psychischich gestörte Täter“, aber keine „mutmaßlichen Täter“.

Was die von Albarracin genannten „halbwegs rechtsstaatlich verfassten Staaten“ angeht: Ich halte Spanien nicht nur halbwegs, sondern gänzlich für rechtsstaatllich. Aber trotzdem macht man hier einen Täter nicht zu einem mutmaßlichen.

Im Übrigen ist keinesfalls erwiesen, dass solch Wortklauberei einem zu Unrecht Beschuldigten wirklich hilft. Ich erinnere mich an einen Fall, es war vor mehr als zehn Jahren in einem kleinen Ort oder Vorort zwischen Celle und Gifhorn. Da geriet ein junger Mann kurzfristig in Verdacht, eine Vergewaltigung verübt zu haben. Er wurde nicht einmal als „mutmaßlich“ bezeichnet, es stand nur in der Zeitung, dass die Polizei ihn angehört hat, dass er aber nicht festgenommen wurde, weil der Verdacht zu gering war. Trotzdem wurde er von der Bevölkerung des Orts, wo fast jeder jeden kennt, geschnitten. Und als einige Zeit darauf der wirkliche Täter ermittelt und dadurch die völlige Unschuld des jungen Mannes klar wurde, änderte sich das Verhalten der Bevölkerung nicht.

Grüße
Carsten

Du hast Unrecht. Selbst auf frischer Tat ertappt muss es sich nicht um einen Täter handeln. Wieviele Filme gibt es, in denen jemand mit dem Messer in der Hand bei der Leiche entdeckt wird und nicht der Täter ist? Alles nur Phantasie und undenkbar?

Und wie viele Zeugen haben es dann beim näheren Hinsehen und Hinterfragen dann doch nicht wirklich so genau gesehen wie sie sich eingebildet haben? Es gibt haufenweise Abhandlungen über entsprechende psychologische Untersuchungen, wie sehr sich das Gedächtnis täuschen lässt!

Und: Notwehr macht aus dem offensichtlichen Mörder Deiner Meinung nach was genau?

Du verdrehst die Sache hier hübsch ins Gegenteil. Es soll nicht helfen, das hat niemand verlangt. Es soll nicht SCHADEN. Und nun beweise DU gefälligst, dass es nicht schadet, jeden Festgenommenen als Täter zu bezeichnen.

Du bringst hier das beste Beispiel dafür, dass Verdächtige geschützt werden müssen. Und nutzt es als Argument dafür, dass das überflüssig ist. Deine Logik ist irgendwie kaputt.

Gruß
anf

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Und das sagt jetzt genau was?

Es mag hier ein objektiver Tatbestand vorliegen: A hat B mit Todesfolge niedergestochen. Vielleicht aber nicht mal der. Der typische „Knallzeuge“ ist gerade nicht der Zeuge, der die Tat umfassend erlebt und beurteilen kann, sondern derjenige, der erst durch die Tat auf eine Situation aufmerksam wird, und nur die offensichtlichen objektiven Tatelemente anhand des Taterfolgs erklären zu können glaubt. Ja, A kniete mit dem Messer in der Hand über dem toten B. Aber war A ggf. selbst nur Zeuge oder Ersthelfer, der den toten B etwas früher als die anderen Zeugen entdeckt, und diese erst auf die Tat aufmerksam gemacht hat?

Was mögen die Tatzeugen über den subjektiven Tatbestand wissen/beitragen können? Hat A mit Tötungsabsicht gehandelt? Wollte A den B nur verletzten? Wollte A dem B nur drohen, und ist dabei gestolpert? Stach A zu, weil B ihn zuvor mit dem Tode bedroht hatte?

Und wenn wir zu den Fragen nach Rechtswidrigkeit und Schuld kommen, bringen die Zeugen regelmäßig schon mal gar nichts.

Wir hatten hier gerade mal wieder einen schönen Fall hierzu: Genau deine Messerstecherei ging hier klar wie Kloßbrühe durch die Presse, es gab U-Haft, … das ganze Programm. Erst vor Gericht ergab sich, dass es sich um eine ganz einwandfreie Notwehrsituation gehandelt hatte.

