"Deutsches Bezahlen"

Hallo,
im Ausland wird oft etwas seltsam geschaut, wenn jeder am Tisch extra abrechnen lassen will. Manchmal wird auch gemault, weil man das nicht beim Bestellen angesagt hätte.
Aber wenn alles, was so 6 oder mehr Personen im Laufe des Abends verzehren, geteilt wird und jeder mehr oder weniger ein paar Scheine reinwirft, hätte ich auf die Dauer schon das Gefühl, dass einer am Tisch besonders schlecht wegkommt. Trinkgeld ist eher reichlich.
Warum ist das in anderen Ländern unproblematischer? Essen und Trinken die qualitativ und quantitativ ähnlich? Sind die Preise wesentlich geringer? Oder ist das wirklich „unsere“ Mentalität?
Gruß
Rakete

Vorweg: es interessiert mich nicht ob ein Kellner oder Gastwirt, egal ob in Deutschland oder im Ausland, dumm schaut, wenn getrennt abgerechnet wird.

Anderseits halte ich es so: wenn ich der Anlass bin, dass mehrere Personen in ein Lokal gehen, zahle ich für alle.
Wenn ein anderer der Anlass ist, zahlt er, oder wenn er das anders sieht, jeder für sich getrennt.

Egal wie, wenn ein Kassierer, egal ob Chef oder Angestellter, rummaulen würde, wäre das Lokal für mich erledigt, völlig gleichgültig wie gut Küche und Service war - das würde ich meinem Gegenüber auch deutlich machen.

Weitere Gedanken wäre mir das nicht wert.

Treff ohne sonderlichen Anlass eines Einzelnen ist gemeint.

Das war - in dem Fall ein Lokal in Krakau - auch der Fall. Ich fand die Reaktion aus unserer Gruppe etwas übertrieben, da Service, Essen und Atmosphäre tadellos war.

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Und dieser guter Eindruck wird am Schluss völlig unnötig durch den Kassierer vernichtet. Die Aufgabe eines Restaurants ist es nunmal einen guten Eindruck zu machen. Wer dann auf den letzten 2% alles vorher Aufgebaute kaputt macht ist einfach ein Amateur.

Bei zufälligen Treffen von Personen außerhalb des Familien- oder engeren Freundeskreises ist ein getrenntes Zahlen ein vollkommen normaler Vorgang.

So kommt es bei dir, dem Deutschen, an. Für die Landsleute des Kellners ist das völlig normal.

Es hat ja jedes Land ein Recht auf seine Bräuche.
Der Ausdruck "Deutsches Bezahlen " stammt m.W. auch Griechenland. Dort verliert man ja dann auch gern mal den Überblick über die verursachten Ausgaben.

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Da ich, der Deutsche, bezahle und als Kunde entscheide, ob ich zufrieden bin oder nicht, ist mir die Meinung seiner Landsleute in diesem Moment völlig egal. Er will Geschäfte mit mir machen, er hat sich nach mir und meinen Wünschen richten. Ich bin nicht sein Dienstbote, der ihm das Kassieren erleichtern muss.
Das gilt übrigens im In – und Ausland.

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Servus,

im Italienischen gibt es dafür einen extra Ausdruck, was belegt, dass es dort durchaus auch üblich ist: fare alla Romana.

Schöne Grüße

MM

Mein Übersetzungsprogramm kann das nicht übersetzen, ich spreche kein italienisch. Könntest du mir die Übersetzung mitteilen?

Wörtlich „auf römisch machen“, ist aber nichts aus der Rotlicht-Sparte. Täte ich übertragen mit „römisch bezahlen“ = jeder zahlt seine Zeche getrennt.

Könnte mit dem Ruf von Römern als kleinlich, arrogant usw. zu tun haben, wird aber nicht abwertend verstanden.

Schöne Grüße

MM

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Die Antwort auf die Ausgangsfrage hat etwas mit Respekt zu tun. Respekt vor den lokalen Gebräuchen und Sitten. Respekt vor dem Servicepersonal oder dem kleinen Cafetier, die beide in der Nahrungskette nicht ganz oben stehen. Deutschen eilt in vielen Ländern der Ruf voraus, damit nicht besonders reichlich gesegnet zu sein. In Frankreich sagt der Kellner in solchen Situationen gerne mal zu den einheimischen Gästen am Nachbartisch: Früher kamen sie mit dem Panzer, jetzt mit den dicken SUVs. Dazugelernt haben sie nichts.

