Wenn der einzige Sinn und Zweck des Lebens das Erreichen von
Wohlgefühlen ist, müßte doch der
Unsinn des Nichtlebens das Erreichen von Unwohlgefühlen sein.
Lieber Weissbisselwas
Wenn das Wörtchen „wenn“ nicht wär; abgesehen davon ist dein
zweiter Satzteil eine Wiederholung des ersteren.
Der von Dir zitierte Spruch wird für andere Aussagekonstellationen gebraucht, z. B. zum
Begründungen von Unmöglichkeiten, die im Grunde möglich wären und damit Ausreden darstellen.
Der zweite Teil meines Satzes wäre erst dann ein Wiederholung, wenn ich geschrieben hätte, daß
der Unsinn des Nichtlebens das Nichterreichen von Unwohlgefühlen ist.
Hoffentlich stürze ich Dich jetzt nicht in Selbstzweifel, denn ein bißchen Selbstbewußtsein
brauchst Du jetzt noch für den Rest:
Aber lassen wir uns auf deine Hypothese ein:
„Das Erreichen von Wohlgefühlen ist der Sinn und Zweck unseres
Lebens.“
Ich denke, so kann man deine Aussage zusamenfassen. Die
„Wohlgefühle“ oder „Unwohlgefühle“ bezeichnest du als Sinn und
Zweck unseres Daseins.
Ich halte das für sehr vermessen.
Ich halte deine Thesen für nicht richtig.
Ich möchte dazu zwei Punkte anführen:
1.) Ich behaupte, dass der Sinn (oder der finale Zweck) seines
Daseins nicht von homo sapiens ergründet werden kann. Auch
wenn wir Gründe über Hintergründe über Hintergründe unserer
Existenz erführen, so bliebe es uns doch verwehrt, gleichsam
mit den Augen Gottes einen Blick auf die letzten Gründe und
Zusammenhänge der Metaphysik, so sie es denn gibt, zu werfen.
Ich glaube, Du verwechselst hier was. Es geht nicht um das Erkennen der Ursache alles
Wahrnehmbaren und alles Existenten, was wir noch nicht wahrnehmen konnten. Es geht um den
Motor, der alles antreibt. Hinterfrage doch mal alles, was geschieht, wozu es letztlich
geschieht! Du wirst mir zustimmen, daß es nur um das Erreichen von Wohlgefühle geht, die nur
durch Unterschiedsgefühle wahrgenommen werden können.
Wozu soll es gut sein, wem soll es nützen, wenn wir etwas andenken oder zu ergründen suchen,
das wir möglicherweise nie begreifen können? Sind wir da, um Unbekanntes zu erreichen oder
zufriedenzustellen? Wohl kaum. (Du vielleicht? Hast Du Anhaltspunkte oder Beweise dafür …
Ich kann mir nicht mal vorstellen, etwas mit „den Augen Gottes“ sehen zu können. Darum lasse
ich diese Vorstellung auch lieber. Sie würde mich in kindliche Vorstellungswelten
zurückversetzen, die machtdominiert waren und nur geeignet, unser Denkvermögen zu entwickeln.
Das Denkvermögen ist aber bei vielen Zeitgenossen unterentwickelt, weil sie zu früh aufgehört
haben, sich weiterzuentwickeln.
Ich glaube aus diesem Grunde nicht, dass sich das Rätsel
unserer Existenz mit der simplen Antwort „Vermeidung von
Unwohlgefühlen“ lösen lässt. Der Schlüssel zur Erkenntnis
unseres Gastspiels auf diesem schönen Stern soll in einer
simplen Wenn/Dann-Beziehung liegen, die sich auf
Befindlichkeiten eines Subjektes bezieht?
Nein.
Dafür fehlt deinem Vorschlag das Endgültige. Ich möchte das in
Punkt zwei kurz darstellen:
2.) Um das, was ich meine, anschaulich machen zu können,
benutze ich eine Analogie.