Juristen sind ja grundsätzlich vollkommen weltfremde Theoretiker, die ja vom Schreibtisch weg immer gleich in die Schublade verschwinden, und so gar nicht wissen, was da draußen so alles passiert. Deshalb kommen sie auch auf so irrwitzige Ideen wie den klassischen Prüfungsaufbau im Strafrecht, der in einer sehr fein über Ewigkeiten optimierten „Mechanik“ der Rechtsfindung ziemlich perfekt eingebunden ist. Aber was ist dass schon gegen das „gesunde Volksempfinden“ jedes rechtschaffenden Bürgers, der sieht, dass A mit dem Messer in der Hand über dem toten B kniet?

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@ Wiz

Tut mir leid, Wiz, ich muss auch Dich enttäuschen. Wenn sich in Notwehr wehren musste, ist er halt ein „Täter, der in Notwehr gehandelt hat“. Aber kein „mutmaßlicher Täter“.

Je mehr hier krampfhaft nach Entschuldigungen gesucht wird, warum jemand ein nur „mutmaßlicher“ Täter sein könnte: „Mutmaßlich“ heißt doch, dass man nicht weiiß, ob jemand etwas getan hat. In allen mir entgegen gehaltenen Fällen ist klar, dass die Person der Täter war. Wenn es aber einen entschuldigenden Grund gibt, warum er das tun durfte oder nicht haftbar gemacht werden kann, kann man das ja dazusagen.

@allnetflat
„Es soll nicht helfen, das hat niemand verlangt. Es soll nicht SCHADEN.“

Wenn Du die Wortklauberei auf die Spitze treiben willst, bin ich bereit, Deine Wortwohl es wird „nicht schaden“ zu übernehmen-

„Und nun beweise DU gefälligst, dass es nicht schadet, jeden Festgenommenen als Täter zu bezeichnen.“

Ich habe nie gesagt „jeden Täter“, sondern nur die, wo die Täterschaft zweifelsfrei feststeht. Und nochmals: Wenn es einen Rechtfertigungsgrund für die Tat gibt, sagt man das halt dazu. Das hilft dem Täter dann wirklich, und wendet nicht nur Schaden ab.

nochmal @Wiz

du bezeichnest Juristen als „grundsätzlich vollkommen weltfremde Theoretiker , die … gar nicht wissen, was da draußen so alles passiert“.

Ich war acht Jahre lang ehrenamtlicher Richter (Schöffe) an einem Landgericht und hatte jeden Monat ein bis zwei Termine. Dadurch habe ich viele Berufsrichter kennen gelernt, ganz besonders nach der Verhandlung, wenn wir im Beratungszimmer unter uns das Urteil beschließen. Dabei habe ich keinen einzigen als „weltfremd“ kennen gelernt oder der nicht gewusst hätte, was „draußen so alles passiert“. Ich kann sogar sagen, sie wissen das besser wissen als Du und ich, weil auch ich gerade durch dieses Dabeisein im Verfahren Dinge erfahren habe, von denen ich vorher nichts wußte oder nur ein oberflächliches Wissen hatte.

Als Jurist darf ich auch mal selbstironisch sein.

Ehrlich? Was denn? Wirklich Richter, oder doch eher Rechtsanwalt? :- )

Na ja, Dein so krasses Pauschalurteil hat mich schon irritiert. Ich habe Dich bisher als sachlich und vernünftig in Erinnerung.

Solltest Du Richter sein, kannst Du meinen Kommentar ja als Kompliment annehmen. Aber ich glaube doch eher, dass Du RA bist. :- )

Jurist ist zunächst mal Jurist, was die Basics des Strafrechts (Subjektiver und objektiver Tatbestand, Rechtswidrigkeit und Schuld) angeht. Ich hatte ja nicht von der Selbstironie der Richter, sondern von der der Juristen geschrieben. Und diese platten Vorurteile hört man als Staatsanwalt, Rechtsanwalt, Verwaltungsjurist, Syndikus, … genau so oft wie die Richter.

Im Referendariat spielt man diverse Rollen ein paar Monate durch. Am Richtertisch sitzt man in Zivilsachen, im Strafrecht trägt man die Staatsanwaltskutte, und reist damit über Land. Bis zum 2. Examen für alle die selbe Chose. Und erstaunlicherweise heißt ja das 2. Examen „Befähigung zum Richteramt“, obwohl nur der kleinste Teil der Juristen in diese Richtung gehen will, und von denen die das Wollen längst nicht jeder da auch eine Heimat findet.

