‚Einheit‘ ist auch nur ein Bild
Hi Tragant.
Nichts ist erschaffen worden. Die Existenz i s t . Die Existenz existiert ohne Anfang, ohne Ende, aber sie verändert sich ständig.
Unser Verstand hat diese Dualität geschaffen: die Dualität von Geist und Materie, Körper und Seele. Auch das ist nur eine eingebildete Dualität;
Auch das ist nur eine eingebildete Dualität; in Wirklichkeit gibt es nur e i n e s; einmal erscheint es in Form von ”Körper”, einmal als ”Seele”. Diese Dualität ”Gott und die Welt”, ”der Schöpfer und die Schöpfung” – geht auf unser dualistisches Denken zurück.
Das stimmt natürlich alles weitgehend. Allerdings ist die Rede vom ´Alles ist eins´ nicht unbedingt der Weisheit allerletzter Schluss, denn sie vereinfacht die Wirklichkeit, die (in der Sprache z.B. des Advaita-Vedanta, aber auch des Zen) „nicht-eins, nicht-zwei“ ist.
„Einheit“ - das ist nur eine Kategorie des Verstandes, wie wir spätestens seit Kant wissen. Letztlich kann man also über die „wahre Wirklichkeit“ nur in negativen Begriffen sprechen, was ja die Strategie sowohl des buddhistischen Dialektikers Nagarjuna als auch der Negativen Theologie war (die das Phantasma „Gott“ von seinen naiven Konnotationen befreien wollte, um dahinter den wahren mystischen Kern sichtbar zu machen). Man kann nur sagen, was die wahre Wirklichkeit n i c h t ist.
Ich zitiere zu dem Thema den führenden Denker der Transpersonalen Psychologie, Ken Wilber, aus einem seiner frühen Texte ( in: Das holographische Weltbild, München 1986):
„Feststellungen wie ‘Das Universum ist ein harmonisches, innerlich zusammenhängendes Ganzes‘ oder ‘Alle Dinge sind eins’ sind wunderbares Einführungsmaterial. Wir alle (die transpersonalen Autoren, H.Tr.) haben uns ihrer bedient, um einige grundlegende Gesichtspunkte einer breiten Öffentlichkeit deutlich zu machen. Darüber hinaus sind sie jedoch irreführend … Ein Beispiel. Wir haben zwei Spalten, A und B. In die Spalte A werden Wörter eingetragen wie fixiert, statisch, isoliert, Vielheit, Vereinzelt. In Spalte B trägt man Wörter ein wie fließend, dynamisch, Struktur, holistisch, Einssein. Meines Erachtens würde die große Mehrheit der New-Age-Denker die Ansicht vertreten, die mystische Anschauung werde in Spalte B dargestellt. In Wahrheit jedoch beschäftigt sich die Mystik damit, beide Spalten zu transzendieren. Spalte B ist genauso dualistisch wie Spalte A, einfach deswegen, weil beide Spalten Gegenstücke oder Spiegelungen voneinander darstellen, beide also nur Teile sind. Die Wirklichkeit ist nicht holistisch; sie ist nicht dynamisch, nicht innerlich verbunden, nicht eins und nicht vereinigt - alle diese Begriffe sind nur Vorstellungen von der Wirklichkeit … Aus diesem Grunde sagt das Zen, die Wirklichkeit ist nicht zwei, nicht eins.“
Soweit Wilber.
Der Punkt, wo man sagen könnte, „hier hört der Körper auf und fängt das Bewußtsein an“, ist unauffindbar. Es gibt keine Grenzlinie. Körper und Seele sind nicht zweierlei, sondern nur zwei Pole des einen Daseins: am einen Pol erfährst du dich als Körper und am anderen als Bewußtsein.
Hier stimme ich nur bedingt zu, denn das Problem taucht auf, dass du einerseits einen ontologischen Dualismus bestreitest, andererseits aber in deiner Argumentation nicht auskommst ohne Hinweise auf Dualismen (Polaritäten), die offensichtlich „irgendwie“ bestehen. Warum sprechen wir von Körper und Geist, wenn nicht, weil „irgendwie“ Unterschiede im Sein bestehen, die diese Unterscheidung ermöglichen?
Es führt also in Aporien, wenn man einerseits „Einheit“ (im Sinne von Nichtverschiedenheit) als ontologisches Faktum nimmt und andererseits auf Unterschiede innerhalb dieser Einheit verweist, die „zwei Pole eines Daseins“ darstellen.
Zumal das mit den beiden Polen „eines Daseins“ in vedantischer Sicht nur relativ zutrifft. Der Körper gilt hier als grobstofflich und schnell-vergänglich, der Geist aber als feinstofflich und wesentlich dauerhafter, er kann sich auch vom Körper lösen. Beides steht nur in einer temporären Beziehung zueinander. Das von dir sogenannte „Dasein“ (ziemlich Heideggerisch) findet also auf zwei unterschiedlichen Ebenen statt, die man differenzieren muss. Und diese Ebenen bilden keine „Einheit“, denn eine von ihnen „überlebt“ die andere und ist (relativ) unabhängig von dieser.
Gruß
Horst