Stell’ dir vor, du fährst auf einer teilweise schnurgeraden,
teilweise gewundenen Straße. Du hast ein sehr gutes
Fahrgefühl, die Straße ist breit und sicher. Du steuerst einem
unbekannten Ziel (Sinn und Zweck des Daseins) entgegen. Die
Straße symbolisiert die Lebensbahn. Du fühlst dich wohl und
steuerst weiter deinen Kurs. Allerdings kommt manchmal Nebel
auf, aber die Leitplanken sichern deinen Kurs. Die
Gegebenheiten am Straßenrand, die dich auf dem rechten Weg
halten, symbolisieren die Wohl-/Unwohlgefühle. Sie sind
Begleiterscheinungen. Du arbeitest nicht auf diese
Erscheinungen hin, sondern auf etwas dahinterstehendes.
Analogien sollten für mich die Möglichkeit einer Vergleichbarkeit beinhalten, haben für meine
Begriffswelt überhaupt nichts mit der frühkindlichen Entwicklungsphase durch Berührungen am
Allerwertesten zu tun, die nur auf Lustgewinn zielt …
)
Spaß beiseite: Dein nettes Bild beschreibt die Lebensempfehlung der Buddhisten, den Weg als
Ziel zu betrachten. Ich finde, wenn das Ziel weg ist, wird der Weg schnell zum Ziel, und man
ist auch zufrieden, nicht irgendwo anzukommen. Dahinter steckt die offensichtlich
systemimmanente Programmierung nach Wohlgefühlen, die uns zu immer neuen Wohlfühlzielen
treibt. Fakt ist aber, daß wir Wohlgefühlexperten sind, die schon beim Beschreiten eines Weges
Wohlgefühle haben. Wer mit kleinen Schritten auf diesem Weg zufrieden ist, darf sich
Lebenskünstler nennen. Andere sind gerne Idioten, die uns überholen, dann zu schnell an ihrem
Ziel ankommen, und dann so leicht kein neues mehr finden, das noch mehr Wohlgefühle bringt.
Es ist die ewige Hatz auf mehr, die Buddhisten mit ihrer Lebensempfehlung unterbinden möchten.
Recht haben sie, denn der Run vieler auf ihre Glücksberge wird früher oder später alle rennen
lassen, und dann wird es schnell so eng weiter oben, daß viele heruntstürzen und unter
Umständen alle mit in den Abgrund reißen.
Warum muß das Erkennen des Motors aller Existenzen etwas Endgültiges haben? Dieser Motor hat
gereicht, alles in Bewegung zu setzen! Warum sollte dieser Motor aufhören zu arbeiten? Oder
mißverstehe ich Dich in diesem Punkt?
Warum soll der „Schlüssel zur Erkenntnis unseres Gastspiels auf diesem schönen Stern“ nicht in
einer simplen Erkenntnis liegen? Die Natur hat uns immerwieder überrascht mit genial einfachen
Lösungen, und letztlich kann es ja nur etwas genial einfaches gewesen sein, was so vieles
hervorgebracht hat, daß wir nur respektvoll und tief ergriffen stauenen können.
Warum sollen die „Befindlichkeiten“ von „Subjekten“ nicht würdig genug sein, der Schöpfung
ihre grandiose Bedeutung zu geben …? Ich habe großen Respekt vor jedem noch so unscheinbaren
Subjekt, verneige mich auch vor Dir, Deiner Weisheit und Deinen Erfahrungen!
Arbeitest Du nicht auf Wohlgefühle zu, sondern auf noch unbekannte „Erscheinungen“ dahinter,
die noch nie jemand ergründet hat oder vernünftig mutmaßen konnte?
Ich wünsche Dir auch noch ein paar Wohlgefühle an den Feiertagen und grüße Dich, weil mir das
Wohlgefühle macht und ich mir dadurch noch ein paar Wohlgefühle mehr erhoffe …!
Bin gespannt, was Du meinst zu meinen Gedanken.