Tach auch!
Ob DdR, Bild-Zeitungs-„DDR“, *Mauer hoch!* oder sogar vorgeschlagener Nachhilfeunterricht in Sachen Demokratie für sächsische Parlamentarier: Derartige populistische Titulierungen und Forderungen bereiten genau den Nährboden, auf dem institutionelle Trauerspiele (wie aktuell im sächsischen Landtag) prächtig gedeihen konnten und auch weiterhin - durch alle Bevölkerungsschichten hinweg - gedeihen werden.
Die Hybris der Westvereiniger, alles was jemals in der ehemaligen DDR an gewachsenen politischen und sozialen Werten (Und ja! Es waren gewachsene Werte, unabhängig davon, wie fragwürdig sie auch immer im historischen Rückblick erscheinen mögen.) existent war, im totalen Rundumschlag gleichsam ausradieren zu wollen, verstößt gegen die sozial-psychologische Erkenntnis, daß soziale Werte nur dann transportierbar sind, wenn man dem *Empfänger* die Möglichkeit läßt, sich auf der Basis seiner vorhandenen Wertvorstellungen für Neuerungen frei entscheiden zu können.
Tatsächlich hat man aber in allen politischen Lagern, von einzelnen Protagonisten abgesehen, vollkommen außer Acht gelassen, daß die friedliche Revolution ihre Motivation nicht aus dem Wunsch zog, westliche Verhältnisse in der alten DDR deckungsgleich schaffen zu wollen, sondern die bestehenden lediglich zu verbessern und nicht gleich auch in ihrer Gesamtheit im Schnellverfahren zu substituieren.
Dieses Vakuum zwischen Anspruch und Realität befindet sich nun exakt innerhalb der Grenzen des kleinsten, gemeinsamen Nenners: einem ostentativen, künstlichen Nationalbewußtsein mit der peinlichen Tendenz, sogar seitens gewählter Volksvertreter demokratische Aberwitzigkeiten zu generieren.
Eingedenk der frühen Erkenntnis, zu keiner Zeit auch nur annähernd das leisten zu können, was man heuchlerisch vorgab, in Bälde erreicht zu haben, besannen sich die politischen Wiedervereinigungsversager flugs darauf, erstmal den patriotischen Acker zu bestellen.
Eine wunderbare Strategie: Wenn denn schon von Anfang an klar war, daß die Begehrlichkeiten der freien Marktwirtschaft zwangsläufig auch ihre eigenen Schwächen und Probleme in die neuen Bundesländer exportieren würden, sollte zumindest ein strammes Nationalbewußtsein die Irreversibilität des Wiedervereinigungsfehlers fundamentieren.
Merke: In Zeiten wirtschaftlicher Nöte hilft vielleicht besonders lautes Singen der Nationalhymne.
Und nun wundern wir uns alle darüber, daß - in Folge der wissentlich initierten Gleichschaltungsversuche von linker mit rechter Ideologie zu einem identischen Teufelswerk - nach den Wählern letztlich auch die Gewählten höchstselbst diese Brücke überquerten.
Wem bislang noch nicht deutlich war, wie gefährlich nahe man mit forciertem Nationaldünkel einem extremen Nationalismus zwangsläufig kommt, sollte sich die desaströse Bedeutung der parlamentarischen Vorgänge in Sachsen vor Augen führen!
Aber wahrscheinlich werden eher die Dialektik-Experten der SED/PDS dieser politischen Perversion für schuldig befunden, als das Naheliegendste zu akzeptieren: Ein paar übereifrige Christ-Politiker haben ihre eigene Parteispitze abgestraft und schlichtweg dort ihr Kreuzchen gemacht, wo sie es eigentlich schon lange mal wollten.
Wer im besten Sinne eines St.Raphael Vereins soziale Verantwortung der traditionellen Abneigung gegenüber anderen politischen Kräften opfert, nimmt billigend in Kauf, daß die Bevölkerung genau diesen Gedanken im Wahlverhalten reflektiert.
Danke, Sachsen-CDU!
Thorsten