Mit der Einstellung hat mein Opa 1940 Frankreich bereist.

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Respekt drücke ich am besten aus, wenn ich mit dem Gegenüber auf Augenhöhe kommuniziere und das verlange ich auch für mich.
Auf geistig oder körperlich Behinderte nehme ich natürlich Rücksicht.

Das gilt rund um die Welt, auch für dumme Kellner mit dummen Sprüchen.

Das ist typisch deutsch:

Das mit dem Topf funktioniert so, dass jeder einzelne ungefähr im Kopf hat, wie seine Rechnung ausfällt, das plus Trinkgeld kommt in den Topf. Man hat genug kleine scheine / Kleingeld dabei, um es richtig zu machen, falls einer nur großes hat, hofft man darauf, dass die Gruppe grooß genug ist und man sich das Zuviel aus dem schon im Topf vorhandenen Geld nimmt/ man wartet auf das Wechselgeld des Kellners. Die Differenz sind ja keine großen summen, und man trifft sich ja mal wieder. Nur Deutsche machen sich so viel Gedanken um Gerechtigkeit - bzw. die deutsche Form von gerechtigkeit: dass ic hja auf keinen Fall auch nur einen Cent zu viel zahle / zu wenig bekomme.

die Franzi

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Ich bezweifle, dass er als selbst zahlende Privatperson nach Frankreich fuhr, eher im Gegenteil in den Augen der Franzosen.

Und ich halte für selbstverständlich, daß auch für deutsche Kellner bestimmte Anstandsregeln im Umgang mit Ausländern gelten.
Z.B. dass sie keine dummen Sprüche über ausländische Gruppen machen, die unbedingt den Gesamtbetrag mit einer Zahlung begleichen wollen.

Servus,

der Spruch, den man hier immer und jederzeit von einem deutschen Kellner zu hören bekommt, ist die schlichte Frage „Zusammen oder getrennt?“

Schwierig wird es, wenn ein nicht deutscher Muttersprachler diese Formel nicht kennt. Dann ist das Geschick des Kellners gefragt, mit Gestik zu formulieren, was er wissen möchte.

Dass man das in manchen Ländern vorher ansagen muss, hat damit zu tun, dass es welche gibt, in denen die Bedienung am Tisch und die Kasse strikt getrennt sind, d.h. der Kellner hat gar keine Chance, irgendwas auf Zuruf pro Nase abzurechnen, weil er überhaupt nicht abrechnet, sondern der Kassierer. Und der sitzt an der Kasse und kommt nicht an den Tisch.

Der Kirchenvater Augustinus meint dazu übrigens

Si fueris Romae, Romano vivito more!
Si fueris alibi, vivito sicut ibi!

Wenn du in Rom bist, lebe nach römischer Art!
Wenn du anderswo bist, lebe wie (die anderen) dort!

Man verschenkt viel, wenn man das nicht tut.

Anekdotisch eine Szene von einer Exkursion meiner Kollegen von der Tierproduktion (ich war als Angehöriger der WiSoLa-Fraktion nicht dabei) nach Norditalien, wo sie von einem Parmaschinkenerzeuger, der seine Rohware hauptsächlich von deutschen Mastbetrieben bezog, zum Essen eingeladen wurden.

Mit zweiundzwanzig kann man so gut wie immer essen, als körperlich mehr oder weniger schwer arbeitender Bauernbub sowieso.

Die Pasta wurde aufgetragen. Oh klasse, es gibt Spaghetti! Die Buben hauten sich den Bauch voll.

Dann wurde der Fisch aufgetragen. Ungläubiges Staunen.

Dann wurde der Fleischgang aufgetragen - lange, lange Gesichter: Die Buben sahen dem Fleisch an, dass es was richtig Gutes war, aber sie konnten schlicht nicht noch mehr essen.