Und wenn mal wieder Mangel an Richtern und Staatsanwälten ist, dann treibt es gelegentlich ja auch Anwaltskollegen noch nachträglich in diese Richtung. Das ist ja das Schöne an dieser Ausbildung. Man kann sich - mit praktischen Einschränkungen - grundsätzlich recht problemlos um entscheiden.

Ich habe meine Anwaltszulassen schon seit Jahren nur noch „nebenbei“, und vergnüge mich hauptsächlich als Syndikus.

Das Problem an deinem Notwehrtäter ist aber, dass auch die Notwehr eben nicht aus dem Augenblick heraus einwandfrei feststehen muss. Der von mir geschilderte Fall zeigt das ja mehr als deutlich. Insoweit ist es schon sinnvoll und richtig vom mutmaßlichen Täter zu sprechen, weil die besonderen, ihn im Blicke der Öffentlichkeit besser davon kommen lassenden Gründe vielfach erst später heraus kommen. Der „Täter“ ist in den Augen der Allgemeinheit eben gerade nicht der potentielle Täter, der auf subjektiver Tatbestandsebene später Pluspunkte in Hinblick auf eine bloße Fahrlässigkeit für sich geltend machen kann, oder der entschuldigt ist, oder sich auf Rechtfertigungsgründe berufen kann, sondern zunächst einmal der Täter der vorsätzlich begangenen, maximal mit Strafe sanktionierten Tat, für den gerade so gar nichts spricht.

Schau Dir doch nur an, wie hoch immer die Wellen schlagen, wenn ein angeblicher Mord, tatsächlich kein Mord, sondern „nur“ ein Totschlag, oder gar eine fahrlässige Tötung oder Körperverletzung mit Todesfolge ist. Wie willst Du der Allgemeinheit da klar machen, wenn aus dem „Täter“ plötzlich der „in Notwehr handelnde Täter wird“? Ganz abgesehen davon, dass diese Definition in sich widersprüchlich ist, denn Täter ist in der juristischen Definition derjenige, der eine rechtswidrige Tat begangen hat. Der durch Notwehr gerechtfertigte „Täter“ ist insoweit gerade eben kein Täter im juristischen Sinne.

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Hallo Wiz,

meine Meinung zum Wort „mutmaßlich“ habe ich schon mehrfach gesagt und bisher hat mich kein Gegenargument von etwas anderem überzeugen können, was ich ja auch in jedem Fall begründet habe.

Und was den Unterschied zwischen Mord und Totschlag angeht: Ich bin ja nicht der einzige Mensch, der die von Joseph Göbbels festgelegte Definition für Mord für hanebüchen hält. Auch viele Juristen sind der Meinung, das müsste geändert werden. Ein gutes Vorbild gab ja die DDR. Obwohl wir vieles, was dort geschehen ist, nicht für mit dem Völkerrecht vereinbar halten, war der Mordparagraph neutral definiert.

Welche Rolle Du als Jurist einnimmst, habe ich ja richtig vorausgesehen. :- ) Ein RA mus vor Gericht, egal ob im Zivil- oder Strafverfahren, sich nach dem Richter gegenüber nach außen hin ja unvoreingenommen darstellen. Aber wenn einer mehrfach Prozesse verloren hat, wo er sich im Recht fühlte, kann ich mir durchaus vorstellen, dass er im Stillen ein Pauschalurteil der von Dir dargestellten Art entwickelt.

Zufällig habe ich gerade gestern erst bei spiegel.de unter dem Titel „Diese Jobchancen haben Juristen mit schlechten Examensnoten“ gelesen, dass sie niemals in großen Kanzleien, allenfalls in kleinen, oder als Richter oder Staatsanwalt eine Anstellung finden können. Das ist jetzt aber kein Pauschlurteil meinerseits, ich zitiere nur spiegel.de. :- )

Meinen eigenen durchaus positiven Eindruck habe ich ja schon erklärt.

Grüße
Carsten

Und das machst du woran fest? Gerade, wenn du bei Gericht gearbeitet hast, solltest du wissen, wieviele Unwägbarkeiten es im Tatverlauf und in Zeugenaussagen gibt.
Aber gut, du hast dir deine Meinung gebildet und bist auch nicht durch gut strukturierte und fundierte Gegenargumente davon abzubringen. Bin echt froh, dass ich nicht mal bei dir vor Gericht war.
Nur mal so als Denkanstoß: http://www.spiegel.de/panorama/justiz/joerg-kachelmann-ex-geliebter-droht-anklage-wegen-freiheitsberaubung-a-1139346.html

Data

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