Es hatte ihnen keiner gesagt, dass in Parma das Essen nicht wie bei Muttern alles zusammen auf einem Teller serviert wird…

In diesem Sinne

MM

Auch ich lebe im Ausland schon immer nach dieser Maxime, die ich von meinem Vater übernommen habe, der auch einige Zeit im Ausland gelebt hat. Ich bin damit immer sehr gut gefahren. So zu agieren hat schon oft dazu geführt, dass man schnell nicht als Fremder sondern als jemand betrachtet wurde, mit dem man ganz vertraut kommunizieren kann, dem man dann auch gerne Tipps für Dinge jenseits ausgelatschter Touristenpfade gibt, bei dem man sicher sein kann, dass der weder die Tippgeber blamiert, noch sich hinterher beschwert wird, wenn es irgendwo keinen „deutschen Standard“ gab, … Das ist auch eine gute Basis dafür, dass man mal privat eingeladen wird, sich eine gewisse Großzügigkeit statt Abzocker-Mentalität zeigt, sich längerfristige Freundschaften entwickeln, … Und kommt es dann doch mal zum unbeabsichtigten kleinen culture-clash, dann freue ich mich immer über nette Aufklärung von Leuten, die wissen, dass man ihnen dies nicht übel nimmt, sondern ganz im Gegenteil ein großes Interesse daran hat, solche Dinge zu lernen. Z.B. letztes Jahr in Schweden, als uns die Torte ungeschnitten mit Messer überreicht wurde, und wir angesichts vertrauter, familiärer Situation sie Sohnemann zum möglichst exakten Einteilen der Stücke übergaben, und wir dann in etwas konsternierte Gesichter sahen. Beim Gegenbesuch wussten wir dann bescheid, dass - m.E. sehr sinnig - sich in Schweden jeder selbst ein für ihn passend großes Stück selbst abschneidet. Haben wir daher bei uns in der Familie inzwischen auch eingeführt.

Und dieses unsägliche „auf den Cent genau getrennt zahlen“, ist etwas, das ich schon in Deutschland nicht leiden kann. Da wird - ohne großes Nachdenken - Geld an allen Ecken und Enden für irgendwelchen Blödsinn in teilweise erheblichen Größenordnungen raus geworfen. Modernstes Handy, dickste Zwiebel, Protzklamotten, Radpanzer, Cluburlaub, … Aber wenn man mit Leuten zusammen etwas isst, die man üblicherweise ja sogar kennt und schätzt, wird es plötzlich vollkommen kleinkariert. Und das oft auch noch in Kreisen, die wirtschaftlich nun wirklich keinerlei Sorgen und Probleme haben. Und wo ich dann richtig stinking werden kann: Wenn dann jeglicher Versuch eigener Großzügigkeit vehement abgelehnt wird, weil man Angst hat, dann beim nächsten Mal auch etwas großzügig sein zu müssen, und dabei unter dem Strich dann ggf. nicht exakt 1:1 raus zu kommen, eine Dankesschuld (von € 1,50, wie lächerlich) offen zu haben, …

Unvergesslich die Bauernfamilie aus der Drome, die zum großen Ostermahl am langen Tisch saß. Es gab zur Einleitung des Mahls eine Wachtel für jeden.

Aus Respekt vor dem deutschen Gast am Tisch bemühten sich alle, den Vögelchen mit Messer und Gabel ein wenig Fleisch abzuringen, auch der deutsche Gast, der glaubte, das gehöre sich bei seinen Gastgebern so. Bis es dem zu blöde wurde und er das leckere Vögelchen schlicht in die Hand nahm, wie er es kannte. Im selben Moment tiefes Aufatmen die ganze große Festtafel entlang, und das Besteck wurde beinahe synchron weggelegt…

Schöne Grüße

MM

Beim nächsten Mal haten wir in Polen in einem anderen Lokal vorher Bescheid gegeben. Dann gab es auch kein Gebrubbel.

Das lässt sich mit größeren Geldbeuteln leicht sagen. Schon um sich revanchieren zu können wurden in Jugendjahren manchmal mehr Runden bestellt als man Durst hatte.

das hast Du aber hübsch gesagt! :